Olli Dittrich im SZ-Interview:"Anarchistisch, gaga, absolut konzeptlos"

In Bademantel und Pyjama spielt Olli Dittrich den Versager "Dittsche". Dafür wurde er sogar für den Grimme-Preis nominiert. Im SZ-Interview spricht er über das letzte Blind-Date mit Anke Engelke, musikalische Komiker und die Kunst des unterhaltenden Stehens.

Interview: Hans Hoff, Christopher Keil

SZ: Herr Dittrich, ist "Dittsche" noch Comedy?

Olli Dittrich im SZ-Interview: Anarchistisch, gaga, absolut konzeptlos und handwerklich eine Katastrophen - so beschreibt Dittrich die Geburtsstunde seiner Kultfigur Dittsche.

Anarchistisch, gaga, absolut konzeptlos und handwerklich eine Katastrophen - so beschreibt Dittrich die Geburtsstunde seiner Kultfigur Dittsche.

(Foto: Foto: ddp)

Olli Dittrich: Dittsche bezeichnet zuallererst einen eigenen Stil.

SZ: Was ist denn Ihr Stil?

Dittrich: Vielleicht ist das etwas überstrapazierte Idiom der Tragikkomik nicht ganz verkehrt. Bei "Dittsche", aber auch bei "Blind Date".

SZ: Ist Tragik der Ausweg, der Komik heute bleibt?

Dittrich: Nein, das ist mein Weg. Das hat damit zu tun, dass eine sehr melancholische Seite habe und auch eine Affinität zum Scheitern.

SZ: Sie haben lange kämpfen müssen für ihre Figur "Dittsche", die ihnen jetzt den Erfolg bringt. Seit wann existiert dieser Mann im Bademantel?

Dittrich: Der kam, als Thomas Hermanns vor 14 Jahren die Idee hatte, in Hamburg seinen Quatsch Comedy Club aufzumachen. Dort sollten Leute auftreten und etwas möglichst Lustiges erzählen. Ein Mikrophon, acht Minuten Zeit.

SZ: Klassische Stand-up-Comedy also?

Dittrich: Ja, aber als absolute Pionierarbeit. Thomas hatte schon Wigald Boning entdeckt, der in Hamburg ein bisschen berühmt war. Und Wigald hat mich dann mitgebracht. Plötzlich hatte ich meinen ersten Auftritt als Komiker.

SZ: Als Dittsche?

Dittrich: Ja, ich hatte immer schon ein Faible für diese einfachen Leute aus einem besonderen Milieu. Ich habe damals in Hamburg-Eimsbüttel gewohnt und habe diese Leute auf der Straße getroffen.

Die laufen da in Trainingsanzügen aus Ballonseide rum und wissen einfach alles besser. Ich habe denen immer mit einem Ohr zugehört. Das hatte so eine authentische Kraft, dass ich das immer nachmachen musste.

SZ: Wie war der erste Auftritt?

Dittrich: Ein WG-Kumpel hatte immer so einen Bademantel herumhängen. Den habe ich mir genommen, weil ich schon mal einen Typen im Bademantel auf der Straße gesehen hatte. Diesen Typen habe ich dann kombiniert mit einem anderen.

Der andere saß immer auf seinem Balkon, im Sommer und im Winter. Ich habe mir dann eine Aldi-Tüte genommen, weil ich gedacht habe, dass das irgendwie lustig wäre. In die Tüte habe ich dann mit einem Edding innen den Ablauf rein geschrieben.

Ich bin dann aber beim Erzählen so ins Schwadronieren gekommen und so frei geworden, dass ich einfach irgend etwas erzählt habe über Katharina Witt, Peter Bond und das Glücksrad.

Aus den acht Minuten sind dann 25 Minuten geworden. Das waren die Geburtsminuten von "Ditsche": anarchistisch, gaga, absolut konzeptlos und handwerklich wahrscheinlich auch eine Katastrophe. Aber es trägt den Spirit der Unschuld.

SZ: Und nach dem Auftritt ist er wieder in der Versenkung verschwunden?

