Potsdam:Lebenslang für Silvio S.

Potsdam: Silvio S. versteckt im Potsdamer Gerichtssaal sein Gesicht hinter einer Aktenmappe.

Silvio S. versteckt im Potsdamer Gerichtssaal sein Gesicht hinter einer Aktenmappe.

(Foto: AFP)

Das Gericht verurteilt den Mörder von Elias und Mohamed zu lebenslanger Haft ohne Bewährung. In Sicherungsverwahrung muss er aber nicht.

Von Sophie Burfeind, Potsdam

Als der Richter vorliest, wie Mohamed nach seiner Mutter rief, während Silvio S. ihn sexuell missbrauchte, hält Aldijana J. es nicht mehr aus. Mohameds Mutter springt von ihrem Stuhl, läuft auf Silvio S. zu und schreit mit heiserer Stimme: "Du Arschloch! Was hast du mit meinem Kind gemacht?" Sicherheitsleute halten sie zurück, dann läuft sie schluchzend aus dem Saal.

Silvio S. wird im Potsdamer Landgericht zu lebenslanger Haft wegen zweifachen Mordes mit einer besonderen Schwere der Tat verurteilt. Der 33-Jährige hat zwei kleine Jungen sexuell misshandelt und getötet. Mohamed, vier Jahre alt, und Elias, sechs Jahre alt. Eine Entlassung auf Bewährung nach 15 Jahren ist erschwert.

S. nimmt das Urteil gefasst entgegen, wischt sich nur mit einem Papiertaschentuch den Schweiß von den Augen. Überhaupt sieht man dem schmalen Mann im blauen T-Shirt nicht an, was in ihm vorgeht. Drei Stunden lang sitzt er fast regungslos auf der Anklagebank, schüttelt nur ab und zu den Kopf oder verbirgt das Gesicht mit seinen Händen.

Der Richter spricht von "unbegreiflichen Straftaten", die S. begangen habe. Im Juli vergangenen Jahres hatte S. zuerst den sechsjährigen Elias entführt. Der Junge spielte in einem Wohngebiet in Potsdam, S. lockte ihn in sein Auto, vergewaltige ihn, dann erstickte er das Kind, um die Tat zu vertuschen. Die Leiche vergrub er in einer Kleingartenanlage.

Nur wenige Monate später, Anfang Oktober, fuhr S. zu dem als Flüchtlingsunterkunft genutzten Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Berlin. Es war der Höhepunkt der Flüchtlingskrise, S. wusste um die chaotischen Zustände dort. Der vierjährige Mohamed stand mit seiner Mutter in der Schlange. Als der Junge sich kurz von ihr entfernte, lockte S. ihn in sein Auto, im Wohnhaus seiner Eltern misshandelte er den Jungen und erdrosselte ihn mit seinem Gürtel, aus Angst, seine Eltern könnten das weinende Kind hören. Die Leiche legte er in eine Plastikwanne und bedeckte sie mit Katzenstreu. Als seine Mutter ihren Sohn einige Wochen später auf Fahndungsfotos erkannte, schaltete sie die Polizei ein. Bei seiner Festnahme sagte S. dann, dass er noch einen weiteren Jungen getötet habe - Elias.

S. hatte den Missbrauch mit Puppen geübt und sich dabei gefilmt; in einer Tasche im Auto lagerte er Chloroform, Knebel und Gummibärchen. "Sie haben zwei Kinder entführt, ihrer Freiheit beraubt, sexuell missbraucht und nach unserer Erkenntnis vorsätzlich getötet, um die vorausgegangenen Straftaten zu verdecken", sagt der Richter. Und: "Sie haben alles seit Langem geplant." Darin sieht das Gericht die besondere Schwere der Tat. Der Richter sagt auch: "Sie sind ein sehr einsamer Mensch, der sich nach Zuwendung gesehnt hat." Ein sehr unsicherer Mensch, ohne Freunde, ohne beruflichen Erfolg, der keine Beziehungen zu Frauen aufbauen konnte, dem es nicht gelang, selbständig zu werden. Zu seinen Opfern seien die beiden Jungen geworden, weil sie wehrlos waren.

Ein Gutachter hatte Silvio S. für schuldfähig erklärt, er habe zwar eine Persönlichkeitsstörung, diese sei aber "korrigierbar", auch sei S. nicht pädophil. Weil bei ihm nicht davon ausgegangen werden könne, dass er rückfällig werde, sprach sich die Kammer gegen eine Sicherungsverwahrung aus. Staatsanwaltschaft und Nebenkläger hatten diese gefordert. Mohameds Mutter wurden 20 000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: