Panzer im Keller:Schützenfest

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Ein Flakgeschütz, ein Torpedo und ein Panzer: Die Bundeswehr hat aus einem Keller in Norddeutschland eine Sammlung an Kriegsgerät geborgen. Der Besitzer ist sauer.

Von Roman Deininger und Friederike Zoe Grasshoff

Heikendorf ist ein lauschiges Seebad, die Gemeinde windet sich das Ostufer der Kieler Förde entlang, ein paar Buchten, Strände, gut 8000 Einwohner. Heikendorf ist klein genug, dass eigentlich keiner etwas tun kann, ohne dass es ein anderer mitkriegt. Und natürlich haben die Heikendorfer über all die Jahre auch mitgekriegt, was Klaus-Dieter F. so tut. Sie haben es nur nicht an die große Glocke gehängt. Man habe, sagt Bürgermeister Alexander Orth, halt einfach gewusst, dass der Rentner "eine gewisse Leidenschaft für bestimmte Dinge" hat.

Es wunderte also niemanden in Heikendorf, wenn F. mit einem alten Kettenfahrzeug durch den Ortsteil Kitzeberg fuhr. Oder mit einem Schwimmwagen aus den frühen 1940ern hinaus auf die Förde. Wenn er Baumstümpfe mit einem kleinen Panzer aus der Erde zog. Es wunderte sogar niemanden, wenn der Besucher, der bei F. eine Ladung Torpedos abholte, ein Hakenkreuz am Hals trug, wie eine Anwohnerin nun berichtet. Klaus-Dieter F., 78, hat eben eine gewisse Leidenschaft für bestimmte Dinge: Weltkriegswaffen.

Eines dürfte die Heikendorfer bei so viel Gelassenheit gegenüber der Sammelleidenschaft von Klaus-Dieter F. dann doch gewundert haben: Dass die Bundeswehr gleich mit zwei Bergungspanzern vor der mit Stacheldraht umzäunten Villa anrückte, um im Hobbykeller des ehemaligen Finanzmaklers mal ordentlich aufzuräumen. Die Ermittler stießen auf ein ziemlich gut sortiertes Waffenlager: ein Torpedo, mehrere Handfeuerwaffen, ein Maschinengewehr, ein 8,8-Zentimeter-Flakgeschütz - und einen Wehrmachtspanzer, laut F.'s Anwalt Peter Gramsch das "Herzstück der Sammlung". Typ Panther, zwei Meter breit, fünf Meter lang, 43 Tonnen schwer.

Und weil so ein Herzstück ja nicht umsonst Herzstück genannt wird, gestaltete sich der Abtransport am Donnerstag dann auch ziemlich schwierig: Ein Bundeswehrsprecher nannte die Operation eine "pioniertechnische Herausforderung", ja "Zentimeterarbeit". Mit Hilfe von zwei Bergepanzern sei der Wehrmachtspanzer über mehrere Kellerebenen hinweg durch eine S-Kurve manövriert worden, um schließlich über eine eigens angefertigte Holzrampe ins Freie zu gelangen. Nach elf Stunden Zentimeterarbeit wurde der Panzer schließlich zum Truppenübungsplatz in Putlos gebracht.

Was nun über die Grenzen von Heikendorf hinaus für Aufregung sorgt, war im Ort über Jahrzehnte hinweg nicht weiter der Rede wert. Nach Angaben von Anwalt Gramsch stand der Wehrmachtspanzer bereits seit 1977 im Heikendorfer Hobbykeller. "Das wusste jeder im Ort." Sein Mandant habe das recht heruntergekommene Gefährt in England gekauft und dann in seiner Freizeit daran herumgeschraubt. Nun wisse sein Mandant einfach nicht, was er eigentlich falsch gemacht habe, sagt Gramsch. Natürlich pflege F. da ein schrilles Hobby, das sei ihm bewusst, und ja, der ganze Fall klinge skurril. Klaus-Dieter F. sei aber weit davon entfernt, "dass irgendwelche Wehrsportgruppen in seinem Garten trainieren oder dass er gar der rechten Szene angehört", wie es Gerüchte vermuten ließen. "Er ist reiner Militarier."

Die Kieler Staatsanwaltschaft jedenfalls ermittelt jetzt gegen den 78-Jährigen wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Ein Fall, der zumindest an Heikendorfer Verhältnisse erinnert, hat in Deutschland bereits zu einer harten Strafe geführt: 2012 wurde ein Rentner in Hessen (Medien-Spitzname "Pulver-Kurt") zu dreieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt, weil sein illegales Waffen- und Sprengstofflager eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellte.

Auf Klaus-Dieter F. waren Polizei und Staatsanwaltschaft im Zuge von Ermittlungen um wiederaufgetauchte Kunst aus der Nazi-Zeit aufmerksam geworden. Es ging um eine Statue mit dem Titel "Die Wehrmacht" von Arno Breker, die im Garten der Waffen-Villa steht. "Das ist aber eine Kopie", sagt Rechtsanwalt Gramsch. F. hatte dem Spiegel bereits im Mai bestätigt, er habe eine große Sammlung in einem unterirdischen Bunker - "aber keine Kunst". Alle Waffen habe er ordnungsgemäß angemeldet. Oberstaatsanwältin Birgit Heß hingegen sagt, der Staatsanwaltschaft liege keine Genehmigung vor, die den Mann zum Besitz der beschlagnahmten Objekte berechtige. Die Ermittler seien eigens mit einem externen Gutachter nach Heikendorf gekommen, der nun zu beurteilen hat, ob Panzer, Torpedo, Flakgeschütz und weitere Waffen, auf die Heß nicht im Detail eingehen wollte, nun unter das besagte Gesetz fallen oder nicht. Dies zu beurteilen sei in der Tat "ziemlich kompliziert". Letztlich ginge es dann auch um die Frage, ob das Militärgut funktionstüchtig sei oder kurzfristig funktionstüchtig gemacht werden kann. "Es kommt darauf an, ob die Waffen tatsächlich unbrauchbar gemacht wurden." Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft würden noch Wochen dauern, so Heß.

Es geht nun um die Frage, ob das Militärgut noch funktionstüchtig ist

Anwalt Gramsch bezeichnet den Einsatz als "unverhältnismäßig", sowohl der Panther als auch das Flakgeschütz seien "demilitarisiert", die Gerätschaften stellten also keine Gefahr dar und fielen deswegen auch nicht unter das Kriegswaffenkontrollgesetz. Es gebe sogar eine Bescheinigung des Kreises Plön vom 31. Oktober 2005, wonach der Panzer seine "Kriegswaffeneigenschaft" verloren habe.

Gramsch will nun rechtliche Schritte gegen die Beschlagnahmung einleiten und Schadensersatz für seinen Mandanten fordern. Er sagt: "Ich gehe davon aus, dass der Panzer bei der Aktion beschädigt worden ist." Ein Bundeswehr-Sprecher weist den Vorwurf mit feinkalibriger Wortwahl zurück: Der Panzer sei "so gut wie nicht beschädigt" worden.

© SZ vom 04.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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