Dittrich: Nein, der wurde Dauergast im "Quatsch Comedy Club". Ich bin allerdings auf die Idee gekommen, Dittsche gezielt Geschichten erzählen zu lassen.

Ich habe Ingo und Schildkröte erfunden und alles in den Imbiss gelegt. Irgendwann gab es dann "Olli Tiere Sensationen" im ZDF und da konnte ich ihn wieder unterbringen.

SZ: Das war aber erst im Jahre 2000. Vorher bei "RTL Samstag Nacht" hatte "Dittsche" keine Chance?

Dittrich: Er ist einmal aufgetaucht. Aber es hat nicht funktioniert. Es verpuffte einfach so. Der wurde da nicht angenommen. Vielleicht, weil er aus einer anderen Welt kam. Der passte nicht in dieses bunte Hochglanzfernsehen.

"Anarchistisch, gaga, absolut konzeptlos"

SZ: Warum passte er zu "Olli Tiere Sensationen"?

Olli Dittrich im SZ-Interview: "Wenn Gottschalk rauskommt und sagt: "Guten Abend, Herrschaften", dann habe ich gute Laune." - Olli Dittrich ist auch selbst gern Gast bei "Wetten, dass".

"Wenn Gottschalk rauskommt und sagt: "Guten Abend, Herrschaften", dann habe ich gute Laune." - Olli Dittrich ist auch selbst gern Gast bei "Wetten, dass".

(Foto: Foto: AP)

Dittrich: Damals hatte ich die Idee, das Ganze mit solch einer Überwachungskamera-Ästhetik zu machen. Die Idee ist mir im Kaufhaus in Wandsbek gekommen. Da ist mir so ein Kranz an der Decke aufgefallen, an dem vier Kameras hingen. Das hat mich sehr fasziniert.

Dann habe ich beim Pförtner der Dresdner Bank gesehen, wie die Bilder auf dem Monitor aussehen. Ich fand das beeindruckend, wie diese Bilder da wechseln. Mir war sofort klar, dass ich für "Dittsche" so etwas haben will.

SZ: Ist Dittsche einsam?

Dittrich: Ja, und insgeheim leidet er darunter, aber er kompensiert das mit Großspurigkeit. Dittsche ist jemand, den man nicht in Verantwortung nehmen kann für das, was er sagt. Das ist die Chance zur Komik, dass er von seiner Armseligkeit und seiner Unzulänglichkeit ganz hervorragend ablenkt.

Solche Leute lesen Zeitung und orientieren sich und bauen sich auf an den Helden, die dazu gemacht werden. Wenn es nicht sonderlich spannend zugeht im eigenen Leben, ist es herrlich, am Sonntag um 14 Uhr auf dem Sofa zu sitzen und zu gucken, wie Schumacher gewinnt.

Da fühlt man sich auch gleich ein bisschen besser. Das ist ein ganz einfaches Prinzip. Früher sind die Leute ins Kino gegangen und haben John Wayne siegen sehen, und hinterher haben sie sich dann besser gefühlt. So funktionieren Helden.

Sportler sind besonders geeignet, weil sie das Prinzip zeigen: Man macht etwas und gewinnt. Das geht mir ja genauso. Wenn ich sehe, dass jemand, für den ich die Daumen halte, gewinnt, identifiziere ich mich mit dem Gefühl, gewonnen zu haben.

Und Dittsche orientiert sich ganz besonders daran und weiß grundsätzlich alles besser. Er weiß auch immer, warum etwas daneben geht. So entstehen Verschwörungstheorien. Immer da, wo es nicht wirklich Antworten gibt, können solche Leute auftrumpfen.

SZ: Zum Beispiel?

Dittrich: Ich finde es großartig, wenn die Diskussion über einen islamischen Feiertag in Deutschland geführt wird und die Bild-Zeitung Jürgen Trittin abbildet in einer Montage mit langem weißem Rauschebart und Turban, und Dittsche nimmt das für bare Münze.

Dann sagt er, dass Trittin den Feiertag nur einführen will, weil er eigene Interessen hat. Dann fragt Ingo: Warum eigene Interessen? Ja weil er selber auch mal sowas war, der war ja selber auch mal ein Mullah.

