SZ-Kolumne "Bester Dinge":Wenn die Gondeln Spanner tragen

SZ-Kolumne "Bester Dinge": Spannende Aussichten: So soll die Seilbahn am Wiener Kahlenberg mal aussehen.

Spannende Aussichten: So soll die Seilbahn am Wiener Kahlenberg mal aussehen.

(Foto: Genial Tourismus- & Projektentwicklung GmbH)

Ein Investor möchte ausgerechnet über den FKK-Bereich der Wiener Donauinsel eine Seilbahn spannen. Nicht alle Nudisten sind davon begeistert.

Von Martin Zips

Es gