Politologe analysiert Kinder-Hörspiele:"Der Bürgermeister ist immer korrupt"

Eigentlich beschäftigt sich Gerd Strohmeier, 30, Politikwissenschaftler an der Uni Passau, mit Wahlkämpfen und Reformstau. Jetzt hat er die Hörspiele mit Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg untersucht und Erstaunliches herausgefunden.

Martin Zips

SZ: Sie durften während Ihrer Arbeitszeit Kinderhörspiele hören? Sehr beneidenswert.

Politisch zu simpel: Benjamin Bümchen (Foto: Foto: dpa)

Strohmeier: Allein während der Arbeitszeit ging das nicht. Ich hörte sie meist im Auto oder vor dem Einschlafen.

SZ: Was haben Sie herausgefunden?

Strohmeier: Bei Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg kommt in sehr vielen Folgen die Figur des Bürgermeisters vor. Er ist grundsätzlich korrupt, inkompetent und auf's Eigenwohl konzentriert. Hingegen sind Medienvertreter objektiv, gut und auf das Gemeinwohl bedacht.

SZ: Da gibt es keine korrupten, inkompetenten und egoistischen Journalisten?

Strohmeier: Richtig.

SZ: Erstaunlich. Und wie kommt die Wirtschaft in den Geschichten weg?

Strohmeier: Grundsätzlich schlecht. Genauso wie Polizisten. Die Bürger hingegen sind immer gut. Das Schlimme ist: Immer die gleichen Figuren sind entweder nur gut oder nur böse.

SZ: Warum ist das ein Problem?

Strohmeier: Die Geschichten von Bibi Blocksberg und Benjamin Blümchen werden vornehmlich in der Phase der Sekundärsozialisation gehört. In dieser Phase entsteht die politische Grundpersönlichkeit eines Individuums. Interessant ist, dass die Kinder in dieser Phase von keiner anderen Seite so stark mit Politik konfrontiert werden wie durch Blümchen und Blocksberg. Eine Vielzahl der insgesamt etwa 180 Folgen weisen einen politischen Bezug auf, den ich in seiner Eindimensionalität kritisiere.

SZ: Was raten Sie?

Strohmeier: Den Autoren rate ich, die Figuren weniger eindimensional zu zeichnen. Die Eltern sollten sich klar darüber sein, dass die Geschichten die politische Entwicklung ihrer Kinder zumindest nicht fördern. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen sollte sich überlegen, ob es Zeichentrickfilme mit diesen Figuren weiter ausstrahlt.

© SZ vom 13.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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