Pädophile in US-Freizeitparks:"Wo Kinder sind, da sind auch Kinderschänder"

Disney-Park in Orlando

Schöne Fassade? Das Schloss von Aschenputtel in Disneyworld bei Orlando. In einigen Parks sollen laut CNN kriminelle Pädophile gearbeitet haben.

(Foto: Disneyworld/dpa)

"Wo Träume wahr werden" - mit diesem Slogan wirbt der Disney-Konzern. Dass dies auch schreckliche Träume betrifft, wird jetzt klar: In den vergangenen acht Jahren wurden mehr als 40 Mitarbeiter von Freizeitparks in den USA wegen Kindesmissbrauchs und Kinderpornografie festgenommen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es sollen die fröhlichsten Orte der Welt sein. Wer das Disneyland südlich von Los Angeles besucht, der sieht am Eingang eine Plakette, auf der steht: "Hier verlässt du das Heute und betrittst die Welt von gestern, morgen und der Phantasie." In der Filiale im Bundesstaat Florida gibt es einen ähnlichen Hinweis, bei der Zufahrt zu Disneyworld bekommt der Besucher mitgeteilt: "Wo Träume wahr werden."

Einem Bericht des Fernsehsenders CNN zufolge hatten zahlreiche Mitarbeiter von Freizeitparks andere Träume und Phantasien, als Donald Duck zu treffen, mit einer rasanten Achterbahn zu fahren oder sich als Prinzessin zu verkleiden. Seit 2006 sind 42 Mitarbeiter amerikanischer Vergnügungsparks wegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie festgenommen worden - 35 davon haben in Parks von Disney gearbeitet, fünf bei den Universal Studios und zwei bei Seaworld.

Disney-Mitarbeiter gesteht Sex mit 15-Jährigem

In dem Bericht ist etwa der 40 Jahre alte Allen Treaster zu sehen, wie er Anfang Juli von der Polizei verhaftet und anschließend verhört wird. Er hatte versucht, sich mit einem 14 Jahre alten Jungen zu treffen, laut der sichergestellten Textnachrichten hatte er sich damit "eine Phantasie erfüllen" wollen. Nur: Der Junge, mit dem er zu schreiben glaubte, war in Wahrheit ein verdeckter Ermittler. Treaster wurde festgenommen, als er zur vermeintlichen Verabredung mit dem Minderjährigen erschien. Bei der Vernehmung gab er zu, wenige Wochen vor der Verhaftung Sex mit einem 15-jährigen Jungen gehabt und von dessen Alter vor dem Treffen gewusst zu haben. Treaster arbeitete bei Disney zunächst bei der Attraktion um den Film "Toy Story" und später als Concierge im Hotel Animal Kingdom Lodge.

Die Aufregung ist immens in den Vereinigten Staaten, weil wohl niemand die Begriffe Pädophilie und Freizeitpark in einem Satz hören möchte - doch genau das sind die Überschriften, die nun in Zeitungen und auf Internetseiten zu finden sind.

Freizeitparks als Tummelplatz für Pädophile - eine Horrorstory?

Vor allem ein Aussage des Polizisten Grady Judd erregt die Gemüter. Er war unter anderem an der Verhaftung von Treaster beteiligt und sagt: "Wo Kinder sind, da sind auch Kinderschänder. Die Menschen arbeiten bei Disney, weil sie einen guten und sicheren Job bei einem großartigen Unternehmen haben wollen, aber es gibt auch wenige, die deshalb dort sind, um Kinder zu sehen. Sie können in dieser Kinderwelt leben." Freizeitparks als Tummelplatz für Pädophile, das klingt nach einer Horrorstory - doch so einfach ist es nicht.

Disney und die anderen Unternehmen müssen nun einen Skandal verarbeiten, für den sie noch nicht einmal verantwortlich sind. Die einzelnen Verhaftungen stehen in keinem Zusammenhang zueinander, es gab keinen Missbrauch von Minderjährigen in einem der Freizeitparks. Die Angestellten hatten während ihrer Arbeitszeit oftmals keinen Kontakt zu Kindern, sie arbeiteten als Darsteller bei Paraden, als Mechaniker, an der Rezeption eines Hotels. Bei den beiden Fälle, die sich auf dem Gelände von Disney ereigneten, ging es um das Herunterladen und den Besitz von Kinderpornografie. Keiner der 42 Verhafteten - 32 davon sind mittlerweile verurteilt worden, bei den anderen laufen die Verfahren noch - war vor der Anstellung bei einem der Park-Betreiber als möglicher Sexualstraftäter auffällig geworden.

