Süddeutsche Zeitung

Archäologie:Fast Food aus der Antike

Archäologen finden in Pompeji eine sensationell gut erhaltene Imbissbude, mitsamt Essensresten - ein Vorgeschmack auf die moderne mediterrane Küche.

Von Oliver Meiler, Rom

Und wieder öffnet Pompeji ein Fenster auf die Antike und auf den damaligen Alltag, suggestiv und spektakulär. Bei Ausgrabungen in einem Teil der untergegangenen Stadt, der den Besuchern bisher noch verschlossen war, haben Archäologen ein völlig erhaltenes Thermopolium gefunden. So nannten die alten Römer ihre Imbissstuben mit Auslagen hin zur Straße - vom Griechischen "thermos", warm, und "poleo", ich verkaufe. So etwas wie Streetfood mit Take-away. Fast Food vor der Zeit also. In Italien nennt man sie bis heute ähnlich wie damals, nämlich "tavola calda", warmer Tisch.

Alles ist intakt, der L-förmige Steintresen mit den Löchern, in die sie die Amphoren aus Terrakotta mit dem Essen einließen, direkt für den Verzehr vorbereitet. Auch die alten Römer lebten offenbar in Hast, Mahlzeiten nahm man auch mal im Gehen ein. Allein in Pompeji gab es 80 solcher Gaststätten, an jeder zweiten Straßenecke eine. Von manchen sind Überreste entdeckt worden. Diese Imbissbude aber, an einer Piazza mit Zisterne und Brunnen gelegen, sieht so aus, als wäre sie gestern noch in Betrieb gewesen. Hinter dem Tresen fand man die Skelette zweier Männer, beide waren um die 50 Jahre alt, als sie starben. Ob einer der Besitzer war?

Wie frisch gemalt

Die bunten Malereien an der Theke sind unversehrt, wie frisch gemalt. Das zentrale, etwas größere Bild zeigt die Meeresnymphe Nereide auf dem Rücken eines Seepferds, wahrscheinlich das Logo des Lokals. Auf anderen sieht man Enten und Hähne - Tiere, die da geschlachtet, gekocht und verkauft wurden. Wofür steht wohl der Hund an der Leine?

Als die Forscher eines der Löcher öffneten, stieg ihnen ein starker Geruch von Wein in die Nase - ein Gruß aus dem Jahr 79 nach Christus, dem Jahr, als der nahe Vesuv die Stadt am Golf von Neapel mit einem Regen aus Lava, Asche und Feuer überraschte, sie unter einer Decke begrub und den Moment kristallisierte. Seit dem 18. Jahrhundert taucht Pompeji nun nach und nach auf und liefert immer neue Erkenntnisse über das Leben in der Antike.

Huhn, Ente, Ziege, Schwein, dazu Fisch - und Schnecken

"Das ist eine außergewöhnliche Entdeckung", sagt Massimo Osanna, der Direktor des Parco Archeologico di Pompei. Man habe zum ersten Mal richtig interdisziplinär gearbeitet. Im Einsatz waren unter anderen Archäobotaniker- und zoologen, Anthropologen, Geologen und Vulkanologen. Sie studieren nun die kleinen Reste von Essen, die in den Amphoren lagen, um mehr zu erfahren über die Essgewohnheiten in der Antike, die Spezialitäten und kulinarischen Vorlieben - zumindest von jenen im Lokal der Meeresgöttin in Pompeji. Gefunden haben sie nicht nur Hühnchen- und Entenknochen, sondern auch Schwein, Fisch, Schnecken, Ziege. "Das ist ein Vorgeschmack auf die mediterrane Küche", sagt Osanna.

Italiens Kulturminister Dario Franceschini geht noch etwas weiter: "Diese Entdeckung ist ein großartiges Beispiel für den Wiederaufschwung unserer Landes." Pompeji gelte mittlerweile weltweit als Vorbild für den Schutz und die Verwaltung des kulturellen Erbes. "Deshalb graben wir weiter und entdecken noch mehr wunderbare Dinge." Von April an soll man die antike Imbissbude besuchen können, so die Pandemie bis dahin das Reisen wieder zulässt. Osanna sagt: "Das ist unser Geschenk zum Osterfest."

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