25 Cent sind viel Geld, zumindest für eine leere Plastikflasche. Der Preis ist so hoch, weil er ein Anreiz für Verbraucher sein soll: Einmal-Leergut nicht achtlos in den Müll werfen, sondern gezielt dem Verwertungskreislauf zuführen, der Umwelt zuliebe. Das deutsche Pfandsystem mit seinen verhältnismäßig hohen Rückvergütungen birgt jedoch auch hohe Anreize für kriminelle Machenschaften. Immer wieder sind Gerichte mit der Aufarbeitung solcher Delikte beschäftigt, in dieser Woche in gleich drei Fällen.
Drei aktuelle Fälle
Fall 1: Vor dem Düsseldorfer Landgericht war der Geschäftsführer eines Getränkemarktes angeklagt, für einen Pfandbetrug im Wert von 1,8 Millionen Euro verantwortlich zu sein. Wie sich im Laufe der Beweisaufnahme herausstellte, hatte er jedoch keine Ahnung, was in dem Geschäft in Neuss vor sich ging, wie das Gericht am Dienstag mitteilte. Er war von einem Bekannten als Strohmann eingesetzt worden. Der hatte Pfandautomaten so manipuliert, dass Bons ausgedruckt worden waren, für die es keinen Gegenwert in Pfandflaschen gab. Der Betrug ereignete sich binnen eines Jahres, zwischen Juli 2013 und Mai 2014.
Fall 2: In Berlin mussten sich zwei des Pfandschummels Beschuldigte verantworten. Auch ihnen war vorgeworfen worden, einen Automaten manipuliert zu haben; Betrug in 116 Fällen hieß es in der Anklage. Nachdem die Maschine die Flaschen gescannt hatte, wurden diese nicht zerkleinert und somit entwertet, sondern fielen unversehrt in einen Behälter. So konnten sie abermals vorne eingeführt, erfasst und abgerechnet werden. Fast eine halbe Million Flaschen zu viel wurde so abgerechnet. Die Beute des früheren Geschäftsführer-Duos: rund 115 000 Euro. Das Landgericht stellte das Verfahren am Dienstag gegen Geldauflagen ein. Die 32 und 34 Jahre alten Männer sollen jeweils 3000 Euro zahlen. Die beiden waren nicht vorbestraft, ihre Taten lagen einige Jahre zurück und ließen sich nur noch schwer nachvollziehen.
Fall 3: Am Landgericht Köln sitzen von diesem Mittwoch an drei mutmaßliche Pfandbetrüger auf der Anklagebank. Sie sollen mindestens 450 000 Euro ergaunert haben. Auch ihre Masche war es, die Automaten so zu manipulieren, dass Flaschen mehrfach abgerechnet werden konnten.
Erst vergangenes Jahr wurde ebenfalls in Köln ein Getränkehändler zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Er hatte ein und dieselbe Flasche exakt 177 451 Mal hintereinander in einen Automaten gesteckt und knapp 50 000 Euro Gewinn gemacht. "Ich habe mir ein Radio danebengestellt, weil mir langweilig war", sagte er vor Gericht.
"Nur Einzelfälle". Stimmt das?
Fast immer sind Ermittlungen gegen Pfandbetrug langwierig und kompliziert. Nicht immer kann der entstandene Schaden angemessen reguliert werden. Irgendwer bleibt dann auf den Kosten sitzen. Es stellt sich die Frage: Geht von dem deutschen Pfandsystem, dass die Umwelt schützen soll, eine Gefahr für diejenigen aus, die es umsetzen müssen?
Die Deutsche Pfandsystem GmbH (DPG) ist federführend dafür verantwortlich, die Flaschenrücknahme in Deutschland zu organisieren, im Auftrag des Einzelhandels. "Pfandclearing pfandpflichtiger Einweggetränkeverpackungen" heißt ihr Geschäftsfeld in der Fachsprache. "Das sind Einzelfälle, die wir alle zur Anzeige gebracht haben", sagt Geschäftsführerin Verena Böttcher bezogen auf die jüngsten offenbar gewordenen Betrügereien.
