Japan:Zumindest die Hunde freut's

Japan: Ein eleganter Bau mit viel Holz: Das Nationalstadion in Tokio.

Ein eleganter Bau mit viel Holz: Das Nationalstadion in Tokio.

(Foto: Charly Triballeau/AFP)

Auch ein Jahr nach den Olympischen Spielen in Tokio fehlt eine Idee, wie das Nationalstadion genutzt werden soll.

Von Thomas Hahn, Tokio

Die Hausfrau Satomi Ejima findet das neu erbaute Nationalstadion von Tokio sehr nützlich. Seit hier vergangenen Sommer die Olympischen und Paralympischen Spiele stattgefunden haben, bewährt sich die riesige Arena mit bis zu 80 000 Plätzen als Kulisse für ihre Spaziergänge mit Totto, einer blonden Labradoodle-Dame. Satomi Ejima mag den weiten Vorplatz, auf dem weder Autos noch Fahrradfahrer stören. Und die großzügige Säulenhalle unter den holzvertäfelten Tribünen schützt an diesem grauen Junitag gegen den Regen. "Für Hundeliebhaber ist das toll." Sie treffe hier viele beim Gassigehen, eine richtige Community sei rund ums Stadion im gutbürgerlichen Stadtteil Kasumigaoka entstanden.

Schön, wenn eine Sportstätte den Nachbarn gefällt. Um Tokios Haustierbesitzern etwas Gutes zu tun, hätte Japans Regierung allerdings nicht das größte Sportfest der Welt in die Hauptstadt holen und besagtes Nationalstadion für 157 Milliarden Yen, umgerechnet 1,1 Milliarden Euro, neu errichten müssen. In dem eleganten Olympia-Bauwerk müsste regelmäßig etwas stattfinden. Aber was? Darauf gibt es gerade keine Antwort, die die jährlichen Instandhaltungskosten von 2,4 Milliarden Yen Steuergeld rechtfertigt.

Japan: Bei Regen ideal: Satomi Ejima mit ihrer Labradoodle-Hündin Totto.

Bei Regen ideal: Satomi Ejima mit ihrer Labradoodle-Hündin Totto.

(Foto: Thomas Hahn)

Die Nachnutzung olympischer Leichtathletik-Stadien ist für alle Ex-Spiele-Gastgeber ein Problem. Während des 16-tägigen Sommer-Spektakels sind sie schillernde Weltbühnen - danach überdimensioniert und schwer zu gebrauchen. Selbst Münchens ikonisches Olympiastadion von 1972 war nach 2005 kaum noch gefragt, weil sein wichtigster Nutzer, der Fußballrekordmeister FC Bayern, an einen zeitgemäßen Spielort ohne Laufbahn zog. Ein Nachfolgeplan ist nötig, wie es ihn zum Beispiel für das Spiele-Stadion von 2012 in London gab. Nach einer ausgedehnten Umbauphase sind dort heute die Profifußballer von West Ham United zu Hause.

Leichtathletik-WM oder Umbau für Fußball? Es ist alles offen

In einer Oberhaussitzung im April brachte die Opposition Japans Sportminister Shinsuke Suematsu bei dem Thema schon mit einfachen Fragen in Bedrängnis. Eine lautete: "Was macht das neue Stadion überhaupt?" Nicht viel, räumte Suematsu ein. Die Privatisierung habe noch nicht geklappt, auch weil man das Stadion aus Sicherheitsgründen vor Olympia nicht herzeigen konnte. Die Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2025 ist im Gespräch - und der Umbau für Fußball und Rugby damit vom Tisch? "Wir diskutieren noch", sagte Suematsu. Kein Plan also.

Am Montag spielten Japans Fußballer im vollen Nationalstadion gegen Brasilien. Bei der 0:1-Niederlage war mal was los. Es gibt weitere vereinzelte Gastspiele. Mitte Mai fand eine Marathon-Staffel im weiten Rund statt. Aber das alles reicht nicht, um die Kosten auszugleichen. Und große Konzerte sind angeblich wegen der Lärmbelästigung schwierig.

Nachbarin Satomi Ejima hat das Fußballspiel am Montag im Grunde nicht gestört. Nur eines: "Der Müll." Am Morgen danach sei es dreckig gewesen, anders als jetzt. Die Säulenhalle ist besenrein. Kein Zigarettenstummel, nicht einmal ein herangewehtes Laubblatt. So ist es okay, findet Satomi Ejima. Solange kein Müll liegen bleibt, hat sie nichts gegen Veranstaltungen an ihrer neuen Gassi-Runde.

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