Organisiertes Verbrechen in Berlin:Im Kampf gegen die Russen-Mafia

Berlin ist neben London und New York eines der drei Zentren der russischen Mafia. Bernd Finger, Leiter der Abteilung für organisierte Kriminalität, erklärt warum.

Rebecca Casati

Bernd Finger ist 58 Jahre alt. Er wurde in West-Berlin geboren, ist Rechtswissenschaftler und steht seit 40 Jahren "von der Pieke auf" im Dienst der Polizei, unter anderem als langjähriger Referent des Berliner Polizeipräsidenten. Nach dem Mauerfall wurde er zur Unterstützung der ersten frei gewählten Regierung Abteilungsleiter Öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Hauptstadt der DDR und half, die Sicherheitsbehörden und ihre Menschen in das gemeinsame demokratische System zu überführen. Zurzeit ist er Leitender Kriminaldirektor im Landeskriminalamt Berlin, Leiter der Abteilung 4, Organisierte Kriminalität, Qualifizierte Banden- und Eigentumskriminalität, Organisierte Gewalt- und Rotlichtkriminalität. Bernd Finger ist verheiratet mit einer Allgemeinmedizinerin und fährt mit ihr gerne nach Italien und nach Sylt.

Organisiertes Verbrechen in Berlin: Bernd Finger ist Leitender Kriminaldirektor im Landeskriminalamt Berlin. Er erklärt, warum die Landeshauptstadt für russische Kriminelle so attraktiv ist.

Bernd Finger ist Leitender Kriminaldirektor im Landeskriminalamt Berlin. Er erklärt, warum die Landeshauptstadt für russische Kriminelle so attraktiv ist.

(Foto: Foto: Isabelle Graeff)

SZ: Ihr Name könnte aber auch der eines Sheriffs sein, Herr Finger.

Bernd Finger: Finden Sie? Berlin hat jedenfalls keine Ähnlichkeit mit dem Wilden Westen. Dafür sorgen wir hier schon, sehr sorgfältig und sehr konsequent.

SZ: Weltweit ist Berlin aber - neben London und New York - eines der drei Zentren der Russischen Mafia. Richtig?

Finger: Ja, das trifft es. Wobei Berlin nicht direkt eine Funktionsebene ist, sondern eine Zwischenplattform zwischen Europa und dem restlichen Ausland. Und wir kriminologisch auch nicht von der Russischen Mafia sprechen, sondern von der organisierten Kriminalität der Straftäter aus osteuropäischen Staaten. Der Begriff Mafia - das ist eigentlich ausschließlich der italienischen organisierten Kriminalität zuzurechnen.

SZ:Warum ist Berlin für russische Kriminelle überhaupt so attraktiv?

Finger: Seit dem Fall der Mauer liegen wir genau im Zentrum zwischen Ost und West. Binnen einer Stunde hat man Diebesgut im Ausland, zum Beispiel in Polen. Und die Anonymität einer Großstadt mit 3,4 Millionen Menschen ermöglicht das, was für das Bestehen einer solchen Vereinigung sehr wichtig ist: die ethnische Abschottung. Die Mitglieder bleiben in der Regel unter sich. Und somit ungestörter.

SZ:Sie unterteilen diese kriminellen Aktivitäten angeblich in drei Ligen: Obere Liga Geldwäsche. Mittlere Prostitution und Menschenhandel. Untere Autoklauer.

Finger: Holzschnittartig stimmt das. Wir haben hier Straßen, in denen alle paar Meter ein hochwertiges Fahrzeug steht. Die Täter gehen nach Bestellung vor: Wie in einem kristallenen Laden fahren sie die Straßen ab, bis sie das gesuchte Fahrzeug finden. Und dann sehr schnell entwenden.

SZ:Wie schnell?

Finger: Hochfrequente, erfahrene Täter brauchen anderthalb bis zwei Minuten bis zur Fahrfähigkeit.

SZ: Oh - nein.

Finger: Na klar. Lkw fährt vor, Auto drauf, Klappe zu. Und nichts ist mehr zu sehen.

SZ: Wie kann man ein modernes Auto so schnell und ohne Aufsehen knacken?

