Süddeutsche Zeitung

"Phantom von Heilbronn":Trügerische Fährte

Die Ermittler trauen ihren eigenen Ergebnissen nicht mehr: Das rätselhafte "Phantom von Heilbronn" hat es vielleicht nie gegeben.

Bernd Dörries, Stuttgart

Zuletzt begannen die Ermittler selbst daran zu zweifeln, ob es die UWP überhaupt gibt. Ob die so genannte Unbekannte weibliche Person, die Phantomfrau, wirklich jemals existierte. Am 18. März teilte die Polizei mit, nach einem Einbruch in eine Realschule im Saarland sei wieder einmal die Spur der unbekannten Frau gefunden worden. Es war ein kleines Jubiläum: die 40. Spur in 16 Jahren.

Eine Spur, von der man nur wusste, dass sie von einer Frau stammt, die einfache Einbrüche begangen hatte in Gartenhäusern, die aber auch an der Ermordung einer Polizistin in Heilbronn vor zwei Jahren beteiligt gewesen sein soll. Normalerweise freut sich die Polizei in einem Kriminalfall über jede neue Spur, weil sich so ein Bild ergibt. Im Fall der UWP wurde das Bild allerdings immer unschärfer.

Die Diebe von der Realschule waren bald gefasst, alles Minderjährige, die nie eine Frau gesehen haben wollen. Auch niemand, der deutlich älter war als sie. Die Polizei begann daraufhin eine interne Untersuchung, die zu dem Ergebnis kommen könnte, dass die UWP, die Phantomfrau, tatsächlich ein Phantom war, das nie existierte.

Die DNS, die an 40 Tatorten gefunden wurde, kam möglicherweise nicht durch das Phantom dorthin, sondern durch verunreinigte Wattestäbchen, mit denen die Ermittler nach Spuren suchen. Möglicherweise seien die Stäbchen von Mitarbeitern des Herstellers verunreinigt worden, sagte ein Polizeisprecher. Die Staatsanwaltschaft Heilbronn teilte mit, man prüfe bereits seit Anfang 2008 die Möglichkeit einer "Fremdkontamination". Hunderte Wattestäbchen seien als so genannte "Leerproben" getestet worden - ohne Ergebnis. Es werde aber weiter mit "hohem Untersuchungsaufwand" ermittelt.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) dringt bei den Untersuchungen auf eine schnelle Klärung. Wenn bestätigt würde, dass die Spuren von einer Dame stammten, die die Wattestäbchen verpackt habe, "dann ist das aber eine sehr peinliche Geschichte", sagte der GdP-Landesvorsitzende in Baden Württemberg Josef Schneider.

Die Ermittler zweifelten bereits einige Wochen an der Existenz der Frau. Am Donnerstag wurden sie bestätigt, seitdem liegt das Ergebnis einer Untersuchung des Landeskriminalamtes in Saarbrücken vor, welche die Existenz des Phantoms äußerst unwahrscheinlich macht.

Vor einigen Wochen wurde dort die Leiche eines Mannes in einem abgebrannten Haus gefunden. Die Polizei vermutete, dass es sich bei dem Toten um einen vermissten Asylbewerber handeln könnte. Der Afrikaner war bei seiner Einreise erkennungsdienstlich behandelt worden. Die Ermittler holten das Blatt mit seinen Fingerabdrücken aus dem Archiv. Die Fingerkuppen der Leiche waren so verbrannt, dass ein Abgleich nicht mehr möglich war, aber es wurde untersucht, ob sich auf dem Blatt mit den Fingerabdrücken auch die DNS des vermissten Afrikaners befand, Spuren von Speichel oder Hautresten, um so die Identität des Toten zu ermitteln. Was die Polizei jedoch fand, war die DNS der UWP. In diesem Moment sei klar geworden, dass da etwas nicht stimmen konnte, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Saarbrücken. Die Ermittler machten daraufhin einen Abgleich mit den Wattestäbchen eines anderen Herstellers. Nun fand sich keine fremde DNS mehr.

In der Vergangenheit waren immer wieder Zweifel an der Theorie der Polizei aufgekommen, Kriminaltechniker hatten bereits im vergangenen Jahr die Einweghandschuhe der Ermittler im Verdacht. Immer wieder betonte die Heilbronner Polizei, dass in alle Richtungen ermittelt werde - und es gab sehr viele Richtungen.

Die Spuren fanden sich in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Frankreich und Österreich. Mal bei einem Einbruch in ein Elektrogeschäft, mal an einem angebissenen Keks in einem Gartenhaus. In Idar-Oberstein wurde eine ältere Frau ermordet, in Freiburg ein Rentner stranguliert. Immer soll das Phantom am Tatort gewesen sein. Es wurde im Obdachlosenmilieu vermutet, bei Drogenabhängigen oder bei Gebrauchtwagenhändlern. Wahrscheinlich sehe sie nicht einmal aus wie eine Frau, sagten die Ermittler schließlich.

Im Februar dieses Jahres wurden die Heilbronner Ermittler von dem Fall abgezogen, die Soko wanderte in die Zuständigkeit des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg - begründet wurde das mit den Tausenden Überstunden der Heilbronner Polizei.

Der Wechsel fiel aber in eine Zeit, in der die DNS an Tatorten gefunden wurde, an denen es Zeugen für das Auftauchen der Phantomfrau hätte geben müssen. In Mannheim prügelten sich Russlanddeutsche in einer Wohnung, an der Tür fand sich die DNS der Frau, die beide nicht gesehen haben wollen. Dann die Halbstarken aus dem Saarland, die plötzlich mit einer Polizistenmörderin gemeinsame Sache gemacht haben sollen. Es gab diese Zweifel schon einmal, als in Österreich zwei Diebe aus Osteuropa geschnappt wurden, die mit der Frau zusammen einen Einbruch begangen haben sollen. Ihnen wurde ein mildes Urteil angeboten, wenn sie etwas zu ihrer Komplizin sagen würden. Beide schwiegen. Womöglich, weil es nichts zu erzählen gab.

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sueddeutsche.de/SZ vom 26.03.2009/grc
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