Süddeutsche Zeitung

Prozess um Polizistenmorde in Kusel:"Wer so leichtfertig zwei Menschen erschießt, der tötet auch noch einen dritten"

Im Prozess um zwei Polizistenmorde in Kusel äußert sich der Nebenangeklagte erstmals über die Geschehnisse in der Tatnacht. Aus Angst vor dem Hauptangeklagten habe er "den Kopf ausgeschaltet".

Im Prozess um die tödlichen Schüsse auf zwei Polizisten bei Kusel in der Pfalz hat der Nebenangeklagte erstmals Fragen des Gerichts zur Tatnacht Ende Januar beantwortet. Er schilderte, wie er nach den Schüssen des Hauptangeklagten auf die Beamten "abartige Angst" um sein eigenes Leben gehabt habe. "Ich hatte Angst, dass ich die Nacht nicht überleben werde", sagte er am Montag vor dem Landgericht Kaiserslautern. "Wer so leichtfertig zwei Menschen erschießt, der tötet auch noch einen dritten." Sein Hals sei wie zugeschnürt gewesen, sein Herz habe gerast.

Der 33 Jahre alte Mann und der 39 Jahre alte Hauptangeklagte stehen wegen der tödlichen Schüsse auf zwei Polizisten vor Gericht. Der mutmaßliche Haupttäter ist wegen zweifachen Mordes angeklagt, ihm wird vorgeworfen, bei einer nächtlichen Verkehrskontrolle auf einer Kreisstraße eine 24 Jahre alte Polizistin und ihren 29 Jahre alten Kollegen mit mehreren Gewehrschüssen getötet haben, um Jagdwilderei zu verdecken. Sein damaliger Begleiter ist wegen versuchter Strafvereitelung angeklagt - er habe beim Spurenverwischen geholfen. Zudem werden beide der gemeinschaftlichen nächtlichen Jagdwilderei beschuldigt. Die beiden Verdächtigen flohen vom Tatort und wurden wenige Stunden später im Saarland festgenommen. Die Aussage des Nebenangeklagten war wegen Krankheitsfällen mehrmals verschoben worden.

Der Hauptangeklagte sagt: alles gelogen

Es habe lange gedauert, bis er wieder klar habe denken können, sagte der 33-Jährige. "Ich wusste nicht, wie reagieren." Er habe gesehen, wie die Polizistin bäuchlings zu Boden ging und auch den toten Polizisten gesehen. "Es war für mich ekelig und schlimm. Der leere Blick. Alles so aufgequollen." Dann habe er seinen "Kopf ausgeschaltet" und sei den Anweisungen des 39-Jährigen gefolgt. "Ich hatte auch auf dem Heimweg noch Angst, dass was passiert." Er selbst habe nie in seinem Leben mit scharfen Waffen geschossen, sagte der Nebenangeklagte. Er wisse auch nicht, wie man eine Waffe nachlade. Den 39-Jährigen kenne er seit Mitte 2021, seit vergangenem Oktober sei man mehrmals die Woche gemeinsam auf Jagd gewesen. Seine Aufgabe sei es gewesen, das vom Hauptangeklagten geschossene Wild einzusammeln.

Der 33-Jährige hatte zwar kurz nach seiner Festnahme bei der Polizei ausgesagt, aber im Prozess zur Tat bisher geschwiegen. Die Antworten auf zuvor eingereichte Fragen des Vorsitzenden Richters waren mit Spannung erwartet worden. Schon in seiner Aussage nach der Festnahme hatte der Nebenangeklagte seinen damaligen Komplizen für den Tod der Polizistin und des Polizisten verantwortlich gemacht. Der 39-Jährige dagegen will aus Notwehr nur den Polizisten getötet haben; für den Tod der Polizistin sei der 33-Jährige verantwortlich, hatte er im Prozess wiederholt ausgesagt. Nach der Einlassung des 33-Jährigen trug der Hauptangeklagte rund 190 angebliche Lügen des Nebenangeklagten vor, die er in dessen bisherigen Einlassungen ausgemacht haben will.

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