Olympiastadt Sotschi:Die andere Seite der Medaille

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Die Kür zur Olympiastadt ist vor allem eine Preisfrage. Das erleben dieser Tage die Menschen in der südrussischen Stadt Sotschi, in der im Jahr 2014 die Winterspiele ausgetragen werden.

Daniel Brössler

Sotschis Bürger zahlen für die Vergabe der Winterspiele: In der Stadt explodieren derzeit die Lebenshaltungskosten. Zwölf Milliarden Dollar (8,7 Milliarden Euro) sollen in den Ausbau der Infrastruktur und der Errichtung der Wettkampfstätten investiert werden, von denen bislang keine einzige vorhanden ist.

Obst, Tee, neue Schuhsohlen: In Sotschi wird vieles teurer. (Foto: Foto: dpa)

Die Aussicht auf das große Geld hat die Phantasie der Geschäftsleute in Sotschi umgehend beflügelt - was die Bewohner und Gäste des beliebten Badeortes nun mit enormen Preissteigerungen bezahlen müssen.

Teurer geworden sei alles bis hin zum Obst und Gemüse auf dem Markt, berichtet ein Reporter der russischen Agentur Interfax. Für Früchte müsse 30 bis 50 Prozent mehr bezahlt werden. Von Anfang an mitverdienen wollen auch Besitzer von Cafés und Restaurants. Im Zentrum von Sotschi stieg der Preis für eine Tasse Tee von 60 Rubel (1,70 Euro) auf 80 Rubel (2,20 Euro). Selbst Schuster sollen die Preise für ihre Dienstleistungen bereits erhöht haben.

Vor allem aber geht dem angekündigten Bauboom in Sotschi ein Preisboom bei den Immobilien voraus. Die Immobilienagentur Soned meldet einen Preissprung von bis zu 33 Prozent für Objekte der gehobenen Klasse.

Manche Händler hätten den Verkauf von Grundstücken und Häusern sogar vorläufig ausgesetzt, um die Preisentwicklung abzuwarten, berichtet die Zeitung Wremja Nowostej. "Käufer können eine Immobilie reservieren, den Preis teilen wir aber erst Ende Juli mit", erläutert der Generaldirektor von Vesco Reality Sochi, Stanislaw Gripas.

Dabei ist Wohnraum im besonders zur Sommerzeit überfüllten Sotschi ohnehin teuer. Umgerechnet mindestens 2800 Euro pro Quadratmeter mussten Käufer für Oberklasse-Wohnungen auch bisher schon hinblättern. Zudem hatten bereits vor der Olympia-Entscheidung reiche Russen auf Sieg gesetzt. In der Überzeugung, Sotschi werde das Rennen machen, kauften sie in den vergangenen Monaten Wohnungen und Häuser, um von der zu erwartenden Preis-Explosion zu profitieren.

Dies war ein sicheres Geschäft, denn selbst eine Niederlage des Schwarzmeer-Ortes hätte die Preise kaum sinken lassen. Die Stadt, in der sich einst die kommunistische Elite erholte, entfaltet auch auf Russlands Kapitalisten eine bemerkenswerte Magnetwirkung. Sie suchen dabei nicht nur Sonne, Meer und Unterhaltung, sondern auch die Nähe zur Macht: Präsident Wladimir Putin dient der Ort als Feriensitz, an dem er gerne ausländische Gäste empfängt.

Putin war es auch gewesen, der Russlands Oligarchen zur Kasse gebeten hatte, um die Olympischen Spiele nach Sotschi zu holen. Die schwierigere Aufgabe wird aber nun darin bestehen, trotz der grassierenden Korruption zu verhindern, dass das viele Geld umgehend in die falschen Taschen wandert.

Wenige Tage nach seiner Rückkehr von der Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees in Guatemala ließ Putin daher Generalstaatsanwalt Jurij Tschaika im Kreml antreten. Auch die "wirtschaftliche Sicherheit" der Spiele müsse gewährleistet werden, ermahnte Putin den Generalstaatsanwalt etwas verquast.

Dann fügte er, schon etwas deutlicher, hinzu: "Es muss eine strenge Kontrolle geschaffen werden, um eine rationelle Ausgabe der Mittel zu gewährleisten." Putin setzte eine Kommission ein, die verhindern soll, dass das Olympia-Geld versickert.

Die Kontrolleure werden es freilich sehr schwer haben, wie das Beispiel einer Siedlung zeigt, die dem Olympischen Dorf weichen soll. Aus der Siedlung meldet die Agentur Interfax den Ausbruch eines "Scheidungsfiebers". Die Leute dort ließen sich "zur Sicherheit" scheiden, um statt mit einer mit zwei Wohnungen entschädigt zu werden.

© SZ vom 17.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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