SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":Wenn Mondrian einen Kopfstand macht

SZ-Serie "Ein Anruf bei ...": Natürlich, er hängt falsch herum: Das Bild "New York City 1" des niederländischen Künstlers Piet Mondrian in der Düsseldorfer Ausstellung.

Natürlich, er hängt falsch herum: Das Bild "New York City 1" des niederländischen Künstlers Piet Mondrian in der Düsseldorfer Ausstellung.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Das Werk "New York City 1" von Piet Mondrian wurde jahrelang verkehrt herum ausgestellt. Die Kunsthistorikerin Susanne Meyer-Büser erklärt, woran man erkennt, dass ein abstraktes Gemälde falsch hängt.

Interview von Martin Zips

Die Kunsthistorikerin Susanne Meyer-Büser, Kuratorin der aktuellen Ausstellung "Mondrian. Evolution" der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, hat herausgefunden, dass das Werk "New York City 1" des niederländischen Künstlers Piet Mondrian (1872-1944) seit Jahrzehnten "auf dem Kopf" ausgestellt wird.

SZ: Frau Meyer-Büser, wie haben Sie entdeckt, dass Mondrian falsch herum hängt?

Meyer-Büser: Auf einem Foto aus dem Jahr 1944 sah ich, dass das Bild, welches ein Jahr später in New York im MoMa ausgestellt wurde, andersherum auf einer Staffelei steht. Das hat mich stutzig gemacht.

Ja gut, aber da gibt es doch meist einen Haken hinten am Rahmen, oder? Da weiß man ja, wie herum so ein Bild gehört.

Die Haken diversifizieren das doch nicht.

Bitte?

Die Haken selbst sind kein Indiz. Sie können ja auch nachträglich angebracht worden sein.

Gut. Bleibt noch die Unterschrift des Künstlers.

Das ist ja die Krux. Dieses Bild hat keine Signatur. Sonst wüsste man ja, wie es zu hängen hat. Der einzige Anhaltspunkt war seit Jahrzehnten die Schriftrichtung des vom Nachlassverwalter hinten auf den Rahmen notierten Namen des Künstlers.

Frau Meyer-Büser, erzählt diese Geschichte nicht auch davon, dass es eigentlich völlig egal ist, wie herum abstrakte Kunst hängt?

Abstrakte Kunst schaut manchmal so aus, als sei sie willkürlich. Das ist sie aber nicht.

Finden Sie?

Ja, nehmen Sie Mondrian. Er hat sich intensiv mit Harmonie und Komposition beschäftigt.

SZ-Serie "Ein Anruf bei ...": Dr. Susanne Meyer-Büser wurde 1963 in Gütersloh geboren. Von 2006 bis 2009 war sie Kuratorin für Malerei und Skulptur am Sprengel Museum in Hannover. Sie promovierte über Bildnismalerei der 1920er-Jahre.

Dr. Susanne Meyer-Büser wurde 1963 in Gütersloh geboren. Von 2006 bis 2009 war sie Kuratorin für Malerei und Skulptur am Sprengel Museum in Hannover. Sie promovierte über Bildnismalerei der 1920er-Jahre.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Baselitz hängt seine Bilder auch immer verkehrt herum.

Das war eine grundlegende künstlerische Entscheidung von Baselitz. Mondrian hat hingegen häufig mit seinen Werken experimentiert. Es ist doch schön, wenn man als Kunsthistorikerin sieht, dass es auch in der klassischen Moderne noch etwas zu entdecken gibt.

Okay. Und was soll einem das Bild nun sagen?

Der Niederländer Mondrian ist nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs über London nach New York geflohen und hat dort seine zuvor neoplastische Arbeit noch einmal grundlegend verändert. Sein Bild ist eine künstlerische Reaktion auf die New Yorker Schnelligkeit, Spontaneität und Offenheit. Denken Sie an den Stadtplan von Manhattan. Die Linien. Die Straßenführung.

Ein Stadtplan?

Mondrian war von Boogie-Woogie sehr begeistert. Das Bild ist wie ein Plan seines neuen Lebens. Er kommt ja aus der Theosophie und suchte nach dem, was die Welt insgesamt zusammenhält. Er suchte nach der absoluten Wahrheit. Ich finde sein Bild ganz feinsinnig und intuitiv ausgelotet.

Drehen Sie es jetzt um?

Nein. Das Werk kam ja in dieser Richtung aus dem Nachlass ins Museum. Die heutige Hängung spiegelt seine Geschichte.

Frau Meyer-Büser, ist die moderne Kunst, die heute zum Beispiel auf der Art Basel für sehr, sehr viel Geld verkauft wird, noch genauso feinsinnig und intuitiv wie die von Mondrian?

Das ist ein ganz anderes Thema.

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