Süddeutsche Zeitung

Phytophthora:Asiatischer Pilz lässt die Bäume sterben

Seit der deutsche Wald kränkelt, rätseln die Forscher, was genau die Ursache dafür sein könnte. Nun glaubt ein bayerischer Forstwissenschaftler, der Sache auf den Grund gekommen zu sein.

Von Christian Schneider

Vielleicht liegt's ja am Namen, der nicht nur ein wahrer Zungenbrecher, sondern auch noch kompliziert zu schreiben ist: Phytophthora. Jedenfalls hat Forstminister Josef Miller (CSU) bei der alljährlichen Präsentation des Waldzustandsberichts im Landtag den Namen dieses Pilzes noch nie in den Mund genommen.

Und auf den 58 Seiten des aktuellen Wald-Reports für das Jahr 2004 wird der Baumschädling Phytophthora gerade mal auf einer Seite abgehandelt. Und das, obwohl sich Forstwissenschaftler in Italien, Spanien, Großbritannien, Frankreich, Polen und Schweden mittlerweile ziemlich sicher sind: Der Baumpilz aus Asien ist die Ursache für den alarmierenden Zustand der Wälder in Europa.

Den Bäumen in Bayern - so schreckte der Forstminister im vorigen Herbst die Öffentlichkeit auf - geht es so schlecht wie nie zuvor. Inzwischen sind etwa 37 Prozent so schwer geschädigt, dass sie mehr als ein Viertel ihrer Blätter oder Nadeln verlieren.

Schon fast stereotyp werden für diese Entwicklung Trockenheit, Schädlingsbefall und Luftschadstoffe verantwortlich gemacht. Das sei zwar alles richtig, aber eben nur die halbe Wahrheit, ist der Forstwissenschaftler Thomas Jung überzeugt.

Nach seinen Erkenntnissen werden die Bäume erst durch den Befall mit dem Primär-Parasiten so sehr geschwächt, dass sie leichte Beute für Borkenkäfer, trockene Sommer, Luftschadstoffe und Windwurf werden. Der Schädling wirkt im Untergrund und ist nur unter dem Mikroskop sichtbar, weswegen er, so Jung, nur "extrem schwer" nachzuweisen ist.

Die Phytophthora verbreitet sich fast seuchenartig vorwiegend über den Nässefluss im Boden. Bei günstiger Witterung - Feuchtigkeit und mindestens 8 Grad Celsius - keimt der Pilz und dringt in das Feinwurzelwerk ein, das langsam, aber sicher zerstört wird.

Die Folge: Der befallene Baum kann kein Wasser mehr aufnehmen und muss über kurz oder lang verdursten. Dieser Prozess kann sich über zehn bis 20 Jahre hinziehen.

Der Sporenpilz, so hat Jung herausgefunden, ist außerordentlich heimtückisch. Er kann nämlich bis zu zehn Jahren in völliger Trockenheit überleben, ehe er dann "aufwacht" und sein zerstörerisches Werk beginnt. Wenn die Krone eines Baumes ihre Blätter verliert und immer schütterer wird, ist dies in der Regel ein sicherer Hinweis auf Phytophthora-Befall.

Doch wenn sich der Befall erst einmal so dokumentiert, "ist es auf Grund der Wurzelzerstörung für Gegenmaßnahmen in aller Regel schon zu spät", sagt Jung.

Bayerische Forstwissenschaftler in Weihenstephan wurden erstmals 1992 auf einem internationalen Symposium in Italien auf den gefährlichen Killer-Pilz aufmerksam. Probleme mit Phytophthora gab es schon zu diesem Zeitpunkt in den südeuropäischen Ländern, aber auch in Großbritannien, wo man den Ursachen des Erlensterbens nachging.

1993 nahm Jung im Auftrag der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) in Weihenstephan seine Forschungen über den "äußerst aggressiven" Baumschädling auf.

Auftrag ausgelaufen

Nach allem, was man bisher weiß, sind die aggressiven Spielarten von Phytophthora über den internationalen Pflanzenhandel aus Asien auch nach Europa und Bayern gelangt. Für die Reise über die Kontinente hinweg reichten winzige Spuren des Pilzes in den Wurzelballen der gehandelten Pflanzen.

Für die Weiterverbreitung in Deutschland reichen Nässe, aber auch der Transport von Waldboden an Autoreifen und Schuhsohlen. Ist Phytophthora erst einmal im Boden, bekommt man sie dort kaum mehr weg. In Australien behilft man sich mit dem großflächigen Verspritzen von Fungiziden, was hier zu Lande aber nicht erlaubt ist, ganz abgesehen davon, dass es in Deutschland keine dafür zugelassenen Spritzmittel gibt.

Inzwischen ist Phytophthora fast landesweit verbreitet. Das Schlimme: Auch in den Böden der meisten Baumschulen dürfte sich der Pilz schon längst eingenistet haben. Damit nimmt das Unheil in den Wäldern mit jeder Neupflanzung kleiner Baumsetzlinge seinen Fortlauf. Das Forstministerium bestätigt, "uns ist die Phytophthora-Problematik bekannt".

Trotzdem ist die Forschung im März eingestellt worden - aus Geldmangel. Sollte sich aber eine weitere Verschlechterung des Baumzustandes abzeichnen, "wären weitergehende Forschungen wünschenswert". Die Bayerische Akademie der Wissenschaften hatte Jung für seine Arbeiten 1998 mit dem Arnold-Sommerfeld-Preis gewürdigt.

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Quelle:
SZ vom 11.5.2005
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