Philippinen:Tembins tödliche Schneise

Ein Tropensturm richtet am Weihnachtswochenende auf den Philippinen schwere Verwüstungen an. Mehr als 240 Menschen sterben, Hunderte werden noch vermisst. Wurden die Warnungen ernst genug genommen?

Von Arne Perras

Diana Salim, 25, aufgewachsen im Dorf Anungan, fortgeschwemmt am 22. Dezember. Die Flut war so hoch wie die Kokospalmen, sagen die Leute, die sich nun durch die Schlammwüsten auf Mindanao kämpfen, um noch Überlebende der Katastrophe zu finden, Freunde, Verwandte oder Menschen, die sie gar nicht kannten, irgendwo unter den Trümmern oder fortgerissenen Bäumen.

Aber konnte es noch ein Überleben geben nach der tosenden Wut, die alles fortriss oder unter sich begrub? Der Name Diana Salim lief nun über die philippinischen Radiosender, in Zeiten der Not musste es doch irgendetwas geben, was noch Hoffnung spendete, ein Zeichen des Trosts wenigstens, in all der Zerstörung. Dieses Zeichen, das war Diana Salim.

Vier Tage war die Frau aus Anungan ver-schwunden. Und dann, plötzlich: ein Notsignal von einem Frachter, weit draußen auf hoher See. Mehrere Hundert Kilometer vom zerstörten Fischerdorf entfernt, wo Salim lebte. Die Crew fand die Frau morgens früh um drei. Vier Tage lang hatte sie sich an Trümmer ihres Hauses geklammert und ohne jede Hilfe überlebt. Sie werden nun von einem Wunder sprechen, der Rettung der verlorenen Diana Salim.

Weihnachten 2017 im Süden der Philippinen, Tage der Angst, Flucht und Verzweiflung. Zehntausende haben alles verloren, was sie besaßen, mehr als 240 Tote hat die Katastrophe gefordert, auch Diana Salim weiß nicht, was mit ihrer Familie geschehen ist. Der Sturm Tembin, der inzwischen weitergezogen ist nach Vietnam und auf dem Weg viel von seiner tödlichen Kraft verloren hat, hinterließ auf den Philippinen eine breite Spur der Verwüstung. Noch immer suchen Rettungskräfte nach Hunderten Vermissten. "Dass Diana gerettet wurde, gibt uns Auftrieb, vielleicht finden wir noch andere Überlebende", sagte Norbideiri Edding, Bürgermeister der Stadt Sibuco auf der südlichen Insel Mindanao. Mancherorts aber trat in der Katastrophe nur noch das Absurde hervor. Zum Beispiel auf der Insel Palawan, wo die Polizei von der Geschichte des Fischers Abdulsalam Amerhasan erfuhr. Der Philippiner aus dem Dorf Bataraza war noch mal hinunter zum Fluss gelaufen, kurz bevor der Sturm nahte. Er wollte sein Boot besser sichern, damit es ja nicht davongetragen würde von der drohenden Flut. Im strömenden Regen kämpfte sich der 53-Jährige voran. Der Mann dachte an nichts als den großen Sturm. Und sah das Grauen in seiner Nähe gar nicht kommen. Es war ein Krokodil. Erst Stunden später fanden Suchtrupps den Familienvater tot am Ufer.

Haben Menschen und Behörden die offiziellen Warnungen ernst genug genommen?

Weiter östlich, auf der Insel Mindanao, sind nun viele Brücken und Straßen zerstört, sodass die Katastrophenhelfer sich nur mühsam voranarbeiten können. Etwa 100 000 Menschen harren in Evakuierungszentren der Behörden aus, weitere 85 000 sind zu Verwandten oder in benachbarte Gemeinden geflohen, um Schutz zu finden. Betroffen waren vor allem die Provinzen Zamboanga del Norte und Lanao del Norte, wo Überschwemmungen und Erdrutsche viele Menschen töteten.

Jedes Jahr peitschen etwa 20 Taifune über den Inselstaat, Millionen Philippiner haben Erfahrung im Umgang mit diesen extremen Wetterverhältnissen. Aber doch nicht überall. Im Telefonat mit der Süddeutschen Zeitung sucht Emmanuel Leyco, Chef der philippinischen Behörde für Nothilfe, nach Erklärungen, weshalb trotz staatlicher Katastrophenpläne die Opferzahlen gerade bei diesem letzten Sturm Tembin recht hoch liegen. "Wir wussten, wann und wo der Sturm durchziehen würde und wir haben, wie immer, staatliche Warnungen verbreitet. Aber es sieht so aus, als hätten viele Menschen die Gefahren unterschätzt, das gilt wohl auch für die eine oder andere lokale Behörde."

Nun wird wieder diskutiert, ob man Menschen womöglich zwingen sollte, ihre Häuser zu verlassen. "Vielleicht müssen wir auch einfach kreativer werden, um die Leute rechtzeitig aufzurütteln." Dass die Vorbereitungen auf das christliche Weihnachtsfest viele davon abgehalten hätten, ihre Häuser zu verlassen, glaubt Leyco nicht. "Es hat ja Gemeinden getroffen, in denen überwiegend Muslime leben."

Aktuelles Lexikon: Taifun

Im Mekongdelta in Vietnam suchte man über Weihnachten Schutz vor einem Taifun mit dem Namen Tembin. Dieser hatte zuvor auf den Philippinen mehr als 240 Menschen getötet. In Deutschland, wo Taifune nicht vorkommen, fragt man sich womöglich, wo der Unterschied zwischen einem Taifun, einem Tornado und einem Hurrikan liegt. Ist das wie mit Astronauten und Kosmonauten? Oder hat es was damit zu tun, wie stark der Sturm bläst? Beides. Wenn die Windstärke die Marke neun überschreitet, gilt das als Sturm. So gesehen ist also auch ein Orkan oder ein Taifun ein Sturm. Allerdings handelt es sich bei Tembin um einen Wirbelsturm, bei dem Luft in hoher Geschwindigkeit um eine Achse kreist. Bildet sich ein Wirbelsturm über Land, wird er als Tornado bezeichnet. Taifune und Hurrikane entstehen über dem Meer, wenn warme Luft aufsteigt, weitere Luft mit sich zieht und durch die Erdrotation in eine Drehung versetzt wird. Sind solche Wirbelstürme erst in Fahrt und treffen auf eine Küste, reißen sie dort mit, was sie zu fassen bekommen. Handelt es sich um einen tropischen Wirbelsturm, wird er als Hurrikan bezeichnet, wie Katrina, der 2005 New Orleans verwüstete. In Süd- und Ostasien werden solche Wirbelstürme als Taifune bezeichnet. Und sie werden dort größer, transportieren mehr Regen und sind demzufolge zerstörerischer. Der Taifun ist also der stärkere, asiatische Bruder des Hurrikan. David Pfeifer

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