Papua-Neuguinea:Boxerin löst Grundsatzdebatte über häusliche Gewalt aus

Als Debbie Kaore von ihrem Partner brutal verprügelt wird, stellt die preisgekrönte Sportlerin aus Papua-Neuguinea ein Video davon ins Internet. Die Diskussionen darüber könnte einen Wendepunkt markieren.

Von Arne Perras, Singapur

Um den Kopf hat sie einen dicken weißen Verband gewickelt, die linke Gesichtsseite und das Kinn sind zugepflastert, ebenso ein Oberschenkel. Die Boxerin und Rugby-Spielerin Debbie Kaore aus Papua-Neuguinea hat es schlimm erwischt, wie Bilder auf Facebook und in australischen Medien zeigen. Nur dass dies kein Sportunfall auf dem Spielfeld war. Kaore hat einen brutalen Angriff in ihren eigenen vier Wänden erlitten.

Der mutmaßliche Täter ist jener Mann, mit dem sie zusammenlebt und ein zwei Monate altes Kind hat. "Ich bin einfach nur glücklich, dass ich lebend davongekommen bin", sagte die Sportlerin, nachdem Ärzte ihre Wunden genäht und die Brandwunden verbunden hatten. Der Angreifer quälte sie mit einem heißen Bügeleisen.

Kaores Fall ist nun auch über die Grenzen Papua-Neuguineas bekannt geworden, weil der regionale Sportstar ein Video freigegeben hat, auf dem die Tat zu sehen ist. Offenbar filmte ein Familienmitglied, was sich bei Debbie Kaore zu Hause zutrug, als ihr Partner, ein Leutnant der Streitkräfte, handgreiflich wurde. Er ist ein kräftiger Mann, gut einen Kopf größer als Kaore. Zu sehen ist, wie er zweimal brutal mit seinem Kopf zustößt. Außerdem schwingt er das Bügeleisen, mit dem er Debbie Kaore durchs Haus jagt.

Der mutmaßliche Peiniger ist inzwischen verhaftet und wegen Körperverletzung angeklagt. Die Bilder, die Freunde mit Kaores Zustimmung über soziale Medien verbreiteten, zeigen Verbrechen, denen Frauen auf allen Kontinenten ausgesetzt sind. Doch nirgendwo scheinen diese Abgründe tiefer zu sein als in diesem pazifischen Inselstaat, kurz PNG genannt. Zwar fehlen neueste Daten, doch staatliche Untersuchungen legten schon in den 90er-Jahren erschreckende Ausmaße nahe. Damals gaben 66 Prozent der Männer an, ihre Frauen zu schlagen; und 67 Prozent der Frauen bestätigten, dass sie zu Hause Prügel erleiden.

Der Staat ist schwach. Erst seit 2013 gibt es ein "Gesetz zum Schutz der Familie", das solche Übergriffe unter Strafe stellt und helfen soll, Opfer zu schützen. Das ist ein Anfang. Aber Straflosigkeit ist weit verbreitet. Clans auf Papua-Neuguinea orientieren sich immer noch an einer Art Gewohnheitsrecht, aus dem sie ableiten, dass Männer Frauen züchtigen dürfen. Und der Staat lässt es oft geschehen.

"Viele Polizisten betrachten Gewalt gegen Frauen als gerechtfertigt, wenn sie ihre Ehemänner verärgert haben oder nicht deren Bedürfnisse erfüllen", heißt es auch in einem Papier "Gender Analysis" der Weltbank.

Wer Gewaltexzesse in Papua-Neuguinea verstehen will, muss einerseits erkunden, welche archaisch anmutenden Vorstellungen über Jahrhunderte hier tradiert wurden. Andererseits provoziert gerade der rapide Wandel in diesem Land, wo multinationale Konzerne nach Gold und anderen Schätzen schürfen und wo die Korruption schwer beherrschbar erscheint, eine wachsende Orientierungslosigkeit und Frustration bei vielen Menschen. Ihr Leben mäandert zwischen dem Erbe der Steinaxt und immer neuen Versionen ihres Smartphones hin und her. Wo Alkohol und Arbeitslosigkeit hinzukommen, führt das zu einer extremen Enthemmung bei Männern, die ihre traditionellen Rollen nicht mehr ausfüllen können.

Heimische Kultur keine Rechtfertigung

Zu spüren bekommen das dann besonders Frauen in ihrer Nähe. Was den Partner der bekannten Rugby-Spielerin in Rage brachte, ist unklar. Frust über Arbeitslosigkeit konnte es kaum sein, denn bis zu seiner Verhaftung war er Leutnant beim Militär. Die Armee hat die Tat schnell verurteilt, und der Premier appellierte an alle, sich nicht auf die heimische Kultur zu berufen, um Prügel für Frauen zu rechtfertigen. Doch das klang eher hilflos und abgehoben von der Misere, die Frauen im Land niederdrückt.

Ob der Fall Kaore einen Wendepunkt markieren wird? Neu daran ist, dass Frauen es wagen, häusliche Verbrechen öffentlich anzuprangern, sie fordern jetzt Schutz ein - und Strafe für die Täter. Noch aber weiß niemand, ob dies einen breiten Wandel einleitet. Manche sind skeptisch. Die Ethnologin Fiona Hukula vom PNG National Research Institute beobachtet zwar, dass immer mehr Gewaltexzesse über soziale Medien bekannt würden, aber dass sie dann doch wieder schnell vom Radar verschwinden. Nötig seien ein stärkeres Engagement des Staates und mehr Mittel, damit Frauen Schutz und Hilfe in Anspruch nehmen können, sagte sie dem australischen Sender ABC.

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