Finger: Mit hochwertiger Software, die mitunter direkt vom Hersteller entwendet und dann kopiert wird. Damit gehen die Fahrzeuge dann genauso auf wie mit unserer Fernbedienung. Bis zum Kurzschließen ist es dann nur noch ein Klacks.

SZ: Dann habe ich keine Chance, wenn sich eine Bande mein Auto ausgeguckt hat?

Finger: Richtig. Wenn ein Bürger ein Fahrzeug als gestohlen meldet und es einer bestimmten Kategorie angehört, ahnen wir häufig schon, dass es nicht ein paar Straßen weiter wieder auftauchen wird. Solche Fahrzeuge werden sofort in Werkstätten, insbesondere im umliegenden Brandenburg, gebracht und dort umfrisiert, teilweise auch in Einzelteile zerlegt, wenn es so auf der Bestell-Liste steht. Dann geht's weiter zu den Zwischenhändlern, nach Litauen, Polen, Tschechien, Slowenien. Und von dort aus ins Auftragsland, häufig Russland oder auch der asiatische Raum.

SZ: Wie sieht denn die Top Five der Modelle auf diesen Bestell-Listen aus?

Finger: Ganz vorne steht der BMW X5. An Platz zwei Porsche Cayenne. Generell beliebt sind vierradgetriebene, hochaufgebockte, hochmotorisierte Geländewagen. Die sind auf jeder Straße tauglich, einfach zu bedienen, unverwüstlich. Und Statussymbole, gerade in einer eher tristen Umwelt. Auch gefragt aber sind stabile Mittelklassefahrzeuge für Gegenden, die nicht so schnell an Ersatzteile herankommen, falls dann doch mal eine Reparatur erforderlich wird.

SZ: Was ist der Unterschied zwischen der italienischen Mafia und den russischen Banden hier in Berlin?

Finger: Anders als die Mafia ist die russische Bandenkriminalität weder lokal noch familiär strukturiert, sie operiert international und, wenn man so will: rein betriebswirtschaftlich. Es geht vor allem darum, schnell viel Geld zu machen. Die Mafia entstand Ende des 18., insbesondere zu Beginn des 19. Jahrhunderts als ein ländlicher, bewaffneter Gegenpart zum ausbeuterischen Feudalismus. Die osteuropäische Bandenkriminalität hat ihren Ursprung im Zusammenbruch der UdSSR, dem Wegbrechen der staatlichen Kontrollen. Was dazu führte, dass die dortigen Verbrecherorganisationen einerseits nach Westen expandierten, andererseits Teile von wesentlichen russischen Schlüsselindustrien übernehmen konnten.

SZ: Das war auch die Geburtsstunde der berühmten Oligarchen . . .

Finger: . . . die ungeheuere Marktmacht mit illegalen Geldern anhäuften: aus Steuerhinterziehungen, Zollbetrügereien, Verstößen gegen international geltende Betäubungsmittelgesetze, das Liefern von Waffen in Konfliktregionen.

Auf der nächsten Seite: Wenn Bandenkriminalität in Mafia umschlägt.

Im Kampf gegen die Russen-Mafia

SZ: An welchem Punkt nun schlägt Bandenkriminalität in Mafia um?

Finger: In Gesellschaften, in denen der Staat versagt hat, in einem korruptiven Sumpf versunken ist oder sich in der Sicht der Menschen unglaubwürdig gemacht hat. An seine Stelle tritt dann eine Parallelgesellschaft, der Staat im Staat, der gesellschaftliche Bedürfnisse wie Nahrungszufuhr, Wasserversorgung, Energieversorgung oder Müllbeseitigung - wie aktuell in Neapel - gewährleistet, teilweise auch wieder erst neu aufstellt.

SZ: Kurfürstendamm und Kantstraße sind hier bereits fest in russischer Hand, heißt es immer. Stimmt das so?

Finger: Tatsächlich haben sich viele Russen dort angesiedelt. Das ist historisch abzuleiten. Schon im ausgehenden 19. und angehenden 20. Jahrhundert wurde Berlin - die erste große Stadt hinter den russischen Nationalitätsgrenzen - die neue Heimat für viele emigrierte Adelige und Bürgerliche, Flüchtlinge der Revolution. Charlottenburg war eine der Hauptsiedlungsstätten. Insofern, schließe ich, gab es auch nach dem Mauerfall eine große Affinität zur Kantstraße und zur City-West.