Und dann geht die Diskussion hin und her, weil Dittsche glaubt, es handele sich um ein altes Trittin-Foto, und der wolle nur deshalb einen islamischen Feiertag einführen, damit er mal einen Tag frei hat. Wir zeigen damit, wie das geht, wenn Leute Fotomontagen auf den Leim gehen. Und das passiert bestimmt öfter als man denkt.

SZ: Dittsche ist auch Medienkritik?

Dittrich: Aus Versehen vielleicht manchmal. Ich bin aber weder Kabarettist, noch Medienkritiker.

SZ: Auch kein Komiker?

Dittrich: Doch Komiker schon.

SZ: Früher waren sie Comedian.

Dittrich: Ja (lacht).

SZ: Ist Comedy heute an einem Punkt, an dem sie sich im Fernsehen neu erfinden muss?

Dittrich: Ich glaube schon. Es muss aber wieder Geld ausgegeben werden für Qualität. Es gibt immer Leute, die mit dem Talent auf die Welt kommen, andere zum Lachen zu bringen, komödiantische Begabungen, die zu Recht da hin sollten, wo Fernsehen eine Plattform bietet.

SZ: Das heißt, es gibt Leute, die was können, aber es gibt keinen, der ihnen Geld und ein Forum bietet?

"Anarchistisch, gaga, absolut konzeptlos"

Olli Dittrich im SZ-Interview: "Gute Comedy hat sehr viel mit Musik zu tun."

"Gute Comedy hat sehr viel mit Musik zu tun."

(Foto: Foto: ddp)

b>Dittrich: Ich glaube, dass es zum Teil so ist. Aber ehrlich gesagt: ich gucke immer weniger Fernsehen und könnte das gar nicht beurteilen.

SZ: Das klingt nach Verachtung für das Medium, in dem Sie erscheinen.

Dittrich: Nein, das ist keine Verachtung. Ich interessiere mich nur für andere Dinge. Ich bin ja von den ganzen Spaßvögeln, die in den 90ern groß geworden sind, mit Abstand der Älteste. Ich entwickle mich in eine Richtung, wo mich Fernsehenkucken anstrengt und manchmal nervt.

Ich kann dem nichts abgewinnen. Selbst wenn ich heute RTL Samstag Nacht sehe, kann ich dem, was wir damals gemacht haben, auch nur noch zum Teil etwas abgewinnen. Das heißt nicht, dass ich nicht dazu stehe. Ohne Samstag Nacht wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Aber es interessiert mich eben nicht mehr so sehr, einen Arzt-Sketch zu spielen.

SZ: Wird die Krise des Fernsehens sichtbar an den Comedy-Programmen?

Dittrich: Ich sehe zu wenig, um das beurteilen zu können. Comedy als Fernsehgenre war Anfang der 90er Jahre eben neu. Ich vergleiche das immer gerne damit, wenn man sich in jemanden verliebt. Diese Anfangszeit, die eine gewisse Unschuld in sich trägt und einen gewissen Schutz bietet, die wird nie wieder da sein.

Comedy hat als Innovation ihre Unschuld verloren. Das heißt nicht, dass es schlecht werden muss. Man muss aber einwenig Geld ausgeben und nicht die 265. Panelshow bringen.

Da hat einer bemerkt, dass es die Möglichkeit gibt, Leute, die halbwegs einen geraden Satz geradeaus sprechen können, immer wieder untereinander zu mischen und zu allen möglichen Themen zusammenzuwürfeln, eine Kamera draufzuhalten und daraus eine Sendung zu machen.

Das ist unterhaltsam, wenn die richtigen zusammen sind. Panelshows gibt es in England seit vielen Jahren, und da sitzen Leute, die das können. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass ,,Genial daneben'' neben "7 Tage, 7 Köpfe" das einzige Format ist, das erfolgreich ist und funktioniert.

Und es ist auch kein Zufall, dass das dann jemand macht wie Hugo Egon Balder. Hugo ist einfach großartig. Der wird, bis er ein uralter Mann ist, brennen und immer wieder etwas Neues suchen.

SZ: Braucht Comedy also die Ressource Mensch, um zur Qualität zu gelangen?

