Fast täglich berichten die Medien über Auseinandersetzungen im Rockermilieu, über erschossene Hells Angels und übergelaufene Bandidos, über schockierende Aussagen von Kronzeugen und Vereinsverbote. Die kriminelle Rockerszene befindet sich seit einigen Jahren in einem Umbruch, nicht nur in Deutschland. Haben Rocker sich früher eher unauffällig gegeben, tragen sie ihre Revier- und Machtkämpfe mittlerweile offen aus.
Motorradfahren spielt heute bei ihnen keine Rolle mehr. Der Großteil dieser "Neurocker" hat nicht mal mehr ein Motorrad oder den dafür nötigen Führerschein. Hells Angels und anderer Gruppen nahmen mehr und mehr gewöhnliche und durchaus gefährliche Kriminelle, oftmals mit Migrationshintergrund, aus dem Streetgang- und Rotlicht-Milieu bei sich auf, die ihre Klubs von innen geradezu zersetzen. So etwas wie Rockerehre - wenn es die jemals gab - ist diesen Leuten fremd. Sie wollen Macht und Geld, koste es was es wolle. Dazu wechseln sie schon mal von den Hells Angels zu den verfeindeten Bandidos und umgekehrt. Das wäre vor Jahren noch undenkbar gewesen. Die gewaltsamen Vorfälle in der jüngeren Vergangenheit zwischen polizeirelevanten Motorradklubs zeigen, dass der Staat handeln muss.
Ermittlungen im Rockermilieu:Drogenrazzia bei den Hells Angels
20 Kilogramm Heroin wurden vor zwei Jahren an der türkisch-griechischen Grenze gefunden. Die Spur des Drogentransports führt zu Hells Angels in Deutschland und den Niederlande. Jetzt haben Fahnder in einer Großaktion zahlreiche Gebäude durchsucht und mehrere Männer festgenommen.
Die Charter und Chapter haben im Regelfall ein eigenes Klubhaus. Es ist zum einen das Zentrum ihres sozialen Lebens, oft aber auch "Räuberhöhle" für das Schmieden von kriminellen Plänen und Depot für Waffen. In der Regel besteht ein Klubhaus aus einem Sicherheitsraum, mit Monitoren, Funkgeräten, Waffen, dazu Partyraum, Küche, Privaträumen und Büro. Das Grundstück ist häufig mit Barrieren, Zäunen, Überwachungskameras und Alarmanlagen versehen. Gelegentlich gibt es Tarnverstecke und Geheimräume. Dem Klubleben liegt ein strenges Regelwerk mit drastischen Strafandrohungen zugrunde.
Verschwiegenheit gilt als oberste Tugend
Rocker kommen aus allen Berufen und gesellschaftlichen Schichten. Sie leben in der Regel in Beziehungen mit Familien wie der Durchschnittsbürger auch. Die Familie hat dabei einen hohen Stellenwert. Es gilt die Regel: "Egal was ist, die Familie ist tabu!" Daran halten sich Rocker - bisher - auch strikt. Die Mitglieder betätigen sich beruflich oft in szenetypischen Geschäftsbereichen wie Gastronomie, Tattoostudios oder Wach- und Sicherheitsdiensten, um Einnahmen zu erwirtschaften und ihren Einfluss zu steigern. Sämtlichen dieser Outlaw Motorcycle Gangs ist gemein, dass sie das Ziel verfolgen, bestimmte Territorien zu beherrschen, um insbesondere wirtschaftliche Interessen etwa im Rotlichtmilieu durchzusetzen. In Deutschland haben nach Auswertungen des Bundeskriminalamts (BKA) etwa 60 Prozent der Mitglieder des Hells Angels MC Vorstrafen wegen schwerer Straftaten - Verstöße gegen Waffengesetz, Geldwäsche, Kfz-Delikte, Rauschgiftvergehen, Gewaltdelikte, Mord. Verschwiegenheit gilt als oberste Tugend und wird belohnt: Wer mit einer Gefängnisstrafe rechnen muss, kann sicher sein, dass "die Familie" für seine Angehörigen sorgt, wenn er schweigt. Auch für Rechtsanwälte muss ein verhaftetes Mitglied der Hells Angels nicht aufkommen.
