Süddeutsche Zeitung

Adelshäuser:Ernst August gegen Ernst August

Das Oberhaupt des Hauses Hannover hat seinen Sohn verklagt: Er soll ein geschenktes Schloss wieder hergeben. In dem Streit geht es aber nur vordergründig um Liegenschaften, die wahren Konflikte liegen tiefer.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Vater und Sohn, weites Feld. Kann zum Beispiel bei Erbschaften auch mal schwierig werden. Vor allem, wenn Schlösser im Spiel sind und Prinzen aus Familien, die früher sogar mal die Könige von England stellten. Der Prinz fiel in der Neuzeit durch teils handfeste Eskapaden auf. Die Welfen also. Ernst August Prinz von Hannover gegen Ernst August Erbprinz von Hannover.

Der Vater will von seinem Sohn ein Schloss und weitere Liegenschaften in Niedersachsen zurück, die er ihm geschenkt hatte, er hat ihn deswegen nun sogar verklagt. Ende 2020 war die Klage beim Landgericht Hannover eingegangen, am Dienstag wurde sie öffentlich. Ernst August Prinz von Hannover, 66 Jahre alt, verlangt von seinem Erstgeborenen Ernst August Erbprinz von Hannover, 37 Jahre alt, "die Rückübereignung", wie sich das nennt, der Marienburg und des Hausguts Calenberg in Pattensen sowie des Fürstenhauses Herrenhausen in Hannover.

Zerstritten sind die beiden schon länger, was auch damit zu tun hat, dass sie als etwas verschiedene Charaktere gelten. Ernst August der Ältere ist ein Urenkel von Wilhelm II., dem letzten deutschen Kaiser, und in zweiter Ehe verheiratet mit Caroline von Monaco. Seine Ausfälle sind Legende und brachten ihm mehrere Spitznamen ein, von denen einer mit dem Verb "prügeln" in Verbindung steht. Die Punkband Terrorgruppe singt in einem Lied zu seinen Ehren "ein Hoch auf den Sid Vicious der Aristokratie".

Ernst August, der Vater, lebt nach eigenen Angaben schwer krank und abgeschieden in einem Forsthaus in Österreich, wie es auch in der aktuellen Gerichtsmitteilung heißt, und fühlt sich von seinem Sohn vernachlässigt. Im September 2020 wurde er kurz festgenommen, nachdem er eine Bedienstete bedroht haben soll. Noch immer ist er das Oberhaupt des einst königlichen Hauses Hannover und ehedem herzoglichen Hauses von Braunschweig.

Ernst August der Jüngere stammt aus seiner ersten Ehe mit einer Schweizerin. Er trägt den leicht sperrigen Gesamtnamen Ernst August Andreas Philipp Constantin Maximilian Rolf Stephan Ludwig Rudolph Prinz von Hannover Herzog zu Braunschweig und Lüneburg Königlicher Prinz von Großbritannien und Irland, gilt aber als eher zurückhaltend. Der Erbprinz ging in England zur Schule, studierte in New York und Italien und war Banker, kehrte jedoch heim. 2017 heiratete er in Hannover die russische Modeschöpferin Ekaterina Malysheva, sie haben zwei Kinder. Der Papa kam nicht zur Hochzeit.

2004 und 2007 hatte er dem Stammhalter den Grundbesitz vermacht, im Zuge vorweggenommener Erbfolge, wie es heißt. Im Mittelpunkt der Familienfehde steht nun die Marienburg, die sehr schön auf einem bewaldeten und zuletzt verschneiten Hügel südlich der niedersächsischen Landeshauptstadt thront. Der früh erblindete Hannover-König Georg V. hatte sie 1859 bis 1869 seiner Frau Marie errichten lassen, die Preußen kamen dazwischen, das Bauwerk stand meistens leer. Für Besucher ist es grundsätzlich offen, nicht aber in dieser Ära Corona.

Wo ist der Reichtum der Welfen hin?

2018 wollte der Erbe das Schloss für einen symbolischen Euro an den Staat verkaufen und erläuterte das Vorhaben mit der nötigen Sanierung. Sein Einkommen reiche dafür nicht aus, sagte er der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Der Reichtum der Welfen sei ein Mythos. 2005 hatte eine Auktion auf der Marienburg 44 Millionen Euro eingebracht. "Das Geld ist weg", so Ernst August Junior, draufgegangen unter anderem für Vaters Schulden. Der Senior war gegen den Verkauf, inzwischen wurde die Marienburg vom Erbprinzen in eine Stiftung überführt. Der Bund und das Land Niedersachsen wollen das Gemäuer für ungefähr 27 Millionen Euro renovieren.

Ein Rechtsgutachter hatte unterdessen versichert, dass der beerbte Sohn der rechtmäßige Eigentümer sei. Der Vater fordert die Rückgabe und legt jetzt nach. Er möchte nicht nur die Marienburg, sondern auch das Hausgut Calenberg und das Fürstenhaus Herrenhausen wiederhaben. Der Beklagte habe sich "schwerwiegend an den Rechten, Rechtsgütern und Interessen des Klägers vergriffen" und versucht, das Vermögen des Hauses Hannover hinter dem Rücken seines Vaters unter seine Kontrolle zu bringen, liest man in der Klage. Er habe die Absetzung des Klägers als Vorstand der Familienstiftung betrieben und sich außerdem Kunstwerke und Antiquitäten aus dem Familienbesitz angeeignet. Es handele sich um Gemälde, Kutschen und Skulpturen aus der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel und dem Historischen Museum Hannover. Deshalb habe er die Schenkung widerrufen. Der Sohn, in diesem Fall der Beklagte, habe sich des "groben Undanks" schuldig gemacht, Paragraf 530 BGB.

Immer wieder Neues von den Welfen, einem der ältesten Hochadelsgeschlechter Europas, wobei es den Adel in Deutschland ja eigentlich nicht mehr gibt. Die Klage sei "substanzlos und die darin enthaltenen Behauptungen sind falsch", gibt Ernst August Erbprinz von Hannover aus Isernhagen bekannt. Sorgen um Schloss Marienburg seien unbegründet, die Rechtslage sei klar. "Vor diesem Hintergrund sehen wir auch einer gerichtlichen Auseinandersetzung gelassen entgegen." Einzelheiten wolle er nicht kommentieren, "auch zum Schutz meines Vaters".

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