Plädoyers im Holzklotz-Prozess:Nikolai H. droht lebenslang

Plädoyers im Prozess um den tödlichen Holzklotz-Wurf von Oldenburg: Der Staatsanwalt fordert eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes. Offen ist, ob ein widerrufenes Geständnis für eine Verurteilung reicht.

Ein Jahr ist es her, dass Nikolai H. jene Worte aussprach, die ihm vor Gericht nun zum Verhängnis werden könnten. Er gestand, jenen Holzklotz von einer Autobahnbrücke bei Oldenburg geworfen zu haben, der am Ostersonntag 2008 die 33-jährige Beifahrerin eines vorbeifahrenden Autos getötet hatte. Aus "allgemeinem Frust" habe er gehandelt, sagte H. der Polizei.

Plädoyers im Holzklotz-Prozess: Der angeklagte Nikolai H. im Landgericht Oldenburg: Ein Gutachter bescheinigte H. volle Schuldfähigkeit.

Der angeklagte Nikolai H. im Landgericht Oldenburg: Ein Gutachter bescheinigte H. volle Schuldfähigkeit.

(Foto: Foto: ddp)

Später widerrief er seine Angaben zwar; doch ein Rechtspsychologe kam im Prozess vor dem Oldenburger Landgericht zu dem Schluss, dass das Geständnis sehr wohl glaubhaft sei. In ihrem Plädoyer hat die Staatsanwaltschaft nun eine lebenslange Haftstrafe beantragt. Der Angeklagte sei "zielgerichtet und geplant" vorgegangen, argumentierte die Anklagebehörde am Montag vor dem Landgericht. Der 31-Jährige habe sich damit abgefunden, dass jemand verletzt oder getötet werden könnte, und seine Bedenken zurückgestellt.

Die Staatsanwaltschaft will eine Verurteilung wegen Mordes und Mordversuchs erreichen. Die Verteidigung verlangte dagegen die Wiederholung der Hauptverhandlung unter Einsatz eines Dolmetschers. H. Stammt aus Kasachstan und lebt seit 1994 in Deutschland.

Seit Anfang November hat die Schwurgerichtskammer an 29 Verhandlungstagen rund 60 Zeugen und Sachverständige angehört, um die Umstände der Tat zu erhellen und die Frage der Täterschaft zu klären. Am Mittwoch soll nun das Urteil in dem Aufsehen erregenden Prozess fallen.

Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft tötete der Drogenabhängige im vergangenen Jahr die 33-jährige Mutter mit dem Holzklotz, den er von einer Autobahnbrücke warf. H. habe eine Fahrradfelge und einen Holzklotz auf der Brücke gehabt und sich bewusst für die gefährlichere Waffe entschieden. Das Geschoss traf Olga K. mit solcher Wucht, dass sie vor den Augen ihres Mannes und ihrer zwei Kinder noch am Unfallort den schweren Verletzungen erlag.

H. selbst äußerte sich während des Prozesses nicht mehr zu den Anklagevorwürfen. In Briefen an seinen Verteidiger Matthias Koch, die dieser vor Gericht verlesen ließ, beteuerte der drogenabhängige 31-Jährige allerdings seine Unschuld. Er sei bei seiner Vernehmung durch die Polizei unter Druck gesetzt worden und habe aus Angst vor Entzugserscheinungen ein falsches Geständnis abgelegt, schrieb er.

Geständnis mit Täterwissen?

Dieser Darstellung widersprach der Rechtspsychologe Max Steller. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass H. von der Polizei unter Druck gesetzt worden sei. Und viele Details im Geständnis zeugten "von einem erlebten Geschehen". Ein Psychiater bescheinigte H. neben voller Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt zudem, dass er beim Verhör trotz Drogensucht "uneingeschränkt vernehmungsfähig" gewesen sei.

So ist für die Nebenklage die Sache klar: Die Beweisaufnahme habe "die Täterschaft des Angeklagten bestätigt", sagt Rechtsanwalt Oliver Niedostadek, der den Witwer von Olga K. vertritt. Er verweist dabei vor allem auf H.s Geständnis. Dieses sei nicht nur vom Sachverständigen für glaubhaft befunden worden, sondern habe auch "Täterwissen" enthalten. So habe H. darin korrekt beschrieben, wie das vom Holzklotz getroffene Auto anhielt, der Fahrer die Warnblinkanlage einschaltete, ausstieg und telefonierend ums Auto herum auf die Beifahrerseite ging.

Zudem belegten die Handydaten von H., dass dieser wenige Minuten nach dem Tatzeitpunkt angerufen worden sei und sich nahe der Brücke befunden habe. Nicht zuletzt hätten zwei Mithäftlinge vor Gericht ausgesagt, dass H. ihnen gegenüber den Holzklotzwurf zugegeben habe, sagt der Nebenklägervertreter.

"Hellhörig" sei er zwar einmal geworden, als im Prozess ein früheres, nachweislich falsches Geständnis des Angeklagten auf den Tisch gekommen sei. H. hatte 1998 nach einem tödlichen Verkehrsunfall fälschlicherweise angegeben, er sei gefahren. Der Fall sei aber mit dem Holzklotzwurf "gar nicht vergleichbar", sagt Niedostadek. So sei die Zahl der Verdächtigen damals von vornherein auf die Auto-Insassen beschränkt gewesen, und H. habe seinen frisch angeheirateten, alkoholisierten Schwager schützen wollen.

Dass das Gericht das Geständnis im Holzklotz-Fall für glaubhaft halten wird, vermutet auch die Verteidigung. Die Frage aber sei, ob das für eine Verurteilung reiche: "Ich sage, das reicht nicht", sagt Rechtsanwalt Koch. So fehlten etwa DNS-Spuren des Angeklagten an dem tödlichen Wurfgeschoss. Je nach Ausgang des Prozesses werde aber ohnehin entweder die Anklage oder die Verteidigung Rechtsmittel einlegen: "Es dürfte klar sein, dass das bis zum Bundesgerichtshof geht", sagt Koch. Und dann heiße es "mal gucken, ob das alles hält in Karlsruhe".

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