SZ: Finden Sie in der Regel dort Ihre Täter?

Finger: Überhaupt nicht. Charlottenburg, das ist nur der äußere, öffentliche Schein. Wir aber arbeiten im verdeckten, abgeschotteten und vor allem: internationalen Bereich. Wo das betrieben wird, was ich vorhin schon angerissen habe; Auftragslisten, Angriffe gegen Personen und Geldwerte wie Containerladungen, direkter Zugriff auf Geld. Die Oberliga.

SZ: Stoßen Sie dabei häufig auf wiederkehrende Muster und Verhaltensweisen?

Finger: Ja. Es fällt zum Beispiel auf, dass sich die osteuropäische organisierte Kriminalität gerne einfachster Helfer bedient; armen Menschen aus Ländern, die sich im gesellschaftlichen Umbruch befinden. Menschen, die sich aus ihrer Not heraus bereit erklären, Handlanger dieser kriminellen Organisationen zu werden. Für die Täterermittlung ist das eine besondere Herausforderung, denn diese Menschen haben Angst, ihre Auftraggeber preiszugeben. Sie wissen sehr wohl, dass die nicht davor zurückschrecken, ihre Familien in der Heimat in Haftung zu nehmen.

SZ: Was genau tun diese Handlanger dann hier in Berlin?

Finger: Zum Beispiel suchen sie schlagartig ganze Straßen heim, in Form von Villeneinbrüchen, Kfz-Verschiebungen oder Überfällen auf Edeljuweliere. In kürzester Zeit reisen sie dann zu ihren Auftraggebern zurück, wo sie unseren Erfahrungen nach eher abgespeist werden mit kleinen Beträgen. Der eigentliche Gewinn wird bei den Organisationen abgeliefert und geht von dort aus in die Verteilung.

SZ: Man sagt, dass die Russische Mafia - oder wie Sie sagen: organisierte Bandenkriminalität - noch brutaler ist als andere Verbrecherorganisationen . . .

Finger: Ich höre es immer wieder. Aber das ist teilweise Angstmache, Begriffe wie Russisches Inkasso. . .

SZ: Was bedeutet das?

Finger: Wenn du nicht zahlst, schicke ich dir ein paar Tschetschenen nach Hause. So was wird gerne in den Medien hin- und herbewegt. Wir stellen fest, dass die Neigung, bei Widerstand sehr schnell Gewalt einzusetzen, ganz allgemein zugenommen hat. Angefangen bei Kindern und Jugendlichen bis hin zu komplexen Gebietsstreitigkeiten von Verbrecherbanden.

SZ: Häufig hört man hier übrigens von einer russischen Bande namens ,Tambovskaja'. Was bedeutet das Wort?

Finger: Das ist ein Eigenname, der einen Stadtbezirk in St. Petersburg beschreibt.

SZ: Wer verbirgt sich dahinter?

Finger: Eine international agierende Gruppe.

SZ: Sind diese Banden vergleichbar mit den Familien der italienischen Mafia?

Finger: Nein. Das sind in der Regel keine familiären Zusammenschlüsse, sondern Zweckbündnisse von Kriminellen, die charakteristisch aus derselben Region stammen.

SZ: Warum geben die sich überhaupt solche Bandennamen?

Finger: Die Namen haben mehrere Funktionen. Einmal dienen sie der Abgrenzung, der Beschreibung von Territorien wie St. Petersburg, Moskau, oder auch von Wirtschaftszweigen. Nach außen sind sie ein Mittel der Einschüchterung. Nach innen suggerieren sie Schutz, weil man sich untereinander kennt und meint, auch miteinander gut, das heißt sicher vor dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden, kommunizieren zu können.

SZ: Macht es für Sie die Sache etwas leichter, wenn die sich schon selber eingrenzen?

Finger: Nicht wirklich. Mitunter hat so eine Gruppierung an die 10000 internationale Mitglieder. Zu der Tambovskaja zählen sicherlich auch hier in Berlin lebende, russische Staatsangehörige, aber um möglichst ungestört ihren wirtschaftlichen Interessen nachzugehen, treten die hier natürlich nicht als Gruppe auf, sondern in der Abschottung der russischen Gemeinde. Solche Gruppenstrukturen verändern und verwischen sich außerdem auch immer wieder. Deshalb liegt unser Fokus nicht so sehr auf Gruppennamen.