Disney will Bewerber besser überprüfen

"Wir nehmen unsere Verantwortung sehr ernst, Kindern und Familien eine sichere Umgebung zu bieten", heißt es in einem Statement von Disney: "Die Zahlen in dem Bericht von CNN zeigen 0,01 Prozent der Menschen, die wir in diesem Zeitraum beschäftigt haben. Es gibt umfangreiche Maßnahmen, zu denen vor und während der Beschäftigung die Überprüfung der kriminellen Vergangenheit gehört, aber auch das Überwachen von Computer-Bildschirmen und das Einrichten von Firewalls." Auch in den Erklärungen von Universal und Seaworld ist von ausführlichen Überprüfungen vor der Anstellung potentieller Mitarbeiter die Rede.

Ein Anwalt, der bis vor Kurzem bei Disney angestellt war, bestätigt diese Aussagen: "Disney hat mit die strengsten Auflagen, wenn es um darum geht, Mitarbeiter zu beschäftigen. Das Unternehmen verhält sich absolut vorbildlich und überprüft mögliche Mitarbeiter ausführlich und im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten."

Genau darum geht es nun bei der Diskussion: Wie sollen Unternehmen herausfinden, ob es sich bei einem künftigen Mitarbeiter möglicherweise um einen Pädophilen handelt? Sollten ihnen womöglich mehr Rechte eingeräumt werden? Der 49 Jahre alte Robert Kingsolver etwa arbeitete als Mechaniker in Disneyworld, er überwachte die Reparaturen im Magic Kingdom. Er wurde verhaftet, als er sich mit einem 14-jährigen Mädchen treffen wollte. "Mein Leben ist ruiniert. Ich bin nicht das Monster, für das mich nun alle halten", sagte er zu CNN. Er habe das Mädchen nur beschützen wollen und bekenne sich deshalb nicht schuldig. Disney hat ihn sogleich entlassen. Der zweifache Vater war zuvor nicht auffällig geworden, er hatte noch nicht einmal einen Strafzettel für Falschparken bekommen.

Lügendetektoren in Bewerbungsgesprächen

Judd fordert deshalb, dass es Unternehmen wie Disney erlaubt sein sollte, bei Vorstellungsgesprächen einen Lügendetektor verwenden zu dürfen: "Es sollte die Möglichkeit geben, dass jeder, der mit Kindern arbeitet - ob in der Kirche, im Kindergarten oder bei Disney oder in einem anderen Freizeitpark -, einem Test mit dem Lügendetektor unterzogen wird." Das ist jedoch nach der aktuellen Gesetzgebung der USA nur wenigen Privatunternehmen gestattet. Der Abgeordnete Dennis Ross hat nun einen Gesetzesvorschlag eingereicht, der "Protecting Our Children Act" heißt und demzufolge der Einsatz von Lügendetektoren in Ausnahmefällen möglich wäre. "Bei Bewerbern, die regelmäßig mit unbeaufsichtigten Kindern zu tun haben", heißt es in dem Entwurf, der dem Repräsentantenhaus seit Ende Juni vorliegt.

Ernie Allen, Präsident des International Centre for Missing and Exploited Children, verteidigt Disney. Er könne sich nicht vorstellen, dass es ein Unternehmen gebe, das sich mehr um die Sicherheit von Kindern kümmern würde - gleichzeitig solle der Bericht als Warnung dienen: "Die Anzahl der Verhaftungen zeigen, dass es sich um eine wirkliche Bedrohung handelt. Es gibt Menschen, die ein sexuelles Interesse an Kindern haben." Bleibt die Frage, wie jemand wie Kingsolver überprüft werden soll - der nicht mit Kindern arbeitete, sondern für die Instandhaltung von Fahrgeräten verantwortlich war. Kinderschänder sind nicht nur da, wo Kinder sind. Sie können überall sein.

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