Süddeutsche Zeitung

Missbrauchsvorwürfe gegen Peter Nygård:Im Jacuzzi auf den Bahamas

Der kanadische Modeunternehmer Peter Nygård soll jahrzehntelang Frauen missbraucht haben, nun wurde er festgenommen. Sein Anwalt behauptet, das habe sich alles Nygårds Nachbar ausgedacht - als Gipfel einer Dauerfehde unter Millionären.

Von Max Sprick

Als Opfer soll er sich häufig Frauen aus ärmeren Verhältnissen gesucht haben oder Frauen, die in ihrem Leben bereits missbraucht worden sind. Frauen also, die ohnehin schon gelitten hatten. Er soll sie von seinen Mitarbeitern suchen lassen haben, um sie auszunutzen, zu bedrohen und zu erpressen. Auch Minderjährige. Das sind einige der Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft in New York dem 79 Jahre alten früheren Modeunternehmer Peter Nygård macht. Er werde wegen jahrzehntelangen kriminellen Verhaltens mit Dutzenden Opfern angeklagt, teilte die Behörde mit, nachdem sie ihn am Montag (Ortszeit) im kanadischen Winnipeg wegen sexueller Übergriffe und Erpressung hatte festnehmen lassen.

Den Angaben zufolge soll Nygård mindestens während der 25 Jahre an der Spitze seines Bekleidungsunternehmens seinen Einfluss genutzt haben, um Frauen zu sexuellen Handlungen mit ihm, mit Bekannten und auch untereinander zu zwingen. Vor allem auf seinem Anwesen auf den Bahamas.

Die britische Boulevardzeitung Daily Mail veröffentlichte im Frühjahr Fotos, die Nygård im Jahr 2007 zeigen sollen: Mit kurzen Hosen und extrem verschwitztem Hemd sitzt der Mann mit den langen weißen Haaren da und begafft und betatscht eine Gruppe augenscheinlich sehr junger, sehr leicht bekleideter Frauen, die aufreizend vor ihm tanzen.

Nygård habe "den Einfluss der Nygård Group sowie deren Mitarbeiter, Fonds und andere Ressourcen genutzt, um erwachsene und minderjährige weibliche Opfer für seine sexuelle Befriedigung und die sexuelle Befriedigung seiner Freunde und Geschäftspartner zu rekrutieren und zu benutzen", heißt es dem Sender CBC zufolge nun in der Anklageschrift.

Zehn Frauen reichten Sammelklage ein

Zehn Frauen hatten im vergangenen Februar gegen den finnisch-kanadischen Modeunternehmer eine Sammelklage eingereicht. Darin warfen sie Nygård vor, sie gezielt auf sein Anwesen auf den Bahamas gelockt, dort unter Alkohol oder Drogen gesetzt und anschließend vergewaltigt zu haben. Er soll den damals 14 und 15 Jahre alten Mädchen, die aus eher einfachen Verhältnissen stammten, Bargeld und Jobs als Models in Aussicht gestellt haben.

Nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe zog sich Nygård aus seinem Unternehmen zurück, im März beantragte die Firma dann Insolvenz. Sein privates Vermögen war zu dieser Zeit dem kanadischen Wirtschaftsmagazin Canadian Business zufolge auf rund 750 Millionen US-Dollar geschätzt worden, er zählt zu den hundert wohlhabendsten Einwohnern Kanadas. Inzwischen haben sich insgesamt 57 Frauen der Sammelklage angeschlossen.

Jessica Alba nannte die Party "ekelerregend"

In den vergangenen Jahrzehnten hatte es immer wieder Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffe gegen Nygård gegeben. So hatte zum Beispiel die Schauspielerin Jessica Alba im Jahr 2004, während Dreharbeiten auf den Bahamas, eine Nygård-Party besucht - und das, was sie dort erlebte, später als "ekelerregend" beschrieben. "Da sind Mädchen im Jacuzzi, die sind 14 Jahre alt und ziehen ihre Klamotten aus."

Nygårds Anwalt wies die Vorwürfe umgehend zurück, er gehe von einem Freispruch vor Gericht aus, sagte Jay Prober. "Das alles kommt von einer Verschwörungstheorie des Hedgefonds-Milliardärs Louis Bacon." Bacon und Nygård hatten sich über mehrere Jahre einen Nachbarschaftskrieg geliefert und sich gegenseitig mit etlichen Klagen überzogen, die Rechtsstreitigkeiten haben Schätzungen der New York Times zufolge mehrere Millionen US-Dollar gekostet. Angefangen hatte der Streit 2009, als Nygård auf den Bahamas verwehrt wurde, sein teilweise abgebranntes Anwesen wiederaufzubauen, wofür er seinen Nachbarn Bacon verantwortlich machte.

Nygård lancierte daraufhin eine Verleumdungskampagne gegen Bacon, der zurückschlug, indem er ein Team aus Privatermittlern und Juristen anheuerte, um den Verdachtsmomenten gegen Nygård nachzugehen.

Peter Nygård war mit seinen Eltern 1942 als Kind aus Finnland nach Kanada gekommen, wo er 1967 seine Modefirma in Winnipeg gründete. Diese entwickelte sich von einer bloßen Beteiligung an einem Damenbekleidungshersteller zu einer bekannten Marke, die weltweit in eigenen Filialen verkauft wurde. In der Firmenzentrale in Winnipeg gab es sogar ein "Nygård Museum", das Fotos von Nygård mit einflussreichen Politikern, Schauspielern, Musikern und Models zeigte. Zum Beispiel, wie Playboy-Legende Pamela Anderson ihren Kopf auf Nygårds Schulter legt oder wie der frühere US-Präsident George H. W. Bush gemeinsam mit ihm in die Kamera strahlt.

Nygårds Anwalt scheiterte mit einem Antrag, die Anklage unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu behandeln. Nun will er eine Freilassung auf Kaution erwirken. "Wir sind sehr besorgt wegen seines Alters und seiner medizinischen Probleme, die ihn anfällig für die schlimmsten Folgen von Covid-19 machen", sagte Prober in einem Interview mit The Canadian Press.

Eine Anwältin der mutmaßlichen Opfer Nygårds sprach die Hoffnung aus, dass "er und seine Komplizen für die unaussprechlichen Verbrechen gegen Frauen und Kinder verantwortlich gemacht werden", die sie seit Jahrzehnten begangen hätten. "Die Überlebenden unserer Klage haben sehr lange auf diesen Tag gewartet." Ein nächster Gerichtstermin ist für den 13. Januar geplant.

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