Out of Regensburg:Ein Mann auf Crash-Kurs

Der 40-jährige Oberpfälzer Guenter Simon gehört mittlerweile zu den besten Stuntmen in Hollywood - dank seinem Wagemut und dank Arnold Schwarzenegger.

Thomas Becker

Das Leben von Guenter Simon steckt in einer Ledermappe. Dunkelbraun, abgegriffen, Reißverschluss drumherum. Ein kleines Heiligtum. Drinnen, hinter Klarsichtfolien: akkurat sortierte Zeitungsausschnitte. Der älteste stammt aus den frühen Siebzigern: "Guenter Simon gewinnt das Sinzinger Fahrrad-Turnier. Der Meister auf zwei Rädern ist Gesamtsieger unter 90 Schulkindern."

Simon in Action

Simon in Aktion.

(Foto: Foto: oh)

Ein paar Jahre später sind die Haare länger geworden, die Fotos spektakulärer: Simon brennt wie eine Fackel, fliegt im hohen Bogen über Autos, stürzt aus Hochhäusern. Aus dem Oberpfälzer Rad-Champion ist ein Stuntman geworden - in Hollywood.

Simon hielt seinen Körper hin in Filmen mit Arnold Schwarzenegger, Bruce Willis oder jetzt gerade mit Tom Cruise in "Mission Impossible 3". Und wurde als erster Deutscher nominiert für den "Taurus World Stunt Award", den von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz gestifteten Oscar der Stunt-Männer.

Das Telefon stand nicht still, Kamera-Teams gaben sich die Klinke in die Hand - ein Trubel, den der 40-Jährige nicht gewohnt ist. Am meisten Bammel hatte er vorm Gewinnen. Dann hätte er auf der Bühne ein paar Worte sagen müssen - ein unangenehmer Job.

Viele seiner Kollegen lassen sich lieber von einem Auto anfahren als in die Kamera zu sprechen. Doch der öffentliche Auftritt bei der Preisverleihung auf dem Gelände der Paramount Studios in Hollywood blieb ihm erspart: Ein Kollege gewann in der Kategorie "Bester Feuer-Stunt", Simon blieb im Hintergrund. Die Mappe wird trotzdem ein bisschen wachsen.

Seit fast 20 Jahren lebt er in Los Angeles, mittlerweile in einem Häuschen nördlich von Malibu. Im Garten, neben dem kleinen Springbrunnen, steht seine Leidenschaft: Autos und Motorräder.

Im Geräteschuppen: das Mini-Motorrad des siebenjährigen Sohnes Brendan. Die Autos haben Guenter Simon nach Kalifornien gebracht: "Ich hab' zwar immer 'Colt Seavers' geschaut, aber Stuntman wollte ich wirklich nie werden", erzählt der gelernte Kfz-Mechaniker im wunderbarsten American Bairisch.

Nach der Lehre bei BMW in Regensburg macht er sich mit 18 selbständig, handelt mit Unfallwagen, kommt auf die Idee, ausgefallene Autos aus Amerika zu exportieren. Ein Bekannter in L.A. ist erste Anlaufstation, das Geschäft läuft prima, er jettet jahrelang hin und her, "irgendwann bin ich einfach da geblieben".

Eines Tages kauft er einem Stuntman zwei Autos ab: Es sollte der Beginn einer Hollywood-Karriere werden. Sie werden Freunde, Simon begleitet den Kumpel an den Set, lernt andere Stuntmänner kennen, produziert ein erstes B-Movie, findet aber immer mehr Gefallen an den Action-Szenen - und denkt sich bei den Auto-Stunts: Das kann ich auch.

Bei BMW hatte er gesehen, was mit Autos passiert, die gegen die Wand gedonnert sind: Die so genannte Fahrgastzelle bleibt heil. Also: Hosenträger-Gurte angeschnallt und rüber über die Rampe mit 70 Meilen. "Für die Amis war das viel. Für mich nicht. Wir sind ja in Deutschland andere Geschwindigkeiten gewöhnt."

Prompt fliegt er beim ersten Auto-Stunt weiter als alle anderen - und ist damit drin im Geschäft. Mit zehn hatte es damals das erste Moped gegeben, mit elf ist Simon beim alten Sägewerk nebenan zum ersten Mal Auto gefahren, der alte Fiat des Vaters ging nicht mehr durch den TÜV.

Im Jahr des Mauerfalls wird in Charlotte, North Carolina, ein Deutscher gesucht, der bei einer Motorshow mit einem 18 Tonnen schweren Schulbus über die zwei Meter hohe "Berliner Mauer" springt: Guenter Simons Flug geht um die Welt, er kassiert 30.000 Dollar, 200.000 Zuschauer jubeln, die Zahl der blauen Flecken wächst, die Ledermappe aber auch.

Doch an die großen Hollywood-Produktionen kommt er noch nicht ran. In Santa Monica ist er nun Stammgast im "Schatzi's", dem Promi-Restaurant von Schwarzenegger. "Jeden Mittag bin ich da reinmarschiert und hab' was gegessen. Und nicht immer nur das Billigste bestellt! Das haben die auch mitgekriegt."

Er kommt mit Schwarzenegger ins Gespräch, legt ihm irgendwann seine Mappe hin, und Arnie will ein Wort für ihn einlegen. Schon bei der nächsten Gelegenheit ist Simon dabei: In "Eraser" gehört er zum Stunt-Team. "Ich spiel' einen Russen, der erschossen wird. Aber wir sterben ja immer, das ist unser Job."

Es sind aber unschöne Drehtage: Der amerikanische Stunt-Direktor will den Deutschen rausekeln. Schwarzenegger interveniert, beim nächsten Film ist der Amerikaner raus und Simon immer noch drin.

Jetzt kommen die großen Filme: "Speed", "Airforce One", "Collateral Damage", "Terminator 3", Prügel-Szenen mit Jennifer Garner, ein Werbefilm mit Mr. Spock, seinem Helden aus Kindertagen.

Simon gehört endlich zum "inner circle" der circa 200 Hollywood-Stuntmen. Im "Schatzi's" hängen bald Fotos von ihm samt Autogramm.

Die Taurus-Nominierung hat er für einen Feuer-Stunt in dem Bruce-Willis-Reißer "Hostage - Entführt" bekommen. "Im Film sind das zwei Sekunden. Dabei hab' ich mehr als 20 Sekunden gebrannt."

Ein Jahr sind die Dreharbeiten her. "Sechs Monate bist du happy nach einem solchen Stunt. Aber bis du verdaut hast, was du da gemacht hast, das dauert Jahre." Ein bisschen Heimweh kann der Familienvater nicht verbergen. "Daheim im Biergarten kennst du halt jeden. So was gibt's hier nicht." Parties mit Kollegen sind selten, mit Schwarzenegger trifft er sich manchmal zum Motorradfahren.

Für die Taurus-Show hat er sich zur Feier des Tages eine Stretch-Limousine bestellt. Mit ein paar Kumpels fährt er im schwarzen Anzug vor und marschiert durch das Blitzlichtgewitter. Gouvernor Schwarzenegger ist da, Sylvester Stallone bekommt den Ehrenpreis, die deutsche Produktion "Der Clown" wird als bester ausländischer Stunt ausgezeichnet, Simon geht leer aus.

Halb so wild, ein schöner Abend war es dennoch. Und die Mappe wächst und wächst.

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