Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Bester Dinge":Umwerfende Tintenfische

Forscher haben ein ungewöhnliches Verhalten unter Oktopoden beobachtet: Die Tiere beschmeißen sich mit Schlamm und Muscheln. Haben sie sich das beim Menschen abgeschaut?

Von Moritz Geier

Beim Oktopus ist es auch nicht anders als beim Menschen: Manchmal geht man sich gegenseitig einfach tierisch auf den Tintensack. In einer im Fachjournal PLOS One veröffentlichten Studie ist nun zu lesen, dass australische Oktopoden sich gegenseitig mit Schlamm und Muschelschalen bewerfen, höchstwahrscheinlich, weil sie als eher mürrische Einzelgänger in der oktopusreichen Jervis Bay - wer mag es ihnen verübeln - schlicht und einfach nicht ständig über fremde Tentakeln stolpern wollen.

Während das Schmeißen mit Gegenständen als Akt der Selbstermächtigung und als erlösender Bruch lang anhaltender Spannungen dem Homo sapiens keinesfalls wesensfremd ist, gilt es im Tierreich als ausgesprochen selten. Dabei hat das Verhalten meist für alle Beteiligten etwas sehr Befreiendes. Auch König Charles III. dürfte die Eier, die ihm kürzlich im englischen York ein mürrischer Einzelgänger mit ein paar monarchiekritischen Worten garniert und mit ordentlich Schmackes vor die Füße gepfeffert hatte, mit Nachsicht zur Kenntnis genommen haben. Wenn man nämlich bedenkt, was alles geworfen werden könnte (bei Asterix und Obelix sind es Hinkelsteine), dann wohnt ja schon einem sanft geschleuderten Schuh eine vergleichsweise friedliche Botschaft inne (erst recht, wenn er sein Ziel verfehlt wie damals bei George W. Bush).

Wichtig ist jedenfalls vor allem, dass man sich am Ende wieder verträgt. Dass der gemeine Oktopus dafür ganz grundsätzlich prädisponiert ist, beweist die Anekdote einer Kanadierin, die am Grund des Pazifiks einen recht großen Kraken auf sich zu krabbeln ließ, wie ein Video belegt. Das Tier pirscht sich heran, kommt näher und näher, holt mit seinen Tentakeln aus und ... umarmt die Taucherin. Sich an jemanden ranzuschmeißen ist eben doch immer noch besser, als einander zu bewerfen.

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