SZ-Kolumne "Bester Dinge":Jetzt mal gaaanz langsam!

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(Foto: Luc Nobout/imago images/IP3press)

In Paris gilt von Montag an fast überall Tempo 30. Warum das mitnichten Entschleunigung bedeutet - sondern fast schon an einen Geschwindigkeitsrausch grenzt.

Von Joseph Hanimann

Tempo 30, das grenzt für Pariser Autofahrer in den vollen Straßen fast schon an Geschwindigkeitsrausch. Rund zwölf Kilometer kommen sie gegenwärtig im Durchschnitt pro Stunde zwischen morgens sechs und abends neun Uhr voran. Und die Zahl sinkt von Jahr zu Jahr. Insofern wirkt sich das an diesem Montag in Paris auf praktisch allen Straßen in Kraft tretende Tempolimit 30 für die Verkehrsteilnehmer etwa so aus wie die jüngst wegen Covid verhängte Ausgangssperre für Stubenhocker. Angesichts der Nicht-Geschwindigkeit sieht das Herumhocken auf dem Autositz dem Herumhocken auf dem Sofa ohnehin immer ähnlicher.

Wichtiger als das, was in Straßen und Wohnstuben real passiert, ist aber, was in den Köpfen vorgeht. Das sei eine weitere symbolische Strafmaßnahme gegen die Autorfahrer, protestieren die einen. Ein Schritt hin zu einem befriedeten Stadtverkehr, entgegnen die anderen. Und die Front des Bürgerzwists verläuft ziemlich genau längs der Grenzen zwischen Paris und seinen Vorstädten. Die Pariser Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo hatte diesen Schritt schon vor ihrer Wiederwahl angekündigt und im vergangenen Herbst vorsorglich eine Umfrage gestartet. 59 Prozent der Stadtpariser - von denen die Hälfte kein eigenes Auto hat - waren dafür, 61 Prozent der Vorstadtbewohner waren dagegen. Dabei galt schon bisher auf Zweidritteln des Stadtgebiets das Tempolimit 30.

Nur über die Champs-Elysées und einige wichtige Durchgangsachsen darf man weiterhin mit 50 Sachen brettern. Sofern das Verkehrsaufkommen es erlaubt. Die neue Regelung werde das reale Durchschnittstempo weiter drosseln, warnen manche. Droht gar, wenn es bei null ankommt, das Zeitalter des Rückwärtsfahrens? An so eine Wende des städtischen Verkehrsverhaltens mag aber sogar in Paris kaum jemand glauben.

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