Süddeutsche Zeitung

Kachelmann-Prozess:Verteidigung plädiert auf Freispruch

In ihrem Schlussplädoyer geben sich die Anwälte von Kachelmann alle Mühe, das angebliche Vergewaltigungsopfer als frustrierte Ex-Geliebte darzustellen. Ihr Motiv sei "Rache und Hass". Für den Moderator fordern sie einen Freispruch - und eine Entschädigung.

Hans Holzhaider, Mannheim

Die Verteidiger des Wettermoderators Jörg Kachelmann haben am Dienstag für ihren Mandanten in dem Vergewaltigungsprozess vor dem Landgericht Mannheim einen Freispruch beantragt. Außerdem müsse der Angeklagte entschädigt werden, forderte Verteidiger Johann Schwenn. "Es gibt nicht einen Sachbeweis, auf den sich die Anklage stützen könnte." Kachelmann selbst wollte sich nicht mehr äußern - auf die Frage, ob er ein letztes Wort wünsche, erklärte er: "Nein danke."

Kachelmann ist angeklagt, seine damalige Geliebte vergewaltigt zu haben. Die 38-jährige Radiomoderatorin wirft ihm vor, sie mit einem Messer bedroht und zum Sex gezwungen zu haben. Der 52-jährige Schweizer bestreitet die Vorwürfe. Seine Verteidiger bemühten sich in ihrem Plädoyer, das angebliche Vergewaltigungsopfer als betrogene und frustrierte Ex-Geliebte des Wettermoderators darzustellen.

Früher sei Claudia R. eine ehrgeizige und intelligente Frau gewesen, doch in den elf Jahren mit Kachelmann habe sie sich immer mehr auf die Beziehung konzentriert und ihre eigene Karriere zurückgestellt, sagte Verteidigerin Andrea Combé in ihrem Plädoyer am Vormittag. Claudia R. habe Kachelmann bewusst belastet, weil sie niemals damit gerechnet habe, dass "er aufsteht und geht und sie zurücklässt wie ein Stück Dreck", vermutete Combé. "Ihre Motive sind Rache und Hass."

Hartnäckig habe die Nebenklägerin an ihren Lügen festgehalten und damit sogar erfahrene Kriminalbeamte getäuscht, erinnerte die Verteidigerin. "Das zeigt eindrucksvoll ihre Kaltschnäuzigkeit und ihr schauspielerisches Talent." Beim Internetkontakt mit einer anderen Geliebten Kachelmanns habe sie Geschichten über ihre eigene Person erfunden. Einen Brief mit der Notiz "Er schläft mit ihr!" habe sie nicht nur selbst geschrieben, sondern auch gezielt im Büro ausgedruckt, damit man ihn nicht zu ihr zurückverfolgen konnte. Claudia R. hatte behauptet, den Tipp anonym zugeschickt bekommen zu haben - und das später widerrufen.

"Wenn ein Beschuldigter sich so verhalten würde, würde man ihm eine hohe kriminelle Energie bescheinigen", so Combé.

"Hautzellen kleben wie Pech"

Man habe hier auf den ersten Blick eine "typische Aussage-gegen-Aussage-Konstellation", erklärte sie weiter. Deshalb müsste man prüfen, ob es Beweise gegen den Angeklagten jenseits der Aussage des mutmaßlichen Opfers gebe. Das versuchte sie mit ihrem Plädoyer zu widerlegen.

"Es gibt keine Spuren an dem Messer, die die Version der Nebenklägerin bestätigen", sagte Combé zum Beispiel mit Blick auf die Tatwaffe. Die Mischspur am Griff des Küchenmessers sei Kachelmann nicht eindeutig zuzuordnen. Die Version der Staatsanwaltschaft, Kachelmann habe das Messer abgewischt, sei unglaubwürdig. Die Sachverständigen hätten dagegen erklärt, dass "Hautzellen kleben wie Pech".

Ähnlich sei es bei dem Strickkleid: Claudia R. hatte ausgesagt, Kachelmann habe ihr das Kleid hochgeschoben, doch auch an dessen Saum fand man keine passenden Spuren. Die Verletzungen am Hals und den Oberschenkeln hätte sich die Ex-Geliebte auch selbst beibringen können. "Es gibt keinerlei äußeren Umstände, die die Aussage der Nebenklägerin belegen", stellte Combé am Ende ihres dreistündigen Plädoyers fest. Im Gegenteil gebe es mehrere Hinweise, dass es nicht so gewesen sei.

Die im Gericht anwesende Ex-Freundin des Schweizers folgte dem Plädoyer mit von Kachelmann abgewandtem Gesicht. Mehrfach schüttelte sie den Kopf und brach sogar in Tränen aus. Zuschauer quittierten das Plädoyer der Verteidigerin dagegen mit Beifall. Der Angeklagte präsentierte sich an diesem Morgen außerordentlich gut gelaunt - er lachte viel, schob Combé eine handschriftliche Notiz zu.

Erst ins Bett oder erst Essen?

Auch der Chatverkehr zwischen Kachelmann und seiner Ex-Geliebten vor der angeblichen Vergewaltigung kam vor Gericht erneut zur Sprache. Eben jener Chatverkehr hatte vergangene Woche für einen Eklat dort gesorgt: Weil der Staatsanwalt in seinem Plädoyer daraus zitierte, warf die Verteidigung ihm vor, er wolle mit der Veröffentlichung intimer Details den Angeklagten maximal beschädigen. In ihrem Plädoyer ging nun aber auch Verteidigerin Combé auf dieses Chatprotokoll ein - schließlich habe der Staatsanwalt das schon eingeführt, allerdings "sinnentstellend" daraus zitiert.

Der Chat spielt bei der Beweisführung beider Seiten keine ganz unwichtige Rolle: Die Nebenklägerin hatte ausgesagt, man habe erst gegessen, dann gestritten, dann habe Kachelmann sie vergewaltigt. Der Moderator hingegen stellte den Ablauf in seiner einzigen Aussage ganz anders dar: Sie hätte ihn an diesem Abend, wie sonst auch immer, schon halb entkleidet auf dem Bett erwartet. Combé zitierte nun das Chatprotokoll folgendermaßen: "Essen auf jeden Fall - ich habe schon vorgekocht", schreibt Claudia D. "Vielleicht später", antwortet Kachelmann. Sie: "Genau". Das widerspreche ihrer Aussage, das Essen sei vor dem Sex gekommen, interpretierte Combé.

Am Nachmittag hielt dann auch der zweite Verteidiger, Johann Schwenn, sein Plädoyer - und forderte einen Freispruch. Die Kosten für seine Verteidigung müssten der Staatskasse auferlegt werden. Für die erlittene Untersuchungshaft sei Kachelmann außerdem eine Entschädigung zu zahlen.

Die Staatsanwaltschaft hatte vergangene Woche vier Jahre und drei Monate Haft für den Wettermoderator beantragt. Kachelmanns Ex-Geliebte habe "massive Todesangst" erlitten, hatte die Anklage unter anderem erklärt. An der Darstellung der Frau gebe es keinen vernünftigen Zweifel. Ein Urteil soll am kommenden Dienstag nach mehr als 40 Verhandlungstagen fallen.

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