Süddeutsche Zeitung

Frankreich:Fünf Tote bei Messerattacke in Pariser Polizeipräfektur

  • Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich offenbar um einen Sachbearbeiter der Polizei, der bislang nicht auffällig geworden war.
  • Der Mann ging zunächst in einem Büro der Polizeizentrale auf Kollegen los.
  • Bürgermeisterin Anne Hidalgo sprach von einem "schrecklichen Angriff".

Von Nadia Pantel, Paris

Ein Mitarbeiter der Pariser Polizeipräfektur hat am Donnerstagmittag vier Menschen getötet. Der Angriff ereignete sich zwischen 12.30 und 13 Uhr in den Räumen der Polizeipräfektur, im Zentrum von Paris, auf der Île de la Cité. Der Täter war mit einem Messer bewaffnet und tötete eine Frau und drei Männer. Eine weitere Frau verletzte er schwer. Ein Polizist, der Zeuge der Tat wurde, erschoss mit seiner Dienstwaffe den Angreifer.

Die Île de la Cité, auf der sich auch die Kathedrale Notre-Dame befindet, wurde weiträumig abgesperrt. Um 14.30 Uhr trafen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Innenminister Christophe Castaner am Tatort ein, um, so hieß es aus dem Élysée, den Mitarbeitern der Präfektur "ihre Unterstützung und Solidarität" zu versichern. Bürgermeisterin Anne Hidalgo sprach von einem "schrecklichen Angriff". Paris weine um die Opfer.

Loïc Travers von der Polizeigewerkschaft "Alliance police nationale" sagte verschiedenen lokalen Medien, der Angreifer sei seit 20 Jahren bei der Polizei angestellt gewesen. Es habe sich um einen "an sich vorbildlichen" Kollegen gehandelt, Beschwerden habe es nicht gegeben. Der Mann arbeitete in der Verwaltungsabteilung. Innenminister Castaner sagte bei seinem Besuch am Tatort, dass der Täter 45 Jahre alt gewesen sei.

Die Polizeipräfektur ist zuständig für die Sicherheit in der Stadt Paris und den umliegenden Vorstädten. In der Präfektur wird auch zu sensiblen Themen wie Terrorismus ermittelt. Um in die Räume zu gelangen, in denen der Angriff stattfand, benötigt man einen speziellen Mitarbeiterausweis, um die Sicherheitsschranken zu passieren. Bei der Tatwaffe soll es sich um ein Messer mit Keramikklinge gehandelt haben, das der Angreifer unbemerkt an den Metalldetektoren der Polizeipräfektur vorbeischleuste.

Der Übersetzer Emery Siamandi hielt sich zur Tatzeit in der Polizeipräfektur auf und wurde Zeuge des Angriffs. Er wurde anschließend von verschiedenen lokalen Medien zum Tathergang befragt. "Ich habe Schüsse gehört und dann gesehen, wie der Mann, der geschossen hat, weinend auf dem Boden kniete. Da wusste ich, dass etwas Schlimmes passiert ist." Es gab in Frankreich bisher keinen vergleichbaren Fall, in dem ein Polizist seine Kollegen angreift und tötet.

Über das Motiv des Angreifers lagen zunächst keine Erkenntnisse vor. Die Ermittler gaben am Donnerstagnachmittag an, dass "interne Konflikte" als Motiv untersucht würden. Am Donnerstag war eine Hausdurchsuchung der Wohnung des Täters angeordnet worden, seine Frau wurde in Polizeigewahrsam genommen. Denis Jacob, Generalsekretär der Polizeigewerkschaft CFDT sagte in einem Interview mit dem Fernsehsender BFM, dass es sich auch um eine Tat handeln könne, die "die Malaise" der Polizei zeige. "Wir klagen seit Jahren darüber, dass es innerhalb der Polizei keine ausreichende Hilfe für Kollegen in psychischen Krisen gibt", so Jacob.

Am Mittwoch waren in Paris Tausende Polizisten auf die Straße gegangen, um an einem sogenannten "Marsch der Wut" teilzunehmen. Laut Polizeigewerkschaften beteiligten sich 27 000 Beamte an der Demonstration. Der Protestzug wurde von 52 Polizisten angeführt, die weiße Masken trugen. Diese Masken sollten die 52 Beamten symbolisieren, die sich seit Beginn des Jahres das Leben genommen hatten. In Frankreichs Polizei liegt die Suizidrate seit Jahren über dem nationalen Durchschnitt.

Seit 20 Jahren hatte es keine so großen Protest der Polizisten gegeben wie am Mittwoch. Die Beamten forderten bessere Arbeitsbedingungen und weniger Überstunden. Innenminister Castaner hatte im April dieses Jahres eine spezielle Notfallstelle für suizidgefährdete Polizisten eingerichtet. Er kündigte außerdem an, 1400 neue Stellen schaffen zu wollen, um die Beamten zu entlasten.

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