Polizei - Hamburg:Ausstellung zeigt Schicksale jüdischer Polizisten in NS-Zeit

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Blick auf einen Stolperstein. Foto: Daniel Bockwoldt/dpa (Foto: dpa)

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Hamburg (dpa/lno) - Eine Ausstellung im Hamburger Polizeimuseum erinnert erstmals umfassend an die Verfolgung jüdischer Polizeimitarbeiter in der NS-Zeit. Er habe die Biografien von 47 Polizeimitarbeitern recherchiert, die aus rassischen Gründen verfolgt wurden, sagte der ehemalige Kriminaldirektor Martin Bähr. Unter den Verfolgten seien 20 Polizisten mit jüdischen Wurzeln, 21 mit jüdischen Ehefrauen und sechs Menschen, die nicht bei der Polizei angestellt, aber für sie gearbeitet hätten, darunter ein Polizeiarzt.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten seien in Hamburg rund 600 Mitarbeiter aus politischen Gründen aus dem Polizeidienst entlassen worden. Betroffen gewesen seien Sozialdemokraten, Freimaurer und auch Homosexuelle, sagte Bähr. Die jüdischen Beamten hätten nicht alle gleich 1933 gehen müssen. Einige hätten als ehemalige Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs noch bis 1935 in Einzelfällen sogar bis 1940 bleiben können.

Bähr betonte, dass die verfolgten Polizisten von den Nationalsozialisten als Juden oder "Halbjuden" betrachtet wurden, sich selbst aber oft nicht so sahen. Einige seien getauft gewesen. Andere Polizisten hätten von ihrer Herkunft nichts gewusst und beim geforderten Abstammungsnachweis unwissentlich falsche Angaben gemacht. Auch das sei bestraft worden, fand Bähr heraus. Der ehemalige Kriminaldirektor schätzt, dass die Polizei damals insgesamt 50 bis 60 Mitarbeiter aus rassischen Gründen entließ.

Der wohl prominenteste Beamte war Oswald Lassally. Er war seit 1928 Regierungsrat gewesen. Im März 1933 wurde er beurlaubt. 1937 verurteilte ihn das Landgericht wegen des "Verbrechens der Rassenschande" zu drei Jahren Gefängnis. Lassally hatte die Liebe zu seiner späteren Ehefrau gestanden. Nach seiner Entlassung aus der Haft wurde er 1940 zur Ausreise gezwungen und ging ins Exil nach Brasilien. 1950 kehrte er in den Hamburger Polizeidienst zurück und wurde erneut zum Regierungsrat ernannt.

Opfer des Holocaust wurde auch der 1888 geborene Richard Hasenberg. Er sei Büroangestellter bei der Baupolizei gewesen, sagte Bähr. 1941 wurde er zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn nach Minsk deportiert und ermordet. Im Grindelviertel erinnert ein Stolperstein an die Familie.

Er habe die Schicksale dank einer guten Aktenlage im Hamburger Staatsarchiv recherchieren können, sagte der Ausstellungsmacher. Viele Angaben habe er in den erhaltenen Personalakten der Polizei, aber noch mehr in den Wiedergutmachungsakten finden können. Seine Recherchen hat Bähr in einem Ausstellungskatalog zusammengefasst.

Die Sonderausstellung ist bis zum 21. November in dem Alsterdorfer Museum zu sehen. Sie trägt den Titel "Juden brauchen wir hier nicht - Hamburgs jüdische Polizeibeamte - verfolgt, verdrängt, vergessen". Mit dem zitierten Ausruf sei der Hamburger Polizeihauptwachmeister Rudolf Cracauer nachweislich gedemütigt worden, hieß es.

© dpa-infocom, dpa:211022-99-691891/2

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