Süddeutsche Zeitung

PR-Stratege über Bettina Wulff:"Es ist gefährlich, die mediale Präsenz zu übertreiben"

Ob das gutgeht? Die frühere First Lady Bettina Wulff wehrt sich mit einem Buch gegen Rotlicht-Gerüchte. Und macht damit weitere private Geschichten öffentlich. PR-Stratege Michael Spreng über die legitime Verteidigung eines Verleumdungsopfers - und die Gefahr, dass die öffentliche Meinung kippt.

Marten Rolff

SZ: Herr Spreng, hat sich Bettina Wulff mit der Veröffentlichung ihres Buches einen Gefallen getan?

Michael Spreng: Es zu schreiben, war auf jeden Fall ihr gutes Recht. Ich sehe das Buch auch als Teil einer Abwehrschlacht. Sie ist zweifellos Opfer einer der größten Verleumdungskampagnen der letzten Jahre. Also darf und muss sie die Dinge klarstellen.

Wo es ein Opfer gibt, stellt sich natürlich zuerst die Frage nach dem Täter.

Im Grunde waren fast alle beteiligt: Missgünstige Parteifreunde und Teile der politischen Klasse haben die Gerüchte offenbar gestreut und wiederholt Journalisten angedient. User und dubiose Autoren trugen sie im Netz weiter, und Google potenzierte sie durch den Algorithmus der Suchfunktion.

Muss man in diesem Zusammenhang nicht fragen, ob sie auch das Opfer ihres Mannes war?

Sie war insofern Opfer ihres Mannes, als Neider offenbar versucht haben, über Bettina Wulff vor allem Christian Wulff zu treffen. Aber das kann ja kein Vorwurf sein.

Angenommen, Sie wären mit einer einflussreichen Politikerin liiert. Plötzlich gäbe es Gerüchte, Sie hätten ein Vorleben als Callboy. An welchem Punkt würden Sie von Ihrer Frau Schutz erwarten?

Tja, welcher Schaden ist größer? Das ist die Abwägung. Hätten sie sich gewehrt, als Christian Wulff noch Präsident war, hätte das womöglich den Skandal um ihn aufgeblasen und ihm enorm geschadet. Also hat man die Abwehrschlacht erst nach dem Rücktritt eröffnet. Den Zeitpunkt muss jeder mit sich selbst abmachen, aber ich kann diese Abwägung nachvollziehen.

Was hätten Sie als Imageberater den Wulffs in diesem Fall nahegelegt?

Im Nachhinein kann ich natürlich schlau reden. Es ist einfach enorm schwer für den Partner eines Top-Prominenten, auf persönliche Verleumdungen zu reagieren, ohne den Ruf des Prominenten zu belasten.

Die Frage ist doch, ob Christian Wulff sich PR-technisch richtig verhalten hat.

Er hat die Verleumdungen ja selbst einmal vage thematisiert, als er im Fernsehinterview Ende Dezember, in dem es eigentlich um die Kreditaffäre ging, auch von "diesen Phantasien im Internet" über seine Frau sprach. Ich fand das damals sehr ungeschickt. Denn er hat ja dadurch viele Menschen erst ins Internet gelenkt.

Aber es ist ja wohl ein Unterschied, ob ich im Rechtfertigungs-Interview zu meiner Kreditaffäre im Nebensatz gewisse Gerüchte um meine Frau andeute oder ob ich zu einem frühen Zeitpunkt an die Öffentlichkeit gehe und sage: Wir verbitten uns diese Kampagne!

Es gibt da tatsächlich nur zwei Möglichkeiten: entweder ganz zu schweigen oder in die Offensive zu gehen. Der Weg, den Wulff wählte, war der denkbar schlechteste.

Wieso halten Sie ausgerechnet ein Buch für den richtigen Weg, damit Frau Wulff die Deutungshoheit zurückerlangt?

Darin kann sie umfassend auf die Verleumdung eingehen. Vor Erscheinen wollte sie die Interpretation mitliefern, um die Deutungshoheit nicht gleich wieder zu verlieren. Letzteres geht nur, wenn man Medien Zugang gewährt. Nur so gelang es, ihr zentrales Anliegen, den Rufmord, in den Mittelpunkt zu rücken. Sonst hätte sich jeder aus dem Buch rausgepickt, was er wollte.

