Abtreibungs-Werbeverbot:SPD will Abstimmung ohne Fraktionszwang

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Eine Demonstrantin zeigt sich solidarisch mit der verurteilten Ärztin Kristina Hänel. (Foto: Boris Roessler/dpa)
  • Die SPD hat ihren Gesetzentwurf zur Streichung des Paragrafen 219a zurückgezogen und will nun einen fraktionsübergreifenden Kompromiss erarbeiten.
  • Sollte der nicht zustande kommen, strebt die Partei eine Abstimmung ohne Fraktionszwang an.
  • Die Union lehnt eine solche Gewissensfrage ab.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Grüne, Linke und die FDP wollen den umstrittenen Strafrechtsparagrafen 219a abschaffen oder zumindest abmildern. Er verbietet Ärzten, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben. Entsprechende Gesetzentwürfe haben die Fraktionen am Donnerstag in den Bundestag eingebracht. Während Grüne und Linke den Paragrafen ganz aus dem Strafgesetzbuch streichen möchten, plädierte die FDP in einer Parlamentsdebatte am Donnerstagabend dafür, dass nur noch "grob anstößige" Werbung bestraft werden soll.

Bislang steht auch Reklame unter Strafe, die jemand - so formuliert es das Gesetz - "seines Vermögensvorteils wegen" publiziert. Gegner von Schwangerschaftsabbrüchen nutzten diese Regelung, um Hunderte Ärzte anzuzeigen, die auf ihren Webseiten Frauen über den Eingriff informieren. So sagt einer der aktivsten Abtreibungsgegner Deutschlands, Klaus Günter Annen aus Baden-Württemberg, er habe seit 2001 mehr als 400 Ärzte nach §219a angezeigt.

Während in vielen Fällen die Ermittlungen eingestellt wurden, hat das Amtsgericht Gießen die Allgemeinärztin Kristina Hänel im vergangenen Jahr zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt. Daraufhin hatten im Dezember mehrere Bundesländer dem Bundesrat einen Gesetzesantrag vorgelegt, der den §219a aufheben soll.

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Auch die SPD-Bundestagsfraktion hatte erst vor zwei Monaten in einem Gesetzentwurf beschlossen, den Paragrafen ersatzlos zu streichen. "Der Schwangerschaftsabbruch ist eine medizinische Leistung für Frauen in einer Notlage", hieß es in dem Papier: "Darüber müssen Ärztinnen und Ärzte sachlich informieren dürfen, ohne sich der Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen."

Nun aber, wo die Koalitionsbildung mit CDU und CSU näher rückt, haben sich die Sozialdemokraten umentschieden. Sie wollen ihren Entwurf erst einmal nicht in den Bundestag einbringen. Man setze "auf Gespräche mit CDU/CSU, Grünen, Linken und FDP", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Eva Högl, "um fraktionsübergreifend eine Lösung zu erarbeiten, die im Deutschen Bundestag eine Mehrheit findet". Sollte am Ende kein Kompromiss zustande kommen, seien allerdings "Gruppenanträge" vorstellbar, sagte Högl.

Solche Gruppenanträge waren bereits in der Vergangenheit für die Bundestagsfraktionen ein Ausweg aus ethisch heiklen Entscheidungen. So waren die Abgeordneten etwa bei der Abstimmung zur Sterbehilfe-Gesetzgebung von ihrem Fraktionszwang befreit worden und konnten sich frei nach ihrem Gewissen positionieren. Damals hatte auch die Union dieses Vorgehen befürwortet. Heute allerdings lehnen CDU und CSU eine Gewissensfrage ab. Die rechtspolitische Sprecherin der Fraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, sagte: "Es geht um ein Werbeverbot für Ärzte, das ist keine Gewissensentscheidung." Die Fraktion wolle auch künftig an dem "ausgewogenen Regelungskonzept" festhalten, so wie es im Strafgesetzbuch steht: "Menschenwürde und Lebensrecht stehen dem Ungeborenen von Anfang an zu und begründen eine Schutzpflicht des Staates."

Auch die Frauenunion in der CDU hat sich für die Beibehaltung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche ausgesprochen. An dem Gesetz dürfe nicht gerüttelt werden, warnte deren Vorsitzende Annette Widmann-Mauz.

Die Linke rief die SPD auf, auch gegen den Willen der Union den Weg für eine Abkehr von dem bisherigen Paragrafen 219a frei zu machen. Linken-Fraktionsvize Cornelia Möhring sagte, die SPD solle "sich nicht der ablehnenden und rückwärtsgewandten Position von CDU/CSU und AfD anschließen, sondern sich für die Informationsfreiheit von Frauen stark machen".

Die AfD verurteilt es ihrem Grundsatzprogramm zufolge generell, "Abtreibungen zu bagatellisieren, staatlicherseits zu fördern oder sie gar zu einem Menschenrecht zu erklären".

© SZ vom 23.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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