Nachdem sie im Frühjahr 2014 erstmals von einem Getränkeunternehmen über auffällige Datensätze in Automaten informiert worden sei, sei die DPG umgehend aktiv geworden. Anzeigen wurden erstattet, ausführliche Überprüfungen vorgenommen. Inzwischen, sagt Böttcher, sei eine Reihe von Maßnahmen getroffen worden, um die Sicherheit zu erhöhen. "Es gibt also keine Systemlücken. Unregelmäßigkeiten fallen im System auf".
Doch handelt es sich wirklich nur um Einzelfälle? Bundesweit gingen Staatsanwälte im Jahr 2018 rund 60 Fällen nach, in denen Verbrecher Pfandautomaten mit krimineller Energie umgebaut hatten, berichtet der Spiegel. Mehr als 100 Millionen Euro soll der Schaden betragen, der so allein seit 2014 entstanden ist.
Die DPG kann diese Angaben nicht bestätigen, sie sei nicht operativ ins Pfandclearing eingebunden und verfüge nicht über entsprechende Zahlen. Geschäftsführerin Böttcher betont dennoch: Betrug lohne sich nicht. Die DPG unternehme dafür alles, was in ihrer Macht stehe.
Manipulation und Etikettenschwindel mit Ansage
Schon bevor das Einweg-Pfand Anfang 2003 in Deutschland eingeführt wurde, warnte die deutsche Automatenindustrie davor, dass es Betrüger aus dem In- und Ausland anlocken könnte. Betrügereien seien vorprogrammiert, sagte damals Klaus Rudolph, Geschäftsführer des Automatenherstellers Multi-Reverse-Vending (MRV). Bei den hohen Pfandbeträgen von bis zu 25 Cent sei der Anreiz hoch, Dosen und Flaschen aus dem Ausland nach Deutschland einzuführen und hier dafür Pfand zu kassieren", sagte Rudolph.
Er sollte Recht behalten. 2013 erwischte beispielsweise die Münchner Polizei einen 33-jährigen Ungarn mit gefälschten PET-Flaschen in einem Supermarkt. Der Mann sagte aus, in Ungarn angeworben und nur zu dem Zweck nach München gereist zu sein, falsche Pfandflaschen abzugeben.
Im gleichen Jahr machten Polizisten in Potsdam einen überraschenden Fund. Im Laderaum eines ebenfalls aus Ungarn stammenden Kleintransporters entdeckten die Beamten große Mengen an Plastikpfandflaschen und Zehntausende gefälschter Pfandetiketten. In einer Lagerhalle stießen sie auf einen weiteren ungarischen Transporter, der ebenfalls Plastikflaschen geladen hatte, offenbar aus osteuropäischer Produktion, bestimmt für Automatenbetrug in Deutschland.
Kartellrecht als Hürde für präventive Maßnahmen
Doch DPG und Einzelhandel sind zuversichtlich, Betrug im großen Stil aufzudecken. Wer mit unüblich vielen Flaschen am Pfandautomaten auftaucht, falle zwangsläufig auf. "Unser System funktioniert einwandfrei, Standards und Funktionalität werden regelmäßig überprüft", sagt DPG-Geschäftsführerin Böttcher. Etwaige Manipulationen oder Manipulationsversuche würden durch die Systemteilnehmer selbst recht schnell festgestellt.
Das automatisierte Rücknahmesystem beruht auf im Computer hinterlegten Flaschen-Dimensionen, dem Barcode und dem Logo auf dem Etikett von Flaschen und Dosen, das Einweg oder Mehrweg ausweist. Der Code kennzeichnet den Abfüller des Getränks und die Art des Behältnisses. Insgesamt gibt es in Deutschland 600 Abfüller und Hunderttausende Läden. Und selbst wenn es technisch möglich wäre, zu registrieren, wie viele Flaschen im Umlauf sind, verbietet das Bundeskartellamt eine zentrale Datenerfassung. So will es verhindern, dass einzelne Anbieter Überblick über Marktanteile bekommen.