Vereinigte Arabische Emirate:Der schöne Schein der Toleranz

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Scheich Ahmed al-Tajjib, Großimam der Al-Azhar-Universität in Kairo, Scheich Muhammad bin Raschid Al Maktum, Emir von Dubai und Premierminister der Vereinigten Arabischen Emirate, und Papst Franziskus am Abend in Abu Dhabi. (Foto: dpa)

Der Papst feiert in Abu Dhabi eine Open-Air-Messe. Es dürfte das größte christliche Ereignis in der Geschichte der Emirate sein. Doch die beim Franziskus-Besuch von den Gastgebern zur Schau gestellte Weltoffenheit ist wohlkalkuliert.

Kommentar von Dunja Ramadan

Als Papst Franziskus auf den wuchtigen Präsidentenpalast in Abu Dhabi zufährt und sich wenig später aus dem kleinen südkoreanischen Auto zwängt, ist das für die lokale Presse eine Schlagzeile wert: Bescheidenheit ist hier eine Sensation. Die Vereinigten Arabischen Emirate setzen auf Superlative; alles muss größer, teurer, besser sein als anderswo. Dafür schuften täglich etwa acht Millionen Arbeitsmigranten, die einfachen Hilfsarbeiter aus Südostasien, oft unter unmenschlichen Bedingungen. Sie leben in einer Schattenwelt, in Stadtvierteln, die aussehen wie Mumbai oder Manila, weit weg von den Großbaustellen, zu denen sie täglich in Bussen gekarrt werden. Ihre Familien sehen sie oft jahrelang nicht, je nachdem, wann der Arbeitgeber den Pass herausrückt. Ungefähr 900 000 dieser Migranten sind Christen.

Zum ersten Mal besucht nun ein Papst die arabische Halbinsel - er will die Religionen zum Dialog für den Frieden aufrufen. In der Region ist der Frieden meist von kurzer Dauer. Kronprinz Mohammed bin Zayed, des Papstes Gastgeber, ist einer der führenden Strippenzieher im Jemenkrieg, den die Vereinten Nationen als schwerste humanitäre Krise der Gegenwart einstufen.

Die Emirate kämpfen an der Seite Saudi-Arabiens gegen die schiitischen Huthi-Rebellen. Vor seiner Abreise schon hatte Papst Franziskus den Kriegsparteien ins Gewissen geredet - und auch am Montagabend forderte er ein Ende des Krieges in Jemen und in Syrien. Franziskus hat sich nicht vom glitzernden Schein blenden lassen. Das dürfte den Scheichs am Golf nicht passen. Denn kaum etwas beherrschen sie so gut, wie den schönen Schein aufrechtzuerhalten. Das gilt auch für das Verhältnis zu den Christen im Land.

In den Emiraten gibt es keine Religionsfreiheit im Sinne westlicher Demokratien - aber immerhin gibt es Kirchen im Land, religiöse Minderheiten dürfen Gottesdienste feiern und Kirchen oder Tempel bauen. Die Open-Air-Messe, die der Papst am Dienstag in Abu Dhabi mit 130 000 Gläubigen feiern möchte, dürfte das größte christliche Ereignis in der Geschichte des Landes werden. Anders als in Europa, wo jeder geplante Moscheebau eine Bürgerinitiative hervorbringt, haben die Einheimischen nichts gegen die Christen. Die machen ja auch oft die Arbeit, die sie selbst nicht machen wollen.

Die nun mit großem Glanz zur Schau gestellte Toleranz ist also durchaus eigennützig. Kaum ein Golfstaat setzt so konsequent auf westliche Touristen wie die Emirate. Die 21 Millionen Reisenden, die Jahr für Jahr kommen, dürfen sich in knapper Bademode sonnen - wenige Meter weiter ruft der Muezzin zum Gebet. Der Schein ist so überzeugend, dass Touristen leicht vergessen können, wo sie sich gerade befinden. Die Emirate sind ein autokratisch regiertes Land. Unliebsame Kritiker werden willkürlich verhaftet und eingesperrt - gedeckt durch ein weitreichendes Antiterrorgesetz. Die Regierenden in Abu Dhabi wissen sich gegenüber dem Westen gut zu verkaufen.

Auch hier hat der Papst auf das Schicksal der Armen und Gebeutelten aufmerksam gemacht. Niemand könne "der Herr oder Sklave anderer sein", verkündete er. Er sprach hinein in die anbrechende Dunkelheit, hinter ihm wachte das pompöse Denkmal der Gründungsväter von Abu Dhabi. Ob er von deren Erben erhört wird, ist eine andere Frage.

© SZ vom 05.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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