Süddeutsche Zeitung

PR-Offensive der japanischen Regierung:Ich sage Ja! zu Fukushima-Wasser

TV-Teams dürfen in Fukushima drehen - doch gesendet wird nur, was dem AKW-Betreiber Tepco gefällt. Ein Staatsekretär trinkt in der Öffentlichkeit dekontamiertes Wasser aus Fukushima - doch es stammt aus zwei Blöcken, die ohnehin kaum von der Katastrophe betroffen sind: Japans Regierung will Normalität suggerieren und agiert dabei sehr unglücklich. Zudem werden immer mehr radioaktive Hotspots entdeckt.

Christoph Neidhart, Tokio

Japans Regierung hat keine glückliche Hand mit Propaganda. Am Montag trank Staatssekretär Yasuhiro Sonoda vor der Presse dekontaminiertes Wasser aus Fukushima I. Allerdings aus den wenig beschädigten Blöcken 5 und 6, wo seit Monaten keine radioaktiven Isotope nachgewiesen worden sind.

Demnächst will Tokio erstmals Journalisten in die AKW-Ruine führen. Aber es darf nur ein einziger ausländischer Zeitungskorrespondent mit. Die Fernsehleute werden ihre Aufnahmen einem Tepco-Vertreter vorspielen müssen und löschen, was diesem nicht passt. Dann hat Premier Yoshihiko Nodas Regierung auch noch Pech. Vor dem Power-Larks-Supermarkt im verschlafenen Tokioter Viertel Hachimanyama wurden zwei neue Hotspots entdeckt. Einer strahlt 170 Mikrosievert pro Stunde ab, viel mehr als in der Sperrzone um Fukushima I. Wenn jemand ein halbes Jahr lang täglich zehn Minuten an dieser Stelle gestanden wäre, hätte er die zulässige lebenslange Höchstdosis bereits abbekommen.

Der Supermarkt wurde geschlossen und abgeriegelt. Die Strahlungsquelle scheint sich unter dem Asphalt zu befinden. Am Dienstag kamen die Bagger. Die Anwohner erhielten sofort ein Merkblatt, in dem stand, dass ihre Gesundheit nicht gefährdet sei.

Dieser jüngste Hotspot dürfte nicht mit der Reaktorkatastrophe von Fukushima zusammenhängen. Seine Entdeckung schon. Die Bevölkerung traut der Regierung nicht mehr und misst selber oder drängt die Lokalbehörden zu Messungen.

Als jüngst ein ähnlicher Hotspot entdeckt wurde, entpuppte sich die Quelle als Kiste mit Glasröhrchen, die mit Radium-226 gefüllt waren. Sie waren im Boden eines alten Wohnhauses versteckt. Im Shukan Asahi vermutete der Journalist Eiichiro Tokumoto, das Zeug könnte in den Wirren nach dem Zweiten Weltkrieg als Zahlungsmittel auf dem Schwarzmarkt kursiert sein. Die Etiketten deuteten darauf hin, zumindest ist ein solcher Handel nachgewiesen. Auch Yoshio Kodama, ein mutmaßlicher Kriegsverbrecher und Nationalist, der Verbindungen zur Yakuza hatte, handelte mit Radium-226. Er half später, die langjährige Regierungspartei LDP zu gründen.

Das radioaktive Material scheint also versteckt und schließlich vergessen worden zu sein. Jetzt holt dieser Teil der Vergangenheit Nodas Regierung ein.

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SZ vom 02.11.2011/olkl
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