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SZ-Kolumne "Bester Dinge":Ei oder Nicht-Ei, das ist hier die Frage

Jahrhundertelang haben sich ehrwürdige Philosophen an der Definition des Nichts versucht. Nun stellt sich heraus: Die wahren Experten im Nichts-Verstehen leben im Hühnerstall.

Von Titus Arnu

Über die Frage "Was ist Nichts?" grübeln Philosophen seit Jahrtausenden. Platon gestand dem Nichts zu, dass es existiert, ein Widerspruch in sich. Heidegger bezeichnete das Nichts als "reinen Schwindel", der zum Wesen des Seins gehört. Für Sartre war das Nichts ein "Loch im Sein", das dem Menschen erlaubt, die Welt zu negieren. Sie verstehen nichts? Macht nichts, beim Begreifen des Nichts muss man Mut zur Lücke haben.

Manchmal wird das Nichts auch für Nichtphilosophen spürbar: durch die Abwesenheit von Objekten (verschusselter Schlüssel), Geld (leeres Konto), geliebten Personen (diese Dings, die man vor langer Zeit mal kannte). Aber gilt das auch für Lebewesen, die nicht Platon, Heidegger und Sartre gelesen haben? Für das Huhn oder den Hahn zum Beispiel, die laut Liedtext nicht viel beziehungsweise nichts zu tun haben? Nun, dieses vermeintlich etwas unterkomplex denkende Tier kennt das abstrakte Konzept des Nichts, wie eine britisch-italienische Studie nahelegt: Küken wurden in einen Zylinder mit Loch zum Durchschauen gesetzt, das "Loch im Sein" in Reinkultur. Sie bekamen Objekte gezeigt, die danach entweder hinter eine Trennwand gestellt oder gänzlich entfernt wurden. Die Forscher analysierten die Reaktionen der Tiere und schlossen daraus, dass Haushühner zwischen "Nichts" und "verstecktes Objekt" unterscheiden.

Sartre hätte wohl begeistert gegackert. Schließlich hat er nicht nur das Nichts definiert, sondern auch die Freude: Sie sei "die warme Sonnenseite des Geistes und des Leibes". Dem ist nichts hinzuzufügen.

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