Ein Angeklagter, der immer wieder unter Tränen zusammenbricht. Ein Staatsanwalt, dem die internationale Presse den Beinamen "Pitbull" verliehen hat. Und eine Angehörige, die sagt, sie sei "süchtig danach, den Angeklagten jeden Tag anzusehen". Der Mordprozess gegen Oscar Pistorius in Bildern. Oscar Pistorius war ein nationaler Held, bevor er seine Freundin Reeva Steenkamp erschoss. Für manche ist er das immer noch. Wenn der beidseitig beinamputierte Paralympics-Sportler vor dem Gericht in Südafrikas Hauptstadt Pretoria erscheint, wird er an den meisten Tagen nicht nur von Sicherheitspersonal empfangen - sondern auch von Fans, die ihn mit Durchhalteparolen und Blumensträußen begrüßen.
Die Menschen, die sich vor dem Gerichtsgebäude versammeln, sind überwiegend Frauen. "Ozzy, wir lieben dich und beten für dich", steht auf einem Zettel. Weiße Luftballontrauben werden in die Luft gehalten. Wer hier steht, glaubt fest an die Version, die der 27-Jährige vor Gericht erzählt: Er sei nachts neben seiner ebenfalls wachen Freundin Reeva Steenkamp im dunklen Schlafzimmer aufgewacht und ohne seine Prothesen aufgestanden, um die Balkontüren zu schließen. Er habe ein Geräusch aus dem Badezimmer gehört, habe seine Waffe unter dem Bett hervorgeholt und nach einem Geräusch aus der Toilettenkabine auf die Toilettentür geschossen. Erst als er seine Freundin danach nicht gleich im Schlafzimmer entdecken konnte, habe er realisiert, dass sie es war, die sich hinter der Tür befand.
Pünktlich um 9.30 Uhr beginnt jeden Morgen das Kreuzverhör des Angeklagten. Seit 7. April steht er hier im Zeugenstand. Es gibt keine Fenster, von der Decke strahlt Neonlicht. Immer ist der Gerichtssaal bis auf den letzten Platz besetzt. Richterin Thokozile Masipa, von der es Videoaufnahmen, aber keine Fotos gibt, leitet die Verhandlung still und bestimmt. Sie sitzt mit ihren beiden Assistenten erhöht ganz vorne im Saal. Die Aufteilung des Raumes erklärt die BBC in einem Video.
Jeden Tag sitzt auch die Mutter der getöteten 29-Jährigen im Gerichtssaal. "Ich bin süchtig danach, ihn anzusehen", sagte June Steenkamp in einem Fernsehinterview. Sie wolle Oscar Pistorius in die Augen schauen und er müsse sehen, dass sie da sei - die Mutter, deren Kind er getötet hat.
Pistorius' härtester Widersacher vor Gericht ist Strafverfolger Gerrie Nel. Mehrere Tage hat der Staatsanwalt den Angeklagten bereits ins Kreuzverhör genommen und dabei auf zahlreiche Widersprüche in dessen Aussage hingewiesen. In den internationalen Medien wird Nel als "Pitbull" bezeichnet. Er geht Pistorius mitunter hart an, wirft ihm immer wieder vor, seine Version der Tat erfunden zu haben. "Geben Sie endlich zu, dass Sie Reeva getötet haben", hat Nel den Sportler bereits mehrmals aufgefordert. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Pistorius seine Freundin nach einem Streit absichtlich erschossen hat.
Aufgrund der Einschusslöcher in der Toilettentür unterstellt Nel dem Angeklagten, er habe gezielt auf Reeva Steenkamp geschossen. Zunächst habe er geradeaus durch die Tür gefeuert, dann, als er hörte, wie die junge Frau auf einen Zeitungsständer fiel, habe er die Schussrichtung geändert. Die Tür, die im Gerichtssaal präsentiert wird, ist als Beweismittel umstritten, da sie bei der Spurensicherung am Tatort nicht vorsichtig genug behandelt wurde und später entgegen den Vorschriften mehrere Tage im Büro eines Polizeibeamten stand.
Im Gerichtssaal ist auch ein Modell der Toilettenkabine aufgebaut, in der Reeva Steenkamp getötet wurde. In der Ecke steht eine Miniaturausgabe des Kricketschlägers, mit dem Pistorius nach den Schüssen die Tür einschlug. Er habe sich über seine Freundin gebeugt, sagt der 27-Jährige aus, sie habe nicht geatmet. Dann habe er versucht, sie nach draußen zu tragen und habe den Notdienst gerufen.
Während er verhört wird, darf Oscar Pistorius nicht gefilmt werden - auch andere Zeugen, die bisher in dem Prozess gehört wurden, machten von diesem Recht Gebrauch. Aktuelle Fotos zeigen Pistorius daher nur beim Betreten und Verlassen des Gerichtssaals. Ein älteres Bild vom 7. April zeigt einen sichtlich mitgenommenen Angeklagten.
Schon bevor er in den Zeugenstand gerufen wurde, zeigte Pistorius heftige Emotionen. Er weinte, musste sich mehrmals übergeben, als ein Gerichtsmediziner über die Obduktion der getöteten Reeva Steenkamp berichtete. Ein Plastikeimer steht vor der Bank, auf der der Sportler normalerweise sitzt.
Wenn das Kreuzverhör duch Staatsanwalt Nel zu hart wird oder vom Thema wegführt, schreitet Verteidiger Barry Roux ein. Mehrmals hat er wegen der schlechten Verfassung seines Mandanten bereits um den frühzeitigen Abbruch des Verhandlungstages gebeten. Auch Richterin Masipa hat Nel schon mehrfach gerügt - unter anderem, als dieser Pistorius zwingen wollte, sich ein Foto anzusehen, auf dem die blutüberströmte Reeva Steenkamp zu sehen war.
Unterstützung holt sich Pistorius in den Verhandlunspausen bei seinem Psychologen, seinem Verteidigerteam und seinen Geschwistern Carl (dritter von rechts) und Aimee (zweite von rechts), die beide fast jeden Tag im Gerichtssaal sind.
Pistorius selbst dürfte in den kommenden Tagen aus dem Zeugenstand entlassen werden - dann steht die Befragung weiterer Zeugen an. Der Prozess ist zunächst bis 16. Mai angesetzt. Noch sind zahlreiche Fragen offen. Warum sagten Nachbarn aus, sie hätten einen Streit zwischen einem Mann und einer Frau gehört - eine Auseinandersetzung, die es laut Pistorius nie gab? Wen rief Pistorius nach der Tat in welcher Reihenfolge an? Und warum sollte der Sportler nicht bemerkt haben, dass es seine Freundin war, die sich in der Toilettenkabine befand? Linktipps: Was geschah in der Nacht von Reeva Steenkamps Tod? Der südafrikanische Sender Eyewitness News hat Pistorius' Version der Tatnacht als Grafik aufbereitet. Wessen Aussage entlastet Pistorius? Wer belastet ihn? Alle bisherigen Zeugenaussagen haben wir hier für Sie zusammengefasst und bewertet.