Pete Frates:Der glücklichste Mensch der Welt

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Pete Frates 2014 in New York. (Foto: Michael Loccisano/AFP)

Pete Frates initiierte die "Ice Bucket Challenge", die 200 Millionen Dollar für die ALS-Forschung erzielte. Nun starb er selbst im Alter von 34 Jahren an den Folgen der Krankheit.

Nachruf von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Der glücklichste Mensch der Welt. Das wollte Pete Frates sein, als er vor sieben Jahren erfuhr, dass er an amyotropher Lateralsklerose (ALS) litt. Er kannte diese nicht heilbare degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystem, weil auch sein Idol, der Baseballprofi Lou Gehrig, daran gelitten hatte. Der hatte am 4. Juli 1939 im Stadion der New York Yankees, gezeichnet von ALS, seinen Rücktritt verkündet und dabei den unvergessenen Satz gesagt: "Ich darf mich heute als den glücklichsten Menschen der Welt betrachten."

Nur wenige Menschen dürften sich an Frates erinnern. Wer jedoch die vergangenen Jahre nicht hinter dem Mond verbracht hat, der hat wahrscheinlich von der Initiative erfahren oder sogar daran teilgenommen, die Frates im Jahr 2014 berühmt gemacht hat: die "Ice Bucket Challenge". Dabei haben sich Menschen dabei gefilmt, wie sie sich einen mit Eiswasser gefüllten Kübel über den Kopf kippen, drei Freunde nominieren und dann mindestens zehn Dollar an die ALS-Forschung spenden. Vorsichtigen Schätzungen zufolge sind durch die "Ice Bucket Challenge" etwa 200 Millionen Dollar zusammengekommen.

"75 Jahre nach den tapferen Worten von Gehrig gibt es noch immer kein Heilmittel", schrieb Frates im Jahr 2014 in einem Essay für das Sport-Portal Bleacher Report. "Das ist nicht akzeptabel."

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Frates, einst Baseball-Spieler an der Eliteuniversität Boston College, erfuhr nach einer Verletzung bei einem Spiel von seiner Krankheit, er wollte wie sein Vorbild Gehrig optimistisch bleiben und lieber nach Lösungen suchen, statt an der Krankheit zu verzweifeln. Er unterhielt sich auf einer Online-Plattform mit Pat Quinn, der ebenfalls an ALS erkrankt war, und der sprach von dieser Aktion, bei der sich Leute mit Eiswasser abschütteten, um Aufmerksamkeit für einen guten Zweck zu erregen.

Frates, damals 29 Jahre alt, nominierte in seinem Video am 31. Juli 2014 nicht nur Freunde, sondern prominente Sportler wie den Footballprofi Tom Brady. Die Aktion wurde zu einem Lehrstück, wie sich Inhalte über berühmte Multiplikatoren in sozialen Medien verbreiten können. Mitgemacht haben: Bill Gates, Steven Spielberg, Charlie Sheen. Auch der ehemalige US-Präsident George W. Bush, Weltfußballer Lionel Messi, Kermit der Frosch. Helene Fischer, Cem Özdemir, Heidi Klum.

Es war ein Blödsinn, selbstverständlich, und so mancher Promi frönte bei der "Ice Bucket Challenge" dem inneren Narziss - es kam jedoch unglaublich viel Geld zusammen. Die Non-Profit-Organisation ALS Association (ALSA) etwa bekam insgesamt 115 Millionen Dollar. Sie verkündete im Juli 2016, dass sie aufgrund der Spendengelder das Gen NEK1 identifiziert haben und an effizienten Behandlungsmöglichkeiten arbeiten können. "Es ist beispiellos, was Pete angestoßen hat", sagt Lucy Brujin, leitende Wissenschaftlerin von ALSA. "Ich fahre um die Welt, und jeder kennt nun die Ice Bucket Challenge und ALS."

Frates selbst blieb optimistisch, auch wenn er wohl ahnte, dass all die Spenden sein eigenes Leben nicht verlängern oder gar retten dürften. Er heiratete seine Freundin Julie, und seine letzten Worte, bevor er die Fähigkeit zu sprechen verlor, handelten im August 2014 davon, wie glücklich er sei, dass er die Geburt seiner Tochter Lucy erleben würde - der glücklichste Mensch der Welt.

"Er hat sich nicht ein einziges Mal über seine Krankheit beschwert", heißt es im Statement seiner Familie. "Er sah sie als Herausforderung, den Verlauf dieser Krankheit, für die es keine Heilung und keine Behandlung gegeben hat, zu ändern - wenn nicht für sich, dann für andere." Das ist ihm zweifellos gelungen.

Pete Frates ist am Montag im Alter von 34 Jahren in Boston gestorben. Viele ALS-Patienten haben durch ihn neuen Lebensmut gefunden, und seine Familie veröffentlichte eine Nachricht, dass Frates deshalb am Ende seines Lebens genau das war, was er immer sein wollte: der glücklichste Mensch der Welt.

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