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Sturm "Xaver":Wie sich die Nordseeküste gegen den Orkan rüstet

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In Norddeutschland wächst die Angst vor dem drohenden Unwetter: Gleich drei Sturmfluten könnte Orkantief "Xaver" in den kommenden Tagen mit sich bringen. Fähren stellen ihren Betrieb ein, im Flug-, Bahn- und Nahverkehr wird es zu Behinderungen kommen, Schulen müssen schließen.

In Norddeutschland laufen die Vorbereitungen auf Orkantief Xaver. Besonders die drohende Serie von Sturmfluten in den nächsten Tagen sorgt für Unruhe. "Es können drei hintereinander sein", sagte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg. Auch die erwartete lange Dauer des Unwetters sorgt für Probleme. Wie gefährlich der Sturm für Menschen und Gebäude wird, sei schwer zu sagen, meinte ein Experte des Deutschen Wetterdienstes.

Nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) wird der Orkan voraussichtlich am Donnerstagabend in Schleswig-Holstein am stärksten wüten. Auch Hamburg bereitet sich auf die Unwetterfront vor. Dann zieht Xaver weiter Richtung Ostsee, wo er voraussichtlich am Freitagvormittag Spitzenwerte erreichen wird. Die Erinnerungen an den Oktober-Orkan Christian mit umgestürzten Bäumen, abgedeckten Dächern und abgetragenen Sandstränden im Norden sind überall noch frisch.

Am Donnerstagnachmittag sei an der Nordseeküste mit Böen der Stärke 12 zu rechnen und im Binnenland mit Stärke 11, sagte ein DWD-Meteorologe. In der Nacht zum Freitag werde es so weitergehen. Die Dauer über eineinhalb Tage sei das Besondere an dem Tief, das von Island über Skandinavien kommen wird. An der Nordsee sind nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes extrem starke Böen von mehr als 140 Kilometern je Stunde möglich.

Wie sich die Menschen auf den Sturm vorbereiten

Vielerorts im Norden stellen Verkehrsbetriebe ihre Einsatzpläne neu auf, Fähren werden ihren Betrieb teilweise einstellen. Wegen der Orkanwarnungen kündigten die Fährbetriebe zu den nordfriesischen Inseln sowie den Halligen im Wattenmeer mögliche Behinderungen und Ausfälle an. Der "Sylt Shuttle" der Bahn schränkt sein Angebot wegen der Sturmwarnungen ebenfalls ein. Der Fährbetriebzur Insel Juist wird wegen der Sturmflut- und Orkanwarnung am Donnerstag und Freitag eingestellt. Auch die Insel Norderney wird nur noch am Donnerstagmorgen angelaufen. Auch der Flugbetrieb könnte beeinträchtigt werden.

Helgoland, Deutschlands einzige Hochseeinsel, ist bereits auf das nahende Orkantief Xaver vorbereitet. "Die Abstimmungsgespräche zwischen allen beteiligten Institutionen und Rettungskräften sind abgeschlossen", sagte Tourismusdirektor Klaus Furtmeier. Eine 24-Stunden-Rufbereitschaft sei eingerichtet. "Die Düne wurde geräumt, Baustellen wurden soweit möglich und nötig gesichert."

Auch auf den Baustellen der Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee ist die Arbeit weitgehend eingestellt. "Alle Schiffe aus dem Baufeld haben einen Schutzhafen angelaufen oder sind sowieso turnusgemäß im Hafen", sagte eine Sprecherin von Globaltech I, einem Windpark 180 Kilometer vor Bremerhaven. Die Umspannstation sei für den Sturm vorbereitet und in einen sicheren Zustand gebracht worden; als reine Vorsichtsmaßnahme würden auch die Mitarbeiter ausgeflogen. Die Wettervorhersagen gehen in den nächsten Tagen in der Nordsee von Wellenhöhen bis zu 17 Metern aus.

