Pistorius-Prozess in Pretoria:"Unter der Dusche höre ich ihre Schreie"

Oscar Pistorius sits in the dock ahead of the second day of the trial of the Olympic and Paralympic track star at the North Gauteng High Court in Pretoria

Oscar Pistorius wirkte müde am zweiten Prozesstag. Drei Zeugen haben den Sportler schwer belastet.

(Foto: REUTERS)

Nach zwei Prozesstagen ist Oscar Pistorius von drei Zeugen schwer belastet worden. Sein Anwalt versuchte vehement, die Aussagen einer Nachbarin in Zweifel zu ziehen. So lange, bis diese in Tränen ausbrach.

Oscar Pistorius wirkte müde. Nachdem er am Dienstag im Gerichtssaal Platz genommen hatte, begann er zu beten. Am Ende des zweiten Prozesstages sah sich der Sportler schließlich mit drei Zeugen konfrontiert, die ihn alle belasteten.

Der Paralympics-Sportler hatte in der Nacht zum 14. Februar 2013 durch eine Badezimmertür vier Mal auf seine Freundin Reeva Steenkamp geschossen. Fraglich ist, ob er dabei vorsätzlich gehandelt hat oder ob die Schüsse ein tragischer Unfall sind, weil der Sportler einen Einbrecher im Haus wähnte. Der auf drei Wochen angesetzte Prozess soll das klären.

In den ersten beiden Prozesstagen wurden drei Zeugen angehört. Alle haben den Sportler schwer belastet.

  • Michell Burger - Die Nachbarin von Pistorius ist die wichtigste Zeugin der Anklage. Die Universitätsprofessorin wohnt nur 170 Meter von Pistorius' Haus entfernt. Sie sagt, sie habe gegen drei Uhr nachts erst einen Mann schreien gehört, dann eine Frau. Der Schrei der Frau sei sehr verzweifelt gewesen, so als wenn jemand um sein Leben schreie. "Die Ereignisse dieses Abends sind extrem traumatisierend für mich. Die Angst in der Stimme dieser Frau ist schwierig vor Gericht zu beschreiben. Ich habe die Panik in der Stimme dieser Frau gehört", sagte Burger. Im Anschluss daran seien vier Schüsse gefallen. "Ich weiß, wie sich ein Pistolenschuss mitten in der Nacht anhört", sagte die Nachbarin. Es sei eine ruhige Sommernacht gewesen, in der alle Fenster offen gestanden hätten.
  • Estelle van der Merwe - Sie ist ebenfalls eine Nachbarin von Pistorius und auch sie erzählte von einem Streit, den sie gehört habe. Sie sei nachts gegen zwei Uhr davon aufgewacht, der lautstarke Streit habe über eine Stunde gedauert. Später sei sie wieder aufgewacht, diesmal von lauten Knallgeräuschen, sagte Van der Merwe. Damit zieht die Nachbarin Pistorius' Darstellung der Ereignisse in der Tatnacht grundsätzlich in Zweifel.
  • Charl Johnson - Der Ehemann von Michell Burger berichtete ebenfalls, dass er nachts durch Schreie einer Frau aufgewacht sei. Er sei dann auf den Balkon gerannt. "Es war klar, dass das Leben dieses Menschen in Gefahr war." Es seien Schüsse gefallen, sagte Johnson, ohne sich genau zu erinnern, wieviele.

Pistorius, dem im Falle eines Schuldspruches eine Haftstrafe von 25 Jahren droht, hatte sich zur Prozesseröffnung am Montag in allen Anklagepunkten für "nicht schuldig" erklärt. Die Anklage wirft ihm neben der "vorsätzlichen Tötung" seiner Freundin auch das Tragen und den Einsatz verbotener Waffen vor.

Die Schreie und die vier Schüsse, die Michell Burger in jener Nacht gehört haben will, sind der wichtigste Ansatzpunkt für Pistorius' Anwalt Barry Roux. Seine Strategie, das wurde am zweiten Prozesstag deutlich, ist offensichtlich: Er will die Glaubwürdigkeit von Burger in Zweifel ziehen. Deshalb stellt er dieselben Fragen, wieder und wieder. Deshalb sucht er nach Widersprüchen zwischen Burgers Aussagen bei der Polizei und vor Gericht. Im Anschluss an die vierstündige Vernehmung war die Zeugin derart mit den Nerven am Ende, dass sie in Tränen ausbrach. "Wenn ich unter der Dusche stehe, höre ich ihre Schreie wieder. Diese entsetzlichen Schreie", sagte sie.

Der Anwalt musste sich schließlich entschuldigen, als er Burger unterstellte, sie sei nicht ehrlich. Er hatte um die Interpretation eines Sachverhalts gebeten, was die Zeugin verweigerte: Sie könne das nicht, sie könne nur berichten, was sie damals gehört habe. Der Anwalt bezweifelte das und meinte, sie sei da wohl nicht ganz ehrlich. Daraufhin unterbrach ihn Staatsanwalt Gerrie Nel und erklärte, das sei ehrenrührig und sarkastisch. So etwas gehöre sich nicht gegenüber der Zeugin. Roux lenkte ein: "Ich nehme das zurück." Er entschuldigte sich daraufhin für seine Bemerkung.

Der Prozess, der zeitweise live übertragen wird, soll drei Wochen dauern. Er wird am Mittwoch fortgesetzt. Dann wird Charl Johnson erneut als Zeuge befragt werden.

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