Organspende-Skandal in Großbritannien:Augen statt Niere

Eine Technikpanne hat in Großbritannien die Daten von 800.000 Organspendern durcheinandergebracht. Mehr als 20 Toten wurden die falschen Organe entnommen - ein fataler Vorgang.

Entsetzen und Unsicherheit in Großbritannien: Durch einen technischen Fehler sind vermutlich 21 Toten Organe entnommen worden, die von den Spendern nicht freigegeben worden waren. Aufgedeckt wurde der Fehler, weil die Transplantationsbehörde sich per Brief bei potenziellen Spendern bedankt hatte - auch für die Freigabe von Organen, die diese gar nicht hergeben wollten.

Zudem könnten von rund 800.000 Spendern falsche Informationen abgespeichert worden sein. Dabei geht es um die Angaben der Spender, welche Organe entnommen werden dürfen und welche nicht. Einige Spender legen fest, dass sie nur bestimmte Organe hergeben möchten und geben zum Beispiel ihre Augen nicht frei.

"Ich war schockiert", sagte der Student und registrierte Organsspender Stephen Banks der BBC. Er habe einer Spende seiner Leber, Lungen, Bauchspeicheldrüse und Nieren im Todesfall zugestimmt - doch die staatliche Transplantationsbehörde NHS bedankte sich per Brief auch für die Freigabe seiner Augen.

Allerdings sei es ihm zu peinlich gewesen, bei der Behörde anzurufen und zu sagen: "Meine Augen könnt ihr nicht haben." Deshalb würde er im Moment alles spenden. Banks betonte, dass er Organspenden für eine gute, lebensrettende Idee halte und warnte: "Fehler wie diese könnten zu einem Vertrauensverlust führen."

Angaben bei Datenaustausch gelöscht

Auslöser des Datenverlusts soll eine Technikpanne sein, die bereits zehn Jahre zurück liegt: Damals übernahm die Gesundheitsbehörde von der Verkehrsbehörde Daten, die auf Führerscheinen vermerkt sind - dabei wurden die einschränkenden Angaben vermutlich gelöscht. Ans Licht kam der Fehler erst jetzt, nachdem die NHS potenzielle Spender - wie den Studenten Banks - angeschrieben hatte. Viele der Empfänger kritisierten daraufhin, dass die Angaben falsch seien.

Die Transplantationsbehörde entschuldigte sich für die Panne. Auch Gesundheitsminister Andy Burnham räumte Fehler ein und kündigte eine lückenlose Aufklärung an. "Alle notwendigen Schritte wurden eingeleitet, um das Vertrauen in das Organspendenregister aufrechtzuerhalten", sagte Burnham der Zeitung The Independent. Er betonte zugleich die gesellschaftliche Bedeutung der Spende: "Eine Organspende ist eine äußerst selbstlose Tat und Organspender verwandeln jedes Jahr das Leben Tausender Menschen."

Fahrlässiger Daten-Umgang

Patienten-Vertreter übten scharfe Kritik: "Diese Regierung hat bereits eine fürchterliche Bilanz in Sachen Datensicherheit, aber es ist absolut erschreckend, dass mit dermaßen sensiblen Angaben so fahrlässig umgegangen wurde", sagte Joyce Robins von der Interessengruppe Patient Concern nach Angaben des Indepentent.

In 400.000 Fällen wurden die Fehler nach Angaben der Behörden bereits ausgeräumt. Von den restlichen Betroffenen sollen im Falle ihres Todes zunächst keine Organe entnommen werden, solange der Irrtum nicht ausgeräumt ist. In Großbritannien sind rund 17 Millionen Menschen als Organspender registriert.

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