Pharrell Williams, der bekannte Rapper und Musikproduzent, wird neuer Männerdesigner von Louis Vuitton. Aufmerksame Leser mögen in dieser Nachricht auf den ersten Blick einen Widerspruch sehen - ein Sänger ist doch kein Designer. Bingo. Aber die Modewelt hat solch sachliche Kleinlichkeiten längst überwunden. Die ganz großen Luxusmarken - Louis Vuitton ist zahlenmäßig sogar die wertvollste von allen - reden heute nicht mehr von Entwürfen sondern lieber von "Visionen". Die kann jeder haben, und dass der 49-Jährige kreativ gesehen einiges drauf hat, dürfte jeder bestätigen, der zu seinem Hit "Happy" schon mal mit den Hüften gewackelt hat.
Gegen den Trend der Konkurrenz
Trotzdem kam die Besetzung, am Dienstagnachmittag über Instagram verkündet, wo sonst, einigermaßen überraschend. Fast 15 Monate hatten die Verantwortlichen sich nach dem plötzlichen Tod des erfolgreichen Vorgängers Virgil Abloh Zeit gelassen. Alle möglichen Namen machten seitdem die Runde, Grace Wales Bonner, Martine Rose oder Colm Dillane, der mit seinem Label Kid Super die im Januar präsentierte letzte Männerkollektion als Gastdesigner entworfen hatte. Alles Kandidaten, die zum Trend gepasst hätten, den Konkurrenten wie Gucci, Chanel oder Bottega Veneta zuletzt verfolgten: verdiente, sehr talentierte, aber der breiten Öffentlichkeit nicht unbedingt bekannte Designer aufrücken zu lassen. Allerdings war Abloh der erste schwarze Kreativchef des französischen Luxushauses gewesen und wurde als Wegbereiter für mehr Inklusion und Chancengleichheit in der Modewelt gefeiert. In der Branche redeten sie offen darüber, dass ein weißer Designer kein gutes Statement wäre. Nun also Pharrell Williams.
Für manche bedeutet das natürlich eine modische Bankrotterklärung. Ein Haus wie Louis Vuitton, das die Besten des Fachs haben könnte, und sich für die Damenabteilung mit Nicolas Ghesquière tatsächlich so einen hält, nimmt lieber die marketingfreundliche Promi-Lösung. Ein zugkräftiges Aushängeschild, obendrein kulturelle Gallionsfigur, mit 14,3 Millionen Instagram-Followern, die am Montag vor lauter Aufregung glatt den Valentinstag vergaßen und ihre Herzchen lieber für Pharrell verteilten. Das ist genau die Währung, die im Aufmerksamkeitsrennen heute zählt.
Seine erste Show im Juni wird schon jetzt ein garantiertes Mammutspektakel werden, egal wie die Klamotten dabei aussehen. Ein hochkarätiges Designteam im Hintergrund wird Schlimmeres zu verhindern wissen. Schließlich wird Williams offiziell als "Artistic Director" angeheuert - das Wort Design steckt da wohlwissentlich gar nicht mehr drin. Schnittmuster zeichnen muss heute sowieso keiner mehr zwingend beherrschen, das können viele der Kollegen und Kolleginnen in anderen Häusern auch nicht mehr. Dafür sollte man andere Talente mitbringen, am besten eine Handvoll, über diverse Diszplinen hinweg, um im Stakkatotakt genug Strahlkraft für die Marke zu erzeugen, dass nebenbei lauter Merchandisingartikel in Form von 1000-Euro-Hipbags verkauft werden. Die Decke mit großem LV-Logo, in die sich Pharrell Williams für das erste offizielle Porträt hüllte, dürfte sicher bald ausverkauft sein.
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Und natürlich ist Williams nicht irgendein Promi, der hier eingespannt wird. Er selbst und seine Frau kleiden sich stets tadellos cool, Erfahrungen mit modischen Visionen bringt er ebenfalls mit. Bereits 2004 entwarf er zusammen mit dem heutigen Kenzo-Designer Nigo die "Millionaires"-Brille für - so ein Zufall - Louis Vuitton. Das Gestell wurde eine Ikone der Hip-Hop-Kultur. Vier Jahre später legte er eine Schmuckkollektion nach, zwischendurch war er Botschafter für Chanel und brachte dort die erste kleine Männerkollektion auf den Markt. Gerade hat er an schmuckbesetzten Brillen für Tiffany mitgewirkt, also jenen Juwelier, der wie Louis Vuitton zum Konzern LVMH gehört. Da sehen Markenstrategen schon jetzt herrliche Synergien aufziehen. Davon abgesehen hat ein Inhouse-Musiker natürlich noch einen weiteren Vorteil: Um einen gescheiten Soundtrack für die Show im Juni muss man sich wohl keine Sorgen machen.