Plastinator Gunther von Hagens:Sense für Doktor Tod

Gunther von Hagens hat Parkinson und will sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen. In seiner Brandenburger Sezierfabrik werden 130 von 180 Mitarbeitern ihre Arbeit verlieren. Das sorgt für Unmut.

Constanze von Bullion

Jetzt hat der liebe Gott seinem Doktor Tod also das Werkzeug aus der Hand genommen. So Sachen sagen sie jetzt in Guben, aber sie sagen sie ohne Häme. Es klingt einfach überrascht.

Neues Plastinat in Körperwelten

Will sich krankheitsbedingt aus der Öffentlichkeit zurückziehen: Plastinator Gunther von Hagens.

(Foto: dpa)

Gunther von Hagens, der umstrittene Anatom und Künstler, der tote Menschen und Tiere in Scheibchen schneidet oder sonstwie zur Schau stellt, hat Parkinson und wird sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen.

Manche verabscheuen seine Arbeit, andere bewundern ihn

Sein Plastinarium in Guben, eine Großmanufaktur, in der Leichen mit Silikon durchtränkt werden, muss 130 von 180 Mitarbeitern entlassen. Für die Stadt an der Neiße ist das tragisch, sagen die Freunde des Projekts. Komische Geschichte, sagen die Kritiker.

Aber so ist das ja immer bei Gunther von Hagens, einem Mann mit Joseph-Beuys-Hut und abenteuerlicher Vita, der als Gunther Gerhard Liebchen geboren wurde, in DDR-Haft saß, freigekauft wurde und es in 65 Lebensjahren zu internationalem Ruf gebracht hat und zu einer ansehnlichen Gegnerschaft.

Manche verabscheuen seine Wanderausstellung "Körperwelten", in der abgehäutete menschliche Skulpturen präsentiert werden, mal auf dem Pferd, mal beim Sex, mal schwanger.

Andere bewundern Hagens als Pionier, der die Technik der Plastination revolutioniert hat. Seine Schauen jedenfalls sind bis in die Türkei gereist, auch in Mexiko und Äthiopien sollen "Körperspender" ihren Leib zur Präparation vorgemerkt haben. In Frankreich hat ein Richter die Ausstellung verboten, sie greife die Würde der Toten an. In Mannheim durfte sie erst gezeigt werden, als ein Gericht die Exponate als Sondermüll deklarierte.

Im brandenburgischen Guben betrachtet man solche ethischen Dispute eher gelassen. 2006 war das anders, da gab es Debatten und Proteste, die von der Kirche bis zur Linkspartei reichten. Damals kam Gunther von Hagens aus Polen, wo er sein Plastinarium eröffnen wollte, aber die katholische Kirche wollte nicht. Das erzählt Dieter Friese, lange Landrat im Kreis Spree-Neiße, ein SPD-Mann und Unterstützer von Hagens.

"Er hat 30 Millionen Euro in Guben investiert ", sagt Friese. "Er hat ein Gelände, das so groß ist wie ein ganzer Stadtteil, vor dem Verfall gerettet." Eine alte Tuchfabrik, die sich über mehrere Straßenzüge zieht, wurde zum Präparationslabor umgebaut. Die Leute haben gern dort gearbeitet und für gutes Geld, sagt Friese. Was er nicht sagt, sagen Mitarbeiter in Guben: Dass es keinen Betriebsrat gibt, und dass der Schock tief sitzt.

Die Hand zittert, die Stimme ist undeutlich geworden

Zwei Tage vor Silvester tritt Gunther von Hagens vor die Belegschaft und gibt bekannt, dass er seit zwei Jahren von seiner Parkinsonerkrankung weiß. "Die Diagnose hat mich zunächst in einen Zustand existentieller Ratlosigkeit versetzt", sagt er, und dass er "zeitweilig in eine tiefe Depression" gefallen ist.

Zwei Elektroden in seinem Kopf können nicht verhindern, dass eine Hand zittert und die Stimme undeutlicher wird. Auch seelisch sei er labil, müsse oft weinen und wolle sich jetzt "auf das noch Machbare konzentrieren", vielleicht ein Lehrbuch schreiben, sich den "Anatomen der Renaissance" weiter annähern.

Gibt es neben den gesundheitlichen auch Geldprobleme?

Warum rettet er seine Firma nicht, indem er sie einem Nachfolger übergibt? Seiner Frau etwa, die schon jetzt dort den Laden schmeißt?

"Er sieht das als sein Lebenswerk, das er nur ungern aus der Hand gibt", sagt der Firmensprecher in Heidelberg. Eine Erklärung ist das, die nicht alle überzeugt.

"So bedauerlich die Krankheit ist, habe ich aber den Eindruck, dass sie auch vorgeschoben ist", sagt die CDU-Landtagsabgeordnete Monika Schulz-Höpfner. Sie kommt aus Guben und lehnt die Plastinationsfabrik ab, in deren Onlineshop man jetzt auch Geschlechtsorgane eines Bullen als Spazierstock erwerben kann oder einen Kopf. Voyeurismus, sagt die Politikerin, die beobachtet, dass immer weniger Besucherbusse vor den Gubener Ausstellungsräumen halten. "Das kommt nicht mehr so an."

Gibt es neben den gesundheitlichen dort auch Geldprobleme? Wird die Produktion womöglich nach China verlegt, wo bisher nur Tiere präpariert werden?

Gunther von Hagens beantwortetet solche Fragen nicht, auch nicht schriftlich. Er hält sich gerade in China auf.

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