Polizeigewalt in den USA:Was wir über die tödliche Schießerei in Dallas wissen - und was nicht

Ein 25-jähriger Soldat soll der Heckenschütze von Dallas sein. In seiner Wohnung wird Material zum Bombenbau gefunden. Alle Fakten.

Von Lea Kramer

In der texanischen Metropole Dallas werden während eines Protestmarschs gegen Polizeigewalt fünf Polizisten von einem Heckenschützen erschossen - sieben weitere werden verletzt.

Das ist passiert

Hunderte Menschen haben sich am Donnerstagabend in der Innenstadt von Dallas versammelt, um zu einer Kundgebung durch die Stadt aufzubrechen. Damit wollen sie ihre Anteilnahme am Tod von Philando Castile in Minnesota und Alton Sterling in Louisiana zeigen.

Die beiden Afroamerikaner waren in dieser Woche bei Polizeikontrollen erschossen worden. Einige der Demonstranten haben ihre kleinen Kinder in Buggys dabei. Die Stimmung ist friedlich. Doch binnen Sekunden ändert sich die Atmosphäre.

Die ersten Schüsse fallen gegen 20:45 Uhr unweit des El Centro Colleges. Da ist der Protestzug fast an seinem Ziel angekommen. Live-Aufnahmen zeigen, wie Demonstranten davonlaufen und Schutz vor dem Kugelhagel suchen. Die Schüsse "kamen von irgendwo", berichtet der Augenzeuge Cory Hughes.

Doch die Attacke gilt nicht den Demonstranten, vielmehr sollen die anwesenden weißen Polizisten getroffen werden. Fünf von ihnen kommen durch Schüsse ums Leben. Sieben weitere werden nach Angaben der Polizei verletzt. Wie der Bürgermeister der Stadt Dallas, Mike Rawlings, mitteilt, werden auch zwei Zivilisten verwundet.

Zunächst ist unklar, von wo aus der Schütze auf die Polizisten schießt. In der Nacht gibt Dallas' Polizeichef David Brown weitere Details zur Tat bekannt. Ein Verdächtiger habe sich im zweiten Stockwerk eines Parkhauses gegenüber von der Hochschule verschanzt. Es handle sich um den mutmaßlichen Schützen.

Die Polizei ging zunächst von zwei Heckenschützen aus, die von einer erhöhten Position aus auf die Protestteilnehmer schießen, berichtet die BBC. Doch am frühen Freitagabend sagte Jeh Johnson vom Heimatschutzministerium (Homeland Security), dass ein Einzeltäter gehandelt habe: "Zu diesem Zeitpunkt scheint es einen Schützen gegeben zu haben, der keine Verbindungen zu international agierenden Terrorgruppen hatte". Der Täter habe sich auch nicht von diesen Gruppen "inspirieren" lassen.

Nach stundenlangen Verhandlungen und einem Schusswechsel wird der Attentäter getötet. Er wird später als der 25-jährige Micah Xavier Johnson identifiziert. "Die Polizei sah keine andere Möglichkeit, als einen Bombenroboter zu nutzen", so Brown. Die Maschine habe einen Sprengsatz abgelegt, durch den Johnson getötet worden sei.

Während der Verhandlungen mit der Polizei habe der Schütze behauptet, dass sowohl im Parkhaus als auch in der Stadt Bomben versteckt seien. Sprengstoffexperten untersuchen in der Nacht ein verdächtiges Paket. Später geben sie Entwarnung. Es seien keine Bomben gefunden worden - trotzdem bleibt ein Teil der Innenstadt von Dallas gesperrt.

Bekannt ist außerdem, dass sich derzeit drei weitere Personen in Polizeigewahrsam befinden. Unklar ist, ob und was sie mit der Tat zu tun haben. Es gibt widersprüchliche Aussagen. Unter den Verdächtigen soll auch eine Frau sein, die sich in der Nähe des Parkhauses aufhielt.

Bei den beiden anderen Festgenommen handelt es sich offenbar um zwei Männer, die in einem Auto fliehen wollten. Die Polizei geht davon aus, dass alle zusammenarbeiteten. Darüber, wie viele Verdächtige sich in Polizeigewahrsam befinden, gibt es keine offziellen Angaben.

Was wir über den Tatverdächtigen wissen

Im Verlauf des Tages berichten mehrere US-Medien unter Berufung auf Ermittlerkreise, dass es nur den einen Täter vom Parkdeck gebe. Bei ihm handelt es sich um den 25-jährigen Micah Xavier Johnson.

Der 25-Jährige habe vor seinem Tod gesagt, alleine gehandelt zu haben, hieß es von der Polizei. Er sei kein Mitglied einer Terrororganisation.

Das wissen wir über die Hintergründe der Tat

Das Motiv von Micah Xavier Johnson ist unklar. Im Vorfeld seines Todes soll er zur Polizei gesagt haben, er habe Weiße und insbesondere weiße Polizisten töten wollen. Er ärgere sich über Weiße, sei aufgebracht über die neuesten schwarzen Opfer von Polizeigewalt und habe auch Ressentiments gegenüber der "Black Lives Matter"-Bewegung, so die Polizei.

Bei dem Täter handelt es sich um einen ehemaligen Soldaten der U.S. Army. Johnson diente von März 2009 bis April 2015 in einer Einheit für Tischlerei und Mauerhandwerk. Von November 2013 bis Juli 2014 sei er auch in Afghanistan stationiert gewesen und mehrfach ausgezeichnet worden, teilt das US-Militär mit. Johnson war Reservist.

Unklar ist ob, er ein ausführliches Schießtraining erhalten hat. Johnson war den Angaben zufolge in Dallas mit einem Gewehr und einer Pistole bewaffnet, außerdem soll er gepanzerte Schutzkleidung getragen haben.

Wie die Polizei mitteilt, ist bei der Durchsuchung seiner Wohung in einem Vorort von Dallas paramilitärisches Material gefunden worden - offenbar auch zum Bombenbau. Dort seien auch Schutzwesten, Munition, Gewehre und ein Handbuch für den bewaffneten Kampf gefunden worden. Außerdem seien afro-nationalistische Schriften aufgetaucht. Johnson habe keine kriminelle Vergangenheit.

Das sind die Opfer

Bei dem Anschlag kamen fünf Polizisten ums Leben. Sieben weitere wurden verletzt - zehn Männer und zwei Frauen. Es soll sich um Weiße handeln, doch nicht alle Opfer sind bislang identifiziert. Auch zwei Zivilisten wurden verwundet. Es sind die schwersten Verluste für die US-Polizei seit den Anschlägen des 11. September 2001.

Einer der getöteten Polizisten ist der 43-jährige Brent Thompson. Er arbeitete als Sicherheitskraft für den Öffentlichen Nahverkehr von Dallas (Dallas Area Rapid Transit). Er war frisch verheiratet. Offenbar wurden noch drei weitere Mitarbeiter des Unternehmens verletzt - zwei Männer und eine Frau.

Ein zweiter getöteter Polizist wäre im August 33 Jahre alt geworden und hinterlässt seine Frau, eine zweijährige Tochter und einen zehnjährigen Stiefsohn

Mit Material der Agenturen dpa/AFP/AP

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