Schulfrei in Nordniedersachsen

An dutzenden Schulen in Nordniedersachsen fällt am Donnerstag der Unterricht aus. In den Landkreisen Friesland, Emsland, Wesermarsch, Wittmund, Aurich, Cuxhaven, Grafschaft Bentheim, Nienburg/Weser und Leer bleiben alle allgemein- und berufsbildenden Schulen geschlossen. Auch in den Städten Emden, Wilhelmshaven, Cuxhaven, Nienburg und Delmenhorst dürfen die Schüler zu Hause bleiben.

Der Dom und alle Weihnachtsmärkte in Hamburg sollen von Donnerstag an zunächst geschlossen bleiben. Die Marktbetreiber wurden von der Wirtschaftsbehörde aufgefordert, ihre gesamte Ausstattung zu sichern und den Betrieb vorübergehend ab Nachmittag einzustellen. Der "Historische Weihnachtsmarkt" am Hamburger Rathaus wird ebenfalls schließen. Auch Lübeck wird ab Donnerstag die Weihnachtsmärkte schließen.

In Dänemark und im Süden Schwedens legt Xaver ab Donnerstag Züge und Fähren lahm. Im schwedischen Schonen sollen ab dem Vormittag gar keine Züge mehr fahren. Dänische Regional- und S-Bahnen rollen seltener als sonst aus den Bahnhöfen. Bodil, wie der Sturm in Dänemark heißt, soll am Mittag an der Westküste Jütlands wüten und bis zum späten Abend in der Hauptstadt Kopenhagen angelangt sein. Die Fähren nach Bornholm stehen zur Sicherheit schon ab dem Vormittag still. Wenn es ganz heftig kommt, könnte auch die Öresundsbrücke, die Dänemark und Schweden verbindet, geschlossen werden, berichtete die Nachrichtenagentur Ritzau. Waldspaziergänge in der Region könnten am Donnerstag und Freitag tödlich enden, warnten Experten.

Die höchste der Sturmfluten in Deutschland wird nach bisheriger BSH-Einschätzung in der Nacht zum Freitag nach Mitternacht in Ostfriesland und an der Nordseeinsel Borkum erwartet. Später soll der Scheitel dann die Elbmündung bei Cuxhaven und parallel dazu Nordfriesland erreichen. In Hamburg und Bremen soll die Sturmflut Freitagfrüh ankommen. Die Prognose könne sich aber noch um bis zu sechs Stunden verschieben. Beim Hochwasser in der Nacht von Donnerstag auf Freitag werde ein Stand zwischen 2,25 und drei Meter über normal erwartet, teilte der Niedersächsische Küstenschutz mit.

Heftige Sturmfluten drohen insbesondere wegen des Neumonds, da die Gezeitenkräfte mit dem Heben und Senken der Wasseroberfläche im Wesentlichen von der Anziehungskraft des Mondes bestimmt werden. Die Sonne verstärkt die Wirkung durch ihre Anziehungskraft. Deshalb fällt die Flut besonders stark aus, wenn Sonne und Mond mit der Erde auf einer Achse stehen, also bei Vollmond und Neumond. Das Phänomen ist als "Springtide" bekannt.

Schnee und Wintergewitter im Süden

Im Süden Deutschlands kommt Xaver abgeschwächt, aber immer noch mit starken Böen, in den Hochlagen auch mit schweren Sturmböen an. In den Kamm- und Gipfellagen der Berge können auch weiter südlich noch Orkanstärken erreicht werden.

Landesweit ist am Donnerstag und Freitag nach heftigen Schauern auch mit starken Schneefällen zu rechnen, da Xaver Feuchtigkeit und eiskalte Polarluft mitbringt. Bis zu fünf Zentimeter Neuschnee werden erwartet, in den Mittelgebirgen bis zu zehn Zentimeter. In höheren Lagen kann es zu Schneeverwehungen kommen. Auch Schneestürme und Wintergewitter sind möglich.

Zum Wochenende hin gehen die Windstärken langsam zurück. Dann treten orkanartige und Sturmböen nur noch teils im Osten und Norden auf, im Westen und Südwesten kehrt aber Ruhe ein. Die lange Dauer über eineinhalb Tage ist dem Wetterdienst zufolge das Besondere an dem Tief.

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