Pferdefleisch-Produkte für Bedürftige:Kotzende Pferde

Pferdefleisch-Skandal: Amt in Krefeld untersucht Proben

Gut genug für Bedürftige? Politiker von CDU und FDP haben sich dafür ausgesprochen, Pferdefleisch-Produkte nicht zu vernichten, sondern sozialen Einrichtungen zukommen zu lassen.

(Foto: dpa)

Nicht wegschmeißen, sondern an Bedürftige verteilen: Ein CDU-Politiker will aus dem Verkauf genommene Pferdefleisch-Produkte weiterverwerten. Unterstützung bekommt er jetzt von FDP-Mann Niebel. Sozialpolitisch ein fatales Signal.

Von Johanna Bruckner

Die Idee, zwischen Nudelplatten Fleisch zu verstecken, ist Jahrhunderte alt. Die schwäbische Maultasche, so die Legende, wurde einst erfunden, weil die Menschen auch in der Fastenzeit nicht auf Fleisch verzichten wollten. Also versteckten es die gottesfürchtigen wie gewitzten Schwaben einfach in einer Teighülle. "Herrgottsbscheißerle" werden die Maultaschen im Ländle auch liebevoll genannt.

Bescheißen ist auch das richtige Wort, um zu beschreiben, was offenbar seit Jahren findige Nahrungsmittelproduzenten mit den Verbrauchern machen: Sie strecken Hackfleisch vom Rind und/oder Schwein mit billigerem Pferdefleisch und verwenden es bei der Herstellung von Lasagne, Tortellini, Ravioli - und vielleicht noch anderen Fertigprodukten. Jetzt ist der Schwindel im großen Stil aufgeflogen. Noch während im Tatort Teigware die Suche nach den Lebensmittelbetrügern läuft, kommen neue Protagonisten hinzu, die die Verbraucher abermals linken - indem sie ihnen die Pferdeprodukte als quasi-göttlichen Segen verkaufen wollen.

Am Donnerstag hatte zunächst der christdemokratische Bundestagsabgeordnete Hartwig Fischer angeregt, die aus den Läden genommene Ware nicht voreilig zu vernichten. "Es handelt sich bei den in Deutschland gefundenen Artikeln um qualitativ hochwertige und nicht gesundheitsgefährdende Lebensmittel", sagte der Entwicklungspolitiker. Warum also die feine Lasagne nicht an Bedürftige verteilen?, so sein Vorschlag. An die Nahrungsmittelbranche appellierte er, die Produkte zeitnah an Hilfsorganisation wie die Tafeln auszuliefern. Nicht dass die guten Gerichte am Ende doch verderben!

"Schmeckt doch!"

Um die Unbedenklichkeit seines Vorschlags - und der beanstandeten Mahlzeiten - zu beweisen, fand sich der Politiker dann auch prompt zum demonstrativen Probeessen mit Vertreter der Boulevardpresse ein. "Schmeckt doch! (...) Ich kann keinen Unterschied zu anderer Lasagne feststellen", wusste Fischer nach der Geschmacksprobe zu berichten.

Gut, könnte man nun anführen: Die Parteien sind bereits im Wahlkampfmodus, da sind politische Geschmacksverirrungen einzelner Politiker nicht verwunderlich. Und die Tatsache, dass solcherlei Provokationen meist von nicht-prominenten Parteivertretern lanciert werden, mindert deren Wirkungskraft. Doch Fischer fand in der Bild-Zeitung nicht nur einen willigen wie meinungsmachenden Abnehmer seines Vorschlags - er bekommt nun auch Unterstützung von prominenter Seite.

Was treibt den Minister um?

Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sagte dem Blatt: "Über 800 Millionen Menschen weltweit hungern. Und auch in Deutschland gibt es leider Menschen, bei denen es finanziell eng ist, selbst für Lebensmittel. Ich finde, da können wir hier in Deutschland nicht gute Nahrungsmittel einfach wegwerfen." Und auch die Kirchen halten nicht die Verteilung, sondern die Vernichtung von Lebensmitteln für "ähnlich schlimm wie Etikettenschwindel" (O-Ton Prälat Bernhard Felmberg von der Evangelischen Kirche Deutschland).

Angesichts solcher Aussagen möchte der gesunde Menschenverstand die sprichwörtlichen kotzenden Pferde bemühen. Was treibt einen Minister dazu, zumindest indirekt einen Vorschlag zu unterstützen, der nicht nur unpraktikabel, sondern auch sozialpolitisch höchst fragwürdig ist?

"Respektlos gegenüber Bedürftigen"

Tatsächlich wurde in den untersuchten Produkten bislang nicht das für Menschen gesundheitsschädliche Pferde-Medikament Phenylbutazon nachgewiesen. Doch um eine hundertprozentige Sicherheit zu gewährleisten, müsste jedes Gericht untersucht werden, das verteilt werden soll. Selbst wenn der Test dann die Unbedenklichkeit beweist - bis die Lasagne auf dem Teller eines Bedürftigen landet, ist sie sicher nicht mehr genießbar.

Viel fataler ist aber, dass der ernsthaft diskutierte Vorschlag vermittelt, dass Lebensmittel, die die Politik geißelt, für sozial Benachteiligte gerade gut genug sind. Als "respektlos gegenüber Bedürftigen" bezeichnete so auch der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, den Vorstoß. Ähnlich ablehnend reagierten andere Hilfsorganisationen.

Natürlich sind Tafeln auf Ausschussware der Supermärkte angewiesen. Doch dabei handelt es sich in der Regel um Produkte, zu denen auch der zahlende Kunde noch greifen würde, lägen sie im Regal. Das gilt für die Verbraucherbscheißerle wohl kaum.

Wenn Politiker schon Einfluss auf die Menügestaltung nehmen wollen, dann konsequent. Warum setzen Fischer und Niebel TK-Lasagne nicht mal auf die Speisekarte der Bundestags-Kantine?

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