Süddeutsche Zeitung

Paraguay:Ende einer langen Suche

Monatelang haben zwei Deutsche nach ihren Töchtern gesucht, ihre ausgewanderten Ex-Partner hatten die Kinder mit nach Paraguay genommen. Jetzt hat das untergetauchte Paar sich gestellt - nach ausführlichen Verhandlungen.

Von Moritz Geier

Eine Frau, die ein Kind umarmt, daneben ein Mann, der sich zu einem zweiten Kind hinunterbeugt, den Arm auf dessen Schulter. Das ist das Bild, mit dem diese lange Flucht ihr vorläufiges Ende findet. Das Foto hat die paraguayische Zeitung ABC Color veröffentlicht, die zwei Erwachsenen und die zwei Kinder sind nur von hinten oder von der Seite zu sehen, sie stehen neben einem Auto voll mit gepackten Koffern. Es ist ein Abschiedsbild.

Andreas und Anna Egler haben sich am Donnerstag in der paraguayischen Stadt Encarnación der Polizei gestellt. Lange war nach ihnen gefahndet worden, nach ihnen und ihren jeweiligen Töchtern, Clara und Lara, zehn und elf Jahre alt, beides Kinder aus erster Ehe. Das Paar aus dem Querdenker-Spektrum war mit den Mädchen nach Paraguay ausgewandert, ohne das abzusprechen mit den anderen Elternteilen, die beide in Deutschland leben. Monatelang mussten Laras Vater und Claras Mutter, Filip Blank und Anne Reiniger, nach ihren Kindern suchen.

Im Touristenort Ruinas de Trinidad in der Nähe der Stadt Encarnación haben die Eglers die Mädchen nun an die Behörden übergeben, das Abschiedsfoto muss kurz davor entstanden sein. Polizei war da noch keine dabei, die Kinder sollten nicht traumatisiert werden, berichtet der Spiegel. Ihnen geht es offenbar gut, auch wenn eine genauere medizinische Untersuchung noch aussteht.

Gegen Andreas und Anna Egler lag nach Angaben der paraguayischen Staatsanwaltschaft ein über die internationale Polizeibehörde Interpol verbreiteter Haftbefehl vor. Die beiden sind in zweiter Ehe miteinander verheiratet, nach Paraguay waren sie mit den Kindern im November vergangenen Jahres gezogen. Bei Claras Mutter hinterließen sie nur einen Abschiedsbrief. In Deutschland gebe es keine Zukunft mehr für die Mädchen, schrieben sie Reiniger zufolge, gegen das Coronavirus wollten sie sich auf keinen Fall impfen lassen. In Deutschland, so ihre Befürchtung, würden bald gar "bürgerkriegsähnliche Zustände" ausbrechen.

Kontaktaufnahme via Messenger

Mehr als ein halbes Jahr hatten die beiden zurückgelassenen Eltern dann keinerlei Kontakt zu den Flüchtigen und den Kindern, nicht mal ein Lebenszeichen gab es. Irgendwann reisten Filip Blank und Anne Reiniger selbst nach Paraguay und suchten dort wochenlang auf eigene Faust nach ihren Töchtern, auch aktuell befinden sie sich in dem südamerikanischen Land. Eine Spezialeinheit für Entführungsfälle nahm Ermittlungen auf, tat sich aber lange schwer - auch, weil die deutsche Community im Land kaum kooperierte. Andere ausgewanderte Impfgegner deckten offenbar die Flüchtigen.

Am Montag vergangener Woche wandte sich Anne Reiniger dann in einem öffentlichen Hilferuf an die Bevölkerung und auch direkt an den Vater ihrer Tochter. "Andreas, beende diese fürchterliche Situation", sagte sie auf einer Pressekonferenz mit Anwälten und Vertretern der paraguayischen Staatsanwaltschaft. Ein paar Tage später dann endlich ein erster kleiner Schritt: Die Eglers nahmen verschlüsselt Kontakt über einen Messengerdienst auf.

"Die freiwillige Aufgabe von Herrn und Frau Egler schließt die konstruktiven Verhandlungen der vergangenen Tage ab", schreiben die Anwälte der beiden suchenden Eltern nun in einer Pressemitteilung. In vielen Gesprächen sei die Erkenntnis gereift, "dass eine Beendigung der Flucht die einzige Option darstellt - insbesondere für das Kindeswohl", heißt es darin. Reiniger und Blank, die aus Essen und München kommen, hätten mit ihren Kindern erstmals telefonieren können. Dann habe man in "fruchtbaren Gesprächen" die Modalitäten für ein Ende der Flucht ausgehandelt, also jene Abmachungen getroffen, unter welchen sich die Eglers freiwillig stellen würden.

Die Anwälte gehen jetzt davon aus, dass die Kinder und das Auswanderer-Paar bald nach Deutschland überstellt werden, wenn die Ermittlungen in Paraguay abgeschlossen sind. Andreas und Anna Egler hätten sich bereit erklärt, nach Deutschland zu reisen, "wo sie sich auch den deutschen Verfahren aktiv stellen wollen". Gut möglich also, dass der Fall bald vor einem deutschen Gericht landen wird.

Mit Material der Deutschen Presse-Agentur.

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