Süddeutsche Zeitung

Polizei in Österreich:Diensthandy, nein danke

  • Eine beträchtliche Zahl von österreichischen Polizisten verweigert den Dienst am Smartphone.
  • Einige haben Angst vor Überwachung, andere vor der Technik.
  • Dabei wurden extra 27 000 iPhones und mehr als 3000 iPads angeschafft.

Von Peter Münch, Wien

Österreichs Innenminister hat sich spendabel gezeigt: "Bis Ende 2019", so hat es vor zwei Jahren der damalige Amtsinhaber Wolfgang Sobotka angekündigt, "wird jede Polizistin und jeder Polizist in Österreich über ein dienstliches Smartphone verfügen." Obendrein werde jede Polizeistation mit einem Tablet ausgerüstet. Angeschafft wurden also 27 000 iPhones und mehr als 3000 iPads. Doch offenbar verstaubt ein Teil der Geräte in den Amtsschränken. Denn eine beträchtliche Zahl von Polizisten verweigert den Dienst am Smartphone.

"Leider müssen wir bestätigen, dass die technischen Neuerungen von den Kolleginnen und Kollegen noch nicht so angenommen werden, wie es vom Dienstgeber gewünscht war", sagte Hermann Greylinger von der SPÖ-nahen Gewerkschaft FSG zum ORF. Als Größenordnung nannte er bis zu 20 Prozent ungenutzter Geräte, zwei Gründe dafür gab er an: Zum einen die Angst vor Überwachung, also davor, "dass der Dienstgeber viel zu viel dorthin schaut, was ich mache". Zum anderen "die Angst vor den technischen Herausforderungen". Genauere Zahlen und Aufschlüsselungen gibt es dazu nicht. FSG-Chef Hermann Wally verweist auf den "hohen Anteil älterer Kollegen" bei der Polizei. Dies sei "Versäumnissen der Politik" geschuldet, sagte er zur Süddeutschen Zeitung.

Die Verweigerung der Smartphones von Teilen der Truppe ist ein Rückschlag für das groß propagierte Projekt "Mobile Polizeikommunikation", bei dem sich das österreichische Innenministerium schon "im europäischen Spitzenfeld" in Sachen technologischem Fortschritt wähnte. Eigene Apps wurden entwickelt für den Polizeieinsatz, die den Beamten von überall her Zugriff auf die wichtigsten Datenbanken sichern.

Dienst-Messenger zum Versenden von Tatort- oder Fahndungsfotos

Dazu ein dienstlicher Messenger, mit dem zum Beispiel Tatort- oder Fahndungsfoto verschlüsselt versendet werden können. "Unter dem Strich wird mehr Polizei auf der Straße sein, sie wird mehr Erfolg in der Kriminalitätsbekämpfung haben und damit mehr Sicherheit bringen", hieß es dazu im Ministerium. Solche Vorteile lässt man sich dann einiges kosten: Für die auf drei Jahre geleasten Geräte müssen inklusive der Serviceleistungen monatlich 320 000 Euro gezahlt werden.

Es gibt eine Dienstanweisung, die alle Polizisten zum Gebrauch der Geräte verpflichtet. "Mit Dienstbeginn ist das Smartphone zu aktivieren und im Außendienst in jedem Fall mitzuführen", heißt es darin. Ein Verstoß dagegen ist also streng genommen ein "disziplinarischer Vorfall", räumt Gewerkschaftschef Wally ein. "Es wäre aber nicht sinnvoll, dass man jetzt die Rute auspackt, sondern man muss aufklärerisch wirken." Sein für die Polizei zuständiger Kollege Greylinger allerdings klagt, dass die Führung vergessen habe, "die Kollegen an der Hand zu nehmen und über die Funktionen des Geräts aufzuklären".

Um Aufklärung war das Innenministerium immerhin nun bemüht als Reaktion auf den von der Gewerkschaft gemeldeten Missstand. Die Smartphones würden nur "in bestimmten Fällen" geortet, zum Beispiel bei Verlust oder Diebstahl, heißt es in einer Stellungnahme. Ansonsten seien die Apps und der Messenger "selbstverständlich nicht überwacht".

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Quelle:
SZ vom 06.07.2019/wib
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