Süddeutsche Zeitung

Promis und Paparazzi:"Angelina Jolie hat verstanden, wie das Spiel funktioniert"

Ist das noch ein Foto oder schon ein Überfall? Paparazzo Hans Paul kritisiert im Interview, dass die Jagd nach Promibildern immer schlimmer wird - und verrät, welcher Deutschen er gerade hinterher ist.

Von Felicitas Kock

Schauspielerin Cate Blanchett hat kürzlich einen Kameramann heftig beschimpft, der sie langsam von unten nach oben filmte - und auch andere Showgrößen wehren sich gegen den Fotowahnsinn auf dem roten Teppich, kurz bevor am Sonntag bei der Oscar-Verleihung sich Stars und Fotografen gegenüberstehen. Dass die Jagd nach Bildern immer schlimmer wird, bestätigt Hans Paul. Der 54-Jährige, der lange Zeit in Los Angeles gelebt hat, gehört zu den bekanntesten deutschen Pa­pa­raz­zi - und hat eine Menge über Stars, Sternchen und ihre Beziehung zu Fotografen zu erzählen.

SZ.de: Herr Paul, haben Sie Zeit für ein Gespräch?

Hans Paul: Natürlich, ich sitze gerade eh nur im Auto und schaue, ob ich Bettina Wulff und ihren angeblichen Neuen erwische. Sie sagt ja, er sei nur ein guter Freund - deshalb brauchen wir noch einen Liebesbeweis. Ein Foto, auf dem sie sich küssen oder Händchen halten.

Das heißt, Sie liegen jetzt tagein, tagaus in Großburgwedel auf der Lauer und warten darauf, dass etwas passiert?

Nicht ganz. Wir haben Informanten, die Geld dafür bekommen, dass sie uns Bescheid sagen, wenn Bettina irgendwo auftaucht. Für meine Berufsgruppe ist es extrem wichtig, sich ein gutes Netz an Informanten aufzubauen - man selbst bleibt auf diese Weise im Hintergrund und kommt nur dann vorbei, wenn wirklich etwas los ist. Und ganz ehrlich: Für 50 Euro verpetzt Sie sogar Ihr Nachbar.

Und wie sprechen Sie den Nachbarn an? Gehen Sie hin und sagen "Hallo, ich bin Hans Paul und hätte Sie gerne als Informanten"?

Nö, ich streichle zuerst den Hund des Nachbarn. Mittlerweile werde ich dabei nicht mal mehr gebissen - im Gegensatz zu früher, als ich noch ziemliche Angst vor den Tieren hatte. Ich halte dem Hund also die Hand hin, streichle ihn und am anderen Ende der Leine hängt ein Herrchen oder Frauchen. Mit dem komme ich dann langsam ins Gespräch, stelle mich als Reporter vor, sage, dass ich gerne ein Foto hätte und so weiter. Wenn man nett ist, sind die meisten Leute eigentlich ganz zugänglich. Entweder man nutzt das - oder man versteckt sich in der Mülltonne.

In der Mülltonne?

Ich habe eine Mülltonne mit Löchern drin, in der sitze ich und gucke raus. Aber irgendwann kommt auch da mal ein Nachbar, wundert sich, weil er die Tonne nicht kennt und schaut nach. Also lieber offen sein, nett sein und nie die Kamera offen herzeigen.

Klingt, als hätten Sie Spaß an Ihrem Job.

Absolut. Ich mache das aus purer Leidenschaft, man könnte auch sagen, ich bin süchtig. Ich lebe und arbeite drei Monate im Jahr in Australien. Ich bin mit einem Van unterwegs, in dem ich auch übernachte. Außerdem habe ich ein kleines Moped, auf dem ich durch die Gegend jage. Wichtig ist mir, dass die Prominenten entweder einverstanden sind oder es nicht merken, wenn ich sie knipse. Für sie soll das nicht in Stress ausarten.

