Süddeutsche Zeitung

Missbrauchsvorwürfe:Prinz Andrews gescheiterter Abwehrversuch

Prinz Andrew wollte die Klage des mutmaßlichen Missbrauchsopfers Virginia Giuffre kippen - ohne Erfolg. Dass der Sohn der Queen nun tatsächlich vor Gericht erscheint, ist jedoch fraglich.

Von Christian Zaschke, New York

Prinz Andrew, zweitältester Sohn der britischen Königin Elizabeth II., ist mit seinem Anliegen gescheitert, dass eine in New York anhängige Klage wegen sexuellen Missbrauchs gegen ihn zurückgewiesen wird. Am Mittwoch entschied das Gericht, den Fall zuzulassen. Die Klägerin Virginia Giuffre beschuldigt Andrew, sie im Jahr 2001 missbraucht zu haben. Damals war sie 17 Jahre alt.

Giuffre gibt an, seinerzeit in die Fänge des Sexualstraftäters Jeffrey Epstein und dessen Gehilfin Ghislaine Maxwell geraten zu sein. Epstein war im Juni 2019 in New York festgenommen und wenig später erhängt in seiner Zelle gefunden worden. Maxwell ist vor kurzem in New York unter anderem wegen Menschenhandels verurteilt worden und sitzt in Haft.

Epstein, sagt Giuffre, habe sie gegen ihren Willen zum Sex mit Andrew gezwungen. Der Prinz bestreitet die Anschuldigungen.

500 000 Dollar - dafür, nicht juristisch vorzugehen

Seine Verteidiger hatten sich auf eine Vereinbarung berufen, die Giuffre im Jahr 2009 mit Epstein getroffen hat. Darin verpflichtete sie sich, nicht juristisch gegen Epstein oder weitere "mögliche Beklagte" vorzugehen. Im Gegenzug erhielt sie von Epstein 500 000 Dollar. Andrews Anwälte argumentierten, der Prinz falle in die Kategorie der "möglichen Beklagten". Daher sei die Klage abzuweisen.

Richter Lewis Kaplan vom New Yorker Bezirksgericht folgte dieser Argumentation nicht. Er wies sie allerdings auch nicht zurück. In seiner Urteilsbegründung führt er aus, dass die Vereinbarung auf zwei oder mehr Arten interpretiert werden könne. Daher sei es zum jetzigen Zeitpunkt nicht zulässig, über deren Gültigkeit zu befinden. Das könne gegebenenfalls im Hauptverfahren geschehen, das für den Herbst erwartet wird.

Immenser Imageschaden für die königliche Familie

Es ist jedoch fraglich, dass Andrew tatsächlich vor Gericht erscheint. Der Imageschaden für die königliche Familie ist jetzt schon immens. Dass die Familie, auch bekannt als "die Firma", Andrew vor einem New Yorker Gericht in einem Kreuzverhör befragen lässt, erscheint eher nicht vorstellbar. Zu sehr dürfte noch das desaströse BBC-Interview nachhallen, in dem Andrew 2019 die Vorwürfe zurückwies und dabei eine äußerst unglaubwürdige Figur abgab. Möglich ist daher, dass die Royals eine außergerichtliche Lösung anstreben, sprich: Sie zahlen Giuffre Geld.

Giuffre hatte unter anderem angegeben, dass der Prinz beim Sex "erheblich geschwitzt" habe. In besagtem BBC-Interview hatte Andrew gesagt, er leide unter einer medizinischen Besonderheit: Er könne gar nicht schwitzen. Zumindest habe er zum damaligen Zeitpunkt nicht schwitzen können, sagte er. Daher könnten Giuffres Angaben nicht der Wahrheit entsprechen. Deren Anwälte forderten daraufhin Dokumente an, die beweisen, dass der Prinz nicht schwitzen kann. Diese wurden bisher nicht vorgelegt.

Andrew sagte auch, er habe keinerlei Erinnerung an Giuffre. Es gibt allerdings ein Foto, auf dem zu sehen ist, wie er den Arm um sie legt. Weiterhin gab der Prinz an, an dem Tag, den Giuffre als den Tag des Missbrauchs identifizierte, mit seiner Tochter Beatrice bei einer Kinderparty in einem Kettenrestaurant namens Pizza Express in Woking in der Nähe von London gewesen zu sein. Die britische Boulevardpresse konnte jedoch trotz dieser sehr spezifischen Angabe niemanden finden, der sich daran erinnert, Andrew bei Pizza Express gesehen zu haben, obwohl ein Auftritt in einem solchen Etablissement eher ungewöhnlich für ein Mitglied der königlichen Familie gewesen wäre. Nach der Kinderparty in dem Restaurant, sagt Andrew, habe er den Rest des Abends mit seiner Familie zu Hause verbracht.

Vom Palast gab es zunächst keine Stellungnahme zu dem New Yorker Richterspruch.

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