Sie hätte auch ein seriöses, umfassendes Interview geben können - und Schluss.

Nein. Dann hätte ihr eigenes Dementi einen zu hohen Stellenwert bekommen. Das Ganze einzubinden in andere Erlebnisse mit ihrem Mann, ist grundsätzlich in Ordnung. Ihr jetzt zu unterstellen, sie habe das nur getan, um ihr Buch zu vermarkten, halte ich für ungerecht. Das lenkt vom eigentlichen Skandal, der Verleumdung, ab. Klar: Dass das nun den Verkauf ankurbelt, das nimmt Frau Wulff sicher freudig in Kauf.

"Bunte", "Gala", "Stern", "Brigitte" - kaum ein Magazin, das diese Woche kein Interview mit Bettina Wulff ankündigt. Bedeutet das: freudig in Kauf nehmen?

Aber das Interesse liegt in diesem Fall doch in der Natur der Sache. Allein die ganzen Stichworte: Prostituierte, Präsident, Verleumdung ... Das elektrisiert Medien und Öffentlichkeit doch automatisch. Und das Buch zu pushen ist legitim. Allerdings scheint sie ihre mediale Präsenz jetzt zu übertreiben. Das ist gefährlich. Dann kann die Stimmung auch kippen. Aber noch einmal: Der Rufmord an einer Präsidentengattin war ein singulärer Fall. Und ein singulärer Fall erfordert singuläre Reaktionen.

Aber ist es sinnvoll, auf die Verletzung von Persönlichkeitsrechten mit dem Erzählen von Persönlichem zu reagieren?

Es geht ja leider nicht anders. Wenn ich zu der Verleumdung Stellung nehme, ich sei eine Prostituierte, muss ich mich ja ins Intimste begeben und auch über mein Privatleben sprechen.

Will man von einer früheren Bundespräsidenten-Gattin wirklich wissen, warum sie zum Therapeuten ging und Sitzungen im Tattoo-Studio abbrach?

Das will und muss ich nicht wissen, und vor allem die Ehe geht mich nichts an. Aber es gibt natürlich ein Publikum, das auch dies interessiert. Zugegeben: Es ist weder zur Erhellung des Rufmordskandals noch der Kreditaffäre notwendig und sinnvoll.

Und warum bewegt sich Bettina Wulff durch die Zusammenarbeit mit einem Krawall-Verlag und der Ghostwriterin von Veronica Ferres schon wieder im Maschmeyer-Mallorca-Kosmos?

Das war vielleicht nicht besonders klug, doch die Wahl von Verlag und Ghostwriterin sind zweitrangig. Nebenschauplätze.

Aber die viele Häme lässt es berechtigter erscheinen. Claus Kleber monierte im "Heute-Journal", Bettina Wulff ziehe in ihrem Verlag an Bestsellern von Bordellbesitzern vorbei, Tom Buhrow witzelte in den "Tagesthemen", Google biete für seinen Namen die Paarung mit Toupet.

Ich finde das wirklich billig. Ein bisschen Altherrenhumor wird der Dramatik einer zweijährigen Verleumdungskampagne sicher nicht gerecht.

Zeigt das Buch einmal mehr, dass die Wulffs das Amt des Bundespräsidenten nicht verstanden haben?

Dass Christian Wulff das Amt des Ministerpräsidenten nicht verstanden hat, zeigte sich an der Kreditaffäre. Und dass er das Amt des Bundespräsidenten auch nicht verstanden hat, zeigte sich daran, wie desaströs er die Krise im Zuge dieser Kreditaffäre managte. Mehr kann man nicht falsch machen. Das Buch von Bettina Wulff hingegen verstehe ich auch als Abnabelung von den Affären ihres Mannes. Sie will wieder als selbständige Person wahrgenommen werden. Eindeutig. Nun darf sie nicht überziehen. Nur wenn sich die allgemeine Häme nicht durchsetzt, wird sie bei vielen Menschen als mutige Frau gelten.

Michael Spreng, 64, gilt als einer der kundigsten Politikberater und PR-Strategen des Landes. Der ehemalige Journalist (Chefredakteur Bild am Sonntag) managte unter anderem den Bundestags-Wahlkampf von Edmund Stoiber.

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Quelle:
SZ vom 14.09.2012/jobr
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