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Paris: Scientology verurteilt:Eine Sekte, die wie eine Bande betrog

Der französische Ableger der Sekte hat eine Anhängerin um ihr ganzes Geld gebracht. Dafür wurde Scientology nun verturteilt. Einem Verbot entgeht die Organisation jedoch.

Die Organisation Scientology ist in Frankreich wegen bandenmäßigen Betrugs zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden. Insgesamt 600.000 Euro müssen zwei Unterorganisationen der "Eglise de Scientologie", wie die Organisation in Frankreich heißt, zahlen.

Außerdem wurden vier angeklagte Führungsmitglieder zu Bewährungsstrafen von zehn Monaten bis zwei Jahren verurteilt. Der Strafgerichtshof von Paris folgte aber nicht dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die Sekte zu verbieten.

Die Ermittler warfen Scientology vor, aus finanziellen Interessen von ihren Mitgliedern hohe Geldbeträge verlangt und neu eingetretene Mitglieder eingeschüchtert zu haben. Die Anklage geht ursprünglich auf die mehr als zehn Jahre alte Beschwerde einer Frau zurück, die angab, sie habe einen Kredit aufgenommen, um 21.000 Euro Schulden an Scientology zahlen zu können.

Frau ruiniert

Den Weg zu der in Frankreich seit 1994 als Sekte geführten Organisation hatte die Klägerin in einer Lebenskrise gefunden. Buchstäblich auf der Straße habe man sie zu einem Persönlichkeitstest überredet, der natürlich negativ ausfiel.

Daraufhin habe man ihr diverse Maßnahmen aufgeschwatzt: Ein "dianetisches Seminar" für 5000 Euro, Bücher des Sektengründers Ron L. Hubbard für 1670 Euro, ein sogenannter Elektrometer für ebenfalls 5000 Euro. Letzterer hatte einen Materialwert von rund 100 Euro. Am Ende ihrer "Behandlung" war die Frau ruiniert.

Gönner in hohen Ämtern?

Die wichtigste Forderung der Staatsanwaltschaft, nämlich die Auflösung der Organisation, ist wegen einer umstrittenen Gesetzesänderung allerdings nicht mehr möglich. Nach Angaben der Regierungsmehrheit wurde das fragliche Gesetz im Mai aus Versehen innerhalb eines umfassenden Paketes zur Rechtsvereinfachung geändert - also bereits vor der Strafmaßforderung.

Kritiker von Scientology unterstellen der Organisation, die Nationalversammlung unterwandert zu haben. Außerdem gibt es in Paris längst Gerüchte, Scientology habe Gönner in hohen Ämtern.

"Moderne Inquisition"

Die Organisation kündigte an, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Das Urteil sei "moderne Inquisition", sagte Scientology-Sprecherin Agnes Bron. Verteidiger Patrick Maisonneuve sagte während des Prozesses, weder Scientology noch die sechs Angeklagten hätten finanzielle Gewinne erzielt.

Auch aus den USA gab es unterdessen schlechte Nachrichten für die Sekte. Regisseur Paul Haggis hat der Sekte den Rücken gekehrt. Haggis war 35 Jahre lang Mitglied bei Scientology. Als Grund für seinen Rückzug nannte er vor allem die diskriminierende Haltung der Glaubensgemeinschaft gegenüber Homosexuellen.

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