Rockern wird oft vorgeworfen, Kontakte zum rechtsextremen Milieu zu haben. Berührungspunkte gab es durchaus bei der Vermietung von Klubräumen oder der Bestellung von Ordnerdiensten. Das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen stellte jedoch fest, das Rocker und Rechtsextremisten keine gemeinsame Sache machen. Die Rocker verfolgen eigene wirtschaftliche Interessen.
Kriminelle Rockergruppierungen spielen in den typischen Deliktfeldern der organisierten Kriminalität (OK), wie Drogenhandel und -schmuggel, Waffen- und Menschenhandel, Schutzgelderpressung und Geldwäsche, eine bedeutende Rolle. In Hannovers Steintorviertel gingen und gehen Hells Angels in Ruhe ihren Geschäften nach und beherrschen ganze Häuserblocks. Das hat sich auch nach der offiziellen Auflösung der Hells Angels in Hannover 2012 nicht geändert. Auch in Hamburg, Flensburg oder Berlin sind sie aus den Rotlichtbezirken nicht wegzudenken.
Rockerbanden in München:"Wir machen Randale, sorgen für Skandale"
Die Black Jackets wollen sich mit Gewalt einen Namen in der Münchner Rockerszene machen. Die Polizei reagiert mit einer Razzia und Festnahmen - nun ist Ruhe. Die Frage ist, wie lange.
Rockerkriminalität ist organisierte Kriminalität! Wer etwas anderes behauptet, verschließt sich den Tatsachen. Grundvoraussetzung zur OK-Bekämpfung ist neben rechtlichen, technischen und finanziellen Möglichkeiten der Einsatz bestens ausgebildeter Kriminalisten. Und diese personellen Ressourcen sind so gut wie in keinem Bundesland mehr vorhanden. Das hat zur Folge, dass nur die bekannt gewordenen Fälle abgearbeitet werden können. Die aber gerade im OK-Bereich erforderlichen eigenständigen Ermittlungen, also die Erforschung des Dunkelfeldes, können nicht mehr durchgeführt werden.
Die verantwortlichen Politiker wissen das, und manchmal entsteht der Eindruck, dass diese Aufhellung gar nicht gewollt ist. Gerade auch wenn man sich ansieht, welche rechtlichen Hürden der Gesetzgeber der Kriminalpolizei zumutet. Die Beweissicherung wird dabei durch den Einsatz neuer Technologien auf Seiten der Täter immer schwieriger. Auch wenn die sogenannte Vorratsdatenspeicherung kein Allheilmittel ist, klaffen seit deren Verbot durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und der anschließenden Blockadehaltung vieler Bundespolitiker in diesem Bereich gravierende Schutzlücken.
Rocker schüchtern Polizeibeamte, Staatsanwälte und Richter ein - oder werben sie gar an
Vereinsverbote wirken! Sie verhindern zumindest das unkontrollierte Zeigen der Rocker-Symbole in der Öffentlichkeit. Aber auch ein Verbot ist natürlich kein Allheilmittel. OK-Ermittlungsverfahren sind hochkomplex und binden deshalb verstärkt Personal sowie technische Ressourcen. Man muss die kriminellen Rockergruppierungen speziell dort treffen, wo es ihnen wirklich weh tut und ihnen ihr kriminell erwirtschaftetes Vermögen entziehen. Der Staat darf sich nicht länger vorführen lassen.
Es wird Zeit, ein deutliches Zeichen zu setzen. Hierfür fehlt aber oftmals der juristische - und auch der politische - Wille und Mut. Über das Warum darf man dabei spekulieren. Es gibt mittlerweile deutliche Anzeichen für eine Infiltrierung der Politik und entsprechende Kontakte. Wir wissen, dass kriminelle Rocker gezielt auf Justiz- und Polizeibeamte, Staatsanwälte und Richter zugehen, diese entweder einschüchtern oder sogar erfolgreich anwerben - mafiöses Verhalten der organisierten Kriminalität.
Zahlreiche Gesetze bedürfen zudem dringend einer Reform, gerade im Bereich der Vermögensabschöpfung und der Geldwäsche. Wenn Deutschland seine Bemühungen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität nicht schnellstens intensiviert, besteht die Gefahr, dass wir diesen Kampf zu verlieren.