Berlin:Polizeischuss auf 15-Jährige wirft Fragen auf

Berlin: Grundsätzlich werden die Beamten geschult, immer zum "mildesten Mittel" zu greifen. In einem Drogeriemarkt soll eine 15-Jährige von einem Polizisten angeschossen worden sein.

Grundsätzlich werden die Beamten geschult, immer zum "mildesten Mittel" zu greifen. In einem Drogeriemarkt soll eine 15-Jährige von einem Polizisten angeschossen worden sein.

(Foto: IMAGO/Stefan Zeitz/IMAGO/Stefan Zeitz)

In Berlin schießt ein Polizist auf eine mutmaßliche Ladendiebin. Nun ermittelt die Kriminalpolizei, ob das Abfeuern der Waffe verhältnismäßig war.

Von Miriam Dahlinger, Berlin

Nachdem am Samstagnachmittag ein Polizist in einem Drogeriemarkt des Berliner Hauptbahnhofs auf eine 15-jährige mutmaßliche Ladendiebin geschossen hat, ermittelt das Landeskriminalamt. Die beim Schusswaffengebrauch durch Einsatzkräfte zuständige Mordkommission soll klären, ob das Abfeuern des Schusses rechtmäßig und verhältnismäßig war.

Ein Ladendetektiv soll die Jugendliche beim Diebstahl erwischt und daraufhin in einem Nebenraum festgehalten haben, bis die Polizei eintraf. Ein Sprecher der Polizei gab am Dienstag gegenüber der SZ mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen keine Auskunft darüber, ob der Detektiv bereits beim Anruf meldete, dass die Jugendliche bewaffnet war, oder ob dies die Beamten erst beim Eintreffen feststellten.

Beim Versuch der Festnahme soll sich die Jugendliche laut Polizei mit einem Messer in der Hand auf die Polizisten zubewegt und die Waffe trotz Aufforderung nicht fallen gelassen haben. Ein Polizist der Bundespolizei schoss auf die Jugendliche und traf sie an der Hand. Das Mädchen wurde ins Krankenhaus gebracht, wo sie sich nach Angaben einer Sprecherin der Landespolizei weiterhin in stationärer Behandlung befindet, sie sei aber "nicht lebensgefährlich verletzt".

Bislang unbeantwortet ist die Frage, welche Gefahr von dem Mädchen ausging, wenn es dem Ladendetektiv offenbar zuvor gelungen war, die 15-Jährige bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten.

Grundsätzlich, sagt der Polizeiwissenschaftler Martin Thüne, sei die Polizei ausgebildet, in Gefahrensituation zum "mildesten Mittel" zu greifen.

Nach Medienberichten setzten die Einsatzkräfte offenbar auch Pfefferspray ein. Der Sprecher der Polizei wollte sich gegenüber der SZ aber nicht dazu äußern, ob der Einsatz des Reizgases vor dem Abfeuern des Schusses geschah oder nicht.

Seit 2010 wurden in Deutschland mindestens 133 Menschen von Polizisten erschossen

Zentral bei der Bewertung, ob der Schusswaffengebrauch gegen eine mit Messer bewaffnete Person zulässig ist, sei unter anderem der Abstand der angreifenden Person zu den Polizeibeamten, erklärt Polizeiwissenschaftler Thüne. Das werden im Fall des 15-jährigen Mädchens wohl erst die Ermittlungen zeigen können.

Recherchen der SZ zeigen, dass seit 2010 mindestens 133 Menschen in Deutschland von Polizisten erschossen wurden. Die Auswertungen legen nahe, dass Polizistinnen und Polizisten offenbar häufig zur Schusswaffe greifen, wenn das Gegenüber mit einem Messer bewaffnet ist. Demnach führten etwa im Jahr 2022 acht von neun Getöteten eine Stichwaffe bei sich.

Immer wieder kommt es dazu, dass der polizeiliche Schusswaffeneinsatz im Nachhinein als unverhältnismäßig infrage gestellt wird. Erst vergangene Woche klagte die Dortmunder Staatsanwaltschaft fünf Polizeibeamte nach dem Tod des 16-jährigen Mouhamed Dramé an. Er war im August vergangenen Jahres den Ermittlungen zufolge während eines Polizeieinsatzes von Schüssen eines Beamten getroffen worden und gestorben.

Korrekturhinweis: In der ersten Fassung des Textes wurde irrtümlich auf das Berliner Strafvollzugsgesetz verwiesen.

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