Dittrich: Ressource Mensch ist ein guter Begriff. Aber ich muss Ihnen sagen, wenn ich mich zu diesem Thema äußere, ist mir das irrsinnig unangenehm. Das ist nicht meine Art, mich über die Branche zu äußern.

SZ: Anders gefragt: Was mögen Sie?

Dittrich: Zunächst einmal Leute, die von sich aus komisch sind. Es ist doch kein Zufall, dass Harald Schmidt auch an einem schlechten Tag noch um so viel besser ist als das meiste, das man zu sehen bekommt. Wenn der da so rauskommt und so steht, einfach so steht, bin ich schon gut unterhalten. Ähnlich ist es mit Gottschalk, wenn der rauskommt und sagt: ,,Guten Abend, Herrschaften'', dann habe ich gute Laune.

SZ: Sie sprechen von der Kunst des unterhaltenden Stehens?

Dittrich: Das ist fast eine Überschrift. Ja. Ich bin ja auch jahrelang getingelt und man lernt, dass man in dem denkbar unglücklichsten Moment auch beim Scheitern da oben noch seinen Job machen muss. Man braucht dafür Liebe und muss dafür geboren sein. Denn nicht jeder, der in einem lustigen Format was macht, ist dafür geboren.

"Anarchistisch, gaga, absolut konzeptlos"

SZ: Spüren Sie eine Verwandtschaft zu Stefan Raab und Helge Schneider, die über den Wunsch, ernsthafter Musiker zu werden, irgendwann eine andere kreative Ausdrucksform gefunden haben, das Komische?

Dittrich: Mag sein. Jedenfalls gibt es kaum komische Dinge, die nicht in Wahrheit musikalisch sind. Die Leute, mit denen ich gerne zusammenarbeite, können fast alle musizieren. Gute Comedy hat sehr viel mit Musik zu tun.

SZ: Weil man den Ton treffen muss?

Dittrich: Das hat was mit Timing zu tun: Musik ist die universelle Sprache, etwas zum Ausdruck zu bringen. Alle guten Komiker können auch gut musizieren. Harald spielt super Klavier und Orgel, Raab ist sowieso ein Überflieger, musikalisch.

SZ: Ist Ihnen Raabs Humor vertraut?

Dittrich: Ich verstehe genau, was er macht, aber mir fehlt das Gen zur Schadenfreude. Ich kann mich nicht weiden am Scheitern anderer.

SZ: Sie sind sich selbst genug?

Dittrich: Man muss Entscheidungen im Leben treffen, herausfinden, was man will, wofür man steht, wofür man bereit ist, Kummer in Kauf zu nehmen und den Kampf aufzunehmen.

Ich habe selten an etwas so unerschütterlich geglaubt wie an dieses Dittsche-Format. Für mich ist Glück das Privileg, eine solche Sendung machen zu dürfen. Und ich habe alle möglichen Eindrücke, aber nicht den, dass ich dort eine Fernsehsendung mache.

SZ: Was bedeutet das für die Zukunft?

Dittrich: Es gibt eine Idee zu einem Kinofilm, der ähnlich radikal angelegt wäre wie Dittsche fürs Fernsehen ausgedacht wurde, das betrifft besonders die Art der visuellen Herangehensweise.

SZ: Haben Sie schon eine Produktionsfirma?

Dittrich: Es gibt mehrere, die einen Dittsche-Film machen wollen.

SZ: Wann sehen wir im ZDF das nächste "Blind Date" mit Anke Engelke?

Dittrich: Das ist schon abgedreht. Ich hoffe, dass es im Mai kommt und dass es einen ordentlichen Sendeplatz bekommt. Nicht so spät in der Nacht.

SZ: Wie ist es geworden?

Dittrich: Für mich ist es ein absolutes Meisterwerk geworden. Anke und ich haben das intuitiv so gespielt, als sei es das letzte "Blind Date".

SZ: Ist es das letzte?

Dittrich: Ja, vielleicht. Zum ersten Mal spielen wir nicht zwei Fremde, sondern ein heruntergewirtschaftetes Paar im Ehestreit. Ein schönes Finale.

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