SZ: Sondern?

Finger: Ab einem gewissen Status ihrer Tätigkeit streben organisierte Kriminelle nach gesellschaftlicher Reputation, dem Anschein der Seriosität, dem guten Gefühl, gesellschaftlich angekommen zu sein. Sie wollen raus aus Schmuddelecken wie dem Rotlichtbereich. Bestätigung und Legitimation suchen sie im öffentlichen Leben, zum Beispiel auf irgendwelchen Sportveranstaltung oder sogar bei politischen Events. Da mischt sich plötzlich das Verbrechen mit einer Klientel von unerfahrenen Verantwortungsträgern.

SZ: Sie meinen: auf Wahlveranstaltungen? Oder Boxkämpfen? Wie können Bandenkriminelle Politikern denn überhaupt öffentlich so nahe rücken?

Finger: Man glaubt es kaum, aber es gibt viele Politiker, die diese Gänsehaut der Berührung mit einem kriminellen Milieu einfach mal erfahren wollen. Sie geraten dann ungeheuer in Gefahr, von der kriminellen Seite vereinnahmt zu werden. Wir betreiben an dieser Stelle gezielt Politikberatung, denn das ist, nach illegaler Geldbeschaffe, der wirklich gravierende, nächste Schritt der organisierten Kriminalität: Einflussnahme auf die Vergabe staatlicher Gelder, möglicherweise auf politische Entscheidungen. Sprich: Korruption auch im internationalen Rahmen. Da kommt das Thema russische Kriminalität in ganz andere Dimensionen.

Auf der nächsten Seite: Kriminelle tragen Schlips und Kragen.

Im Kampf gegen die Russen-Mafia

SZ: Heißt das: Die eigentlich Gefährlichen sitzen bereits in der Mitte der Gesellschaft?

Finger: Sogar in Schlips und Kragen. Sie arbeiten als Wirtschaftsfachmänner in internationalen Unternehmen, transferieren in Sekundenschnelle Millionen von Geldern, an denen das Blut der kleinen Leute klebt: nach Hongkong, von dort weiter nach Australien, zurück nach Europa. . . Das sind diejenigen , um die wir uns kümmern müssen.

SZ: Aber wer sind die Hummer-fahrenden Schlägertypen, deren stoische Frauen die Berliner Chanel-Boutiquen leer kaufen?

Finger: Sagen wir so: In jeder Verbrechervereinigung gibt es Ritualisierungen. Die äußerlichen - Pelze, Goldkettchen, vergoldete Gebisse, das Zurschaustellen von Reichtum - findet man meist nur an Leuten, die das für nötig halten, also: die Handlanger. Der eigentliche kriminelle Profiteur scheut sichtbare Merkmale, er hält sie nicht für professionell, weil es Teil seiner Abschottung ist, eben nicht aufzufallen.

SZ: Schauen Sie sich Mafia-Filme an?

Finger: Ja. Es gibt solche, die übertrieben erscheinen, aber tatsächlich die gegenwärtige Realität beschreiben. Andere sind so komplett überzeichnet, dass ich sie mit Fachbrille überhaupt nicht angucken kann.

SZ: Wie fanden Sie David Cronenbergs "Tödliche Versprechen", der von der Londoner Russen-Mafia handelt?

Finger: Tja. Den habe ich zur Kenntnis genommen. Als Entertainment.

SZ: Dabei hatte man als Laie hinterher das Gefühl, eine Menge über die Russen-Mafia gelernt zu haben. Zum Beispiel, dass die Mitglieder sich die eigene Lebensgeschichte auf den Körper tätowieren.

Finger: Es gibt tatsächlich Personen, die meinen, bestimmte Zeichen einer Zuordnung auf der Haut tragen zu müssen. Aber auch hier gilt: Das sind eher die Unprofessionellen auf der Ausführungsebene.

SZ: Die filmische Aufarbeitung der Realität: erscheint die Ihnen manchmal kontraproduktiv oder sogar frivol? Angeblich tragen Mafiosi ja erst Armani-Anzüge, seit sie das in "Der Pate" gesehen haben.

