Süddeutsche Zeitung

Kalifornien:Tochter plante Flucht aus Elternhaus zwei Jahre

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Das einzige Kind der Familie Turpin, das offenbar genug zu essen bekam, war die jüngste Tochter. Zwei Jahre alt. Das Mädchen sei scheinbar nicht misshandelt worden, erklärt Staatsanwalt Mike Hestrin am Donnerstag. Eine 29 Jahre alte Tochter von Louise und David Turpin wiegt dagegen nur 37 Kilo.

Der Staatsanwalt von Riverside County wirkt gefasst, als er der amerikanischen Öffentlichkeit weitere schreckliche Details zu dem Fall nennt, der seit Montag das ganze Land entsetzt. Das Ehepaar Turpin aus dem Ort Perris, etwa zwei Autostunden von Los Angeles, soll seine 13 Kinder über Jahre wie Gefangene gehalten haben. Angekettet, ohne eigenen Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln, oder die Möglichkeit, sich zu waschen.

Bei einer gerichtlichen Anhörung am Donnerstag wurden die mehr als drei Dutzend Anklagepunkte gegen den 57-jährigen David Turpin und seine 49-jährige Frau Louise verlesen. Zu den schwerwiegendsten gehören Folter und Kindesmisshandlung. Dem Vater wird zudem unzüchtiges Verhalten gegen eine der Töchter vorgeworfen. Beiden droht eine 94-jährige Haftstrafe. Auch die Kautionssumme spricht für die Grausamkeit des Verbrechens, das den Turpins zur Last gelegt wird: Sie wurde auf zwölf Millionen Dollar pro Person festgelegt. Die Pflichtverteidiger des Paares plädierten in allen Punkten auf unschuldig.

Eine Schwester kehrte auf der Flucht um - aus Angst

Der Fall war am vergangenen Sonntag publik geworden, nachdem einem Opfer die Flucht gelungen war. Die 17-jährige Tochter alarmierte die Polizei. Die Jugendliche hatte NBC News zufolge zwei Jahre an ihrem Fluchtplan gearbeitet. Obwohl die Eltern ihre Kinder von der Außenwelt abschotteten, realisierte sie, dass die Zustände, in der sie und ihre Geschwister hausten, nicht normal waren.

Die 17-Jährige verließ das Haus am Sonntag gemeinsam mit einer jüngeren Schwester, die beiden kletterten durch ein Fenster ins Freie. Zuvor hatten sie ihren Eltern ein Handy geklaut. Die Jüngere kehrte jedoch kurz darauf aus Angst ins Elternhaus zurück. Die Ältere setzte den Notruf ab und wartete auf die Polizei. Weil sie so abgemagert war, schätzten die Beamten sie zunächst auf etwa zehn Jahre.

In der Pressekonferenz am Donnerstag berichtete Hestrin über das Ausmaß des Marytriums der jungen Menschen. Demnach begann die Leidensgeschichte der 13 Geschwister mit Vernachlässigung und steigerte sich zu schwerem und andauerndem Kindesmissbrauch. "Sie wurden als Bestrafung gefesselt. Zunächst geschah dies mit Seilen. Doch als einem der Opfer die Flucht gelang, wurden sie an Betten gekettet. Diese Bestrafungen dauerten wochenlang an, manchmal sogar mehrere Monate."

Spielzeug, mit dem nicht gespielt werden durfte

Die Gefangenen sahen selten das Tageslicht und durften nur einmal am Tag essen. Das Duschen war ihnen demnach sogar nur zweimal im Jahr erlaubt. Die Eltern sollen zwar Spielzeuge gekauft haben. Den Kindern war jedoch nicht erlaubt, es auch nur auszupacken. "Als Staatsanwalt gibt es Fälle, die einen verfolgen", zitiert die Los Angeles Times Hestrin. "Einige haben mit menschlicher Verdorbenheit zu tun, so wie hier."

Eines der wenigen Dinge, die die Eltern ihren Kindern zugestanden, war es demnach, Tagebuch zu schreiben. Die Polizei stellte beim Durchsuchen des verdreckten und nach Urin stinkenden Hauses Hunderte Tagebücher sicher. Sie werden "ein starker Beweis dafür sein, was in diesem Haus passiert ist", sagte der Staatsanwalt.

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