Das sieht auf dem roten Teppich bei den Golden Globes oder Oscars ein bisschen anders aus.

Am roten Teppich stehe ich selbst nie, man kann dort heutzutage kein Geld mehr verdienen. Da stehen unzählige Fotografen, viele von Agenturen oder Magazinen, das ist der reine Krieg. Alle wollen Bilder von den großen Stars machen und am Ende haben alle das gleiche Foto. Es gibt Fotografen, die verkaufen Bilder vom roten Teppich für 30, höchstens 50 Dollar. Das war früher anders, aber durch die Konkurrenz sind die Preise eingebrochen. Man kann nur noch mit Exklusiv-Fotos wirklich Geld verdienen.

Können Sie denn verstehen, dass sich Schauspielerinnen wie Cate Blanchett dagegen wehren, so penetrant geknipst und gefilmt zu werden?

Natürlich ist auf dem Teppich viel Rummel und es gibt viele Fotografen, die verdienen die Bezeichnung nicht. Die springen einfach vor einem Star aus dem Busch und drücken auf den Auslöser. Die kommen den Promis sehr nahe, bedrängen sie und verursachen mitunter Unfälle, nur um ein Foto zu bekommen. Wir nennen sie "Shooter". Das hat mit meinem Berufsverständnis wenig zu tun.

Es gab ja vor kurzem diesen Paparazzo, der Nicole Kidman mit dem Fahrrad umgenietet hat ...

Das ging gar nicht. Ich habe auch Fotos von Nicole gemacht, als sie kürzlich bei ihrer Familie in Australien war. Eigentlich wollte ich an dem Tag Naomi Watts vor die Linse bekommen, dann habe ich einen Tipp von einem Informanten bekommen. Nicole sah toll aus, trug einen engen schwarzen Lederanzug - und ich habe sie exklusiv fotografiert. Die Bilder haben wir für 30 000 Euro verkauft. Manche Promis machen es einem eben sehr leicht.

Wer zum Beispiel?

Angelina Jolie. Sie lässt den Paparazzi alle zwei bis drei Wochen über ihre Wachmänner ausrichten, dass sie sie irgendwo fotografieren können. Dafür wird sie den Rest der Zeit in Ruhe gelassen. Sie hat verstanden, wie das Spiel funktioniert. Andere Stars bestellen uns nur zu einem bestimmten Ort, wenn sie dringend Aufmerksamkeit brauchen. Jenny Elvers zum Beispiel hat sich gerade mit einem unserer Fotografen abgesprochen, wo sie in den kommenden Tagen fotografiert werden will. Wir erhöhen durch die Bilder ihren Marktwert.

Und wenn der Marktwert hoch ist?

Wenn sie gerade angesagt sind, wollen manche auf einmal nichts mehr mit uns zu tun haben. Denn dann können sie einem Magazin von sich aus eine große Fotostrecke anbieten und das Geld selbst einstecken. Manche greifen zu juristischen Mitteln, sagen, dass sie nicht fotografiert werden wollen, wenn sie privat unterwegs sind. Als könnte man Prominenz ein- und ausschalten wie eine Stehlampe.

Wer ist zurzeit am angesagtesten?

Leonardo DiCaprio, würde ich sagen. Ich habe schon mit seiner Mutter Kaffee getrunken, sie spricht ja Deutsch. Er selbst lässt sich aber nicht einfach so fotografieren. Man muss ihn schon jagen, was auch wieder einen gewissen Reiz hat. In Deutschland ist es im Moment Bettina Wulff. Aber sie ist keine Kultfigur wie Verona Pooth, kann nicht singen oder schauspielern, weshalb sie bald von der Bildfläche verschwinden wird. Außer sie hat jedes Jahr einen neuen Freund.

Wären Sie selbst gern prominent?

Auf keinen Fall. Prominenz ist in meinen Augen keine Belohnung, sondern eine Bestrafung. Es ist schon eine ziemliche Plage, wenn du überall erkannt wirst.

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