Das Swat-Tal zählt zu den großen Naturschönheiten Pakistans, die Region ist allerdings erst durch Malala weltbekannt geworden, die junge pakistanische Nobelpreisträgerin. Sie ging dort einst zur Schule, bevor sie nur knapp einen Angriff islamistischer Terroristen überlebte. Ums Überleben geht es auch in diesen Tagen wieder im Swat-Tal: Reißende braune Fluten donnern aus dem Gebirge hinunter und verschlucken alles, was auf dem Weg liegt. Auf Twitter teilen Augenzeugen Clips von monströsen Wassermassen, die Häuser und Straßen unterspülen. Die Zeitung Express Tribune meldete in der Bergregion Khyber Pakhtunkhwa am Freitag zwölf Tote, die meisten seien unter zusammenbrechenden Häusern gestorben, hieß es.
Jeder Tag bringt neue Opfer. Der Staat hat jetzt den Notstand ausgerufen. Seit Beginn der heftigen Regenfälle im Juni sind in dem Land bereits nahezu 1000 Menschen in mehreren Regionen ums Leben gekommen, darunter 343 Kinder. 170 000 Häuser sind zerstört, 150 Brücken beschädigt oder fortgerissen. Am Freitag appellierte Premierminister Shahbaz Sharif an die Weltgemeinschaft, dem südasiatischen Land zu Hilfe zu kommen, der Staat ist überfordert. Millionen Notunterkünfte müssen errichtet werden, nach offiziellen Angaben sind 33 Millionen Pakistaner von den Fluten betroffen, etwa jeder siebte Bewohner des Landes.
Der Monsun hatte in diesem Jahr früher als gewöhnlich begonnen, die Ministerin für Klimawandel, Sherry Rehman, sprach von einem "Desaster von epischem Ausmaß". Das pakistanische Fernsehen zeigte Bilder, wie sich Menschen durch hüfthohes Wasser kämpfen, in einem Video der Agentur AFP steuert ein junger Mann in Fazilpur sein schwimmendes Holzbett wie ein kleines Floss durchs Wasser; ein paar Decken und eine Kiste hat er gerettet, viel mehr hat er nicht mehr bei sich.
Besonders hart hat es die Provinzen Punjab, Sindh und auch Belutschistan getroffen, wo Reporter des Senders Al Jazeera diese Woche Bewohner sprechen konnten. Der 59-jährige Haji Abdul Razzaq aus dem Distrikt Killa Abdullah erzählt, wie die reißende Flut sein Haus zerstörte. "Die Familie muss jetzt unter offenem Himmel schlafen", sagt er, und sie wissen alle nicht, wann sie mit Hilfe rechnen können.
Politiker spielten lieber ihr "Game of Thrones"
Während Spitzenpolitiker aller Parteien ausschwärmten, um sich als Fluthelfer öffentlich zu inszenieren, übte der Kolumnist Zahid Hussain scharfe Kritik. Dass die Politiker während eines solchen Desasters lieber "Game of Thrones" spielten und sich in Machtkämpfen verstrickten, nannte er "mehr als surreal". Eine koordinierte nationale Antwort auf die Katastrophe könne er jedenfalls nicht erkennen.
Mit voller Wucht treffe es auch die Landwirtschaft, warnt Hussain, der bereits hoch verschuldete Staat wird nun enorme Kosten tragen müssen, um zerstörte Straßen und Ortschaften wieder aufzubauen. Hussain kritisiert, dass der Staat, trotz früherer ähnlicher Katastrophen, kaum vorbereitet sei. Die Flut trifft die Bevölkerung in einer ohnehin prekären Zeit, Pakistan verzeichnet mit nahezu 25 Prozent eine der höchsten Inflationsraten in Asien.
Obgleich der Monsun saisonal immer wiederkehrt, rücken die erlebten Extreme nun auch das Thema Treibhausgase stärker in den Blick: In einem Editorial der Zeitung Dawn heißt es: "Der Klimawandel ist keine abstrakte Warnung von Schwarzsehern, das Klima hat sich gewandelt - und uns völlig unvorbereitet erwischt." Pakistan zählt zu jenen Ländern, die eher wenig zur globalen Produktion von Treibhausgasen beitragen - unter einem Prozent. Doch das Land mit seinen 230 Millionen Einwohnern wird von den Folgen besonders hart getroffen, nicht nur wegen der Fluten, sondern auch wegen steigender Temperaturen, die neue Hitzerekorde in Südasien verursachen.
Jetzt, da so viel Wasser die Bergtäler hinunterdonnert, müssen die ohnehin schon überfluteten Ebenen in den Provinzen Sindh und Belutschistan damit rechnen, dass ihnen das Schlimmste erst noch bevorsteht.