Finger: Wechselwirkungen gibt es schon, vor allem beim Nachwuchs, der die großen Paten und Macher imitiert. Aber oft erlebt man dann in der Vernehmungssituation, dass da mehr Schein als Sein ist.

SZ: Ist die italienische Mafia in Berlin aktiv?

Finger: Ja. Wir ermittelten in den letzten Jahren mehrfach gegen Angehörige der neapolitanischen Camorra. Und wir hatten 2006, 2007 eine Serie von Schutzgelderpressungen. Hier in meiner Akte habe ich einen Erpresserbrief, der 2007 an 55 Berliner Edelgastronomen, unter anderem im Regierungsviertel, rausging...

SZ: . . . oh, dürfte ich ihn sehen?

Finger: Bitte.

SZ: Darf ich ihn auch vorlesen?

Finger: Auch das, ja.

SZ: "Zu Ihrer Aufmerksamkeit:

Wir sind eine Genossenschaft der Fürsorge mit zehnjähriger Erfahrung, daher erlauben wir uns, dieses Schreiben zu unterbreiten; Wir garantieren Ihnen Sicherheit für Sie und Ihre Familie. Eine Versicherungspolice, die wir Ihnen raten, nicht abzulehnen. . . Jeden Monat kommen unsere Beauftragten vorbei, die sich im Namen Ihres Heiligen Beschützers vorstellen werden. Den Sie mit einer spontanen Spende preisen sollten, weil jede Spende, die nicht von Herzen gegeben wird oder die mit Verzögerung oder schlechter mit der Schmähung des Anführers, den Heiligen schmerzt . . . Aber mehr noch den Sünder . . . Wir ergreifen die Gelegenheit, Ihnen ein friedliches Weihnachten und ein reiches neues Jahr zu wünschen. "

Das klingt bedrohlich, Herr Finger. Ist das ein typisches Schreiben?

Finger: Eine nahezu wortgleiche Übertragung aus einem Schreiben der Camorra in den neunziger Jahren. Die Briefe kamen um die Weihnachtszeit. Die betroffenen Gastronomen und ihre Familien mussten über die Feiertage ein Höchstmaß an Ängsten durchstehen. Die Erpressungen waren schon sehr aggressiv, sie wurden begleitet von Brandanschlägen von bewaffneten Tätern, einer auf ein Lokal, ein anderer auf ein geparktes Fahrzeug. . .

SZ: Wie reagieren Sie auf so eine Schattenmacht?

Finger: Indem wir ein neues Polizeikonzept entwickelt haben, und zwar 14 Tage nach den sechs Duisburger Morden im August 2007: Wir sind offensiv an Bevölkerungsgruppen herangetreten, die Angriffspunkt von organisierter Kriminalität sein könnten, wie die italienische Gemeinde in Berlin , und wir haben mit der von Gastronomen und der "Union der Italiener in der Welt" spontan gebildeten Initiative "Mafia? Nein Danke!" eine Sicherheitsvereinbarung abgeschlossen: Jeder italienische Gastronom in Berlin hat ein Informationsblatt bekommen. Sobald hier irgendein Restaurant betroffen ist von einer Schutzgelderpressung oder von einer anderen Straftat mit Mafia-Bezug, werden die Kooperationspartner umgehend die Polizei verständigen.

SZ: Und dann?

Finger: Wir stellen dann sofort Ansprechpartner zur Verfügung, die sensibel, vertraulich und auf den Einzelfall abgestimmt, aber auch sehr konsequent den betroffenen Gastronomen zur Seite stehen; mit allen polizeilichen Kräften und entsprechendem technischen Knowhow, um die Kriminalität gleich im Keim zu ersticken. Diese Form der präventiven Bekämpfung der Organisierten Kriminalität hat es bundesweit noch nicht gegeben.

SZ: Herr Finger, am Schluss eine heikle Frage, aber vielleicht möchten Sie sie trotzdem beantworten: Ringt Ihnen denn der logistische Aufwand solcher Organisationen in irgendeiner Form Respekt ab?

Finger: Kriminalität ist Teil der Gesellschaft, die dunkle Seite des menschlichen Daseins. Aber meine Antwort ist auch meine Grundüberzeugung: für Verbrecher gibt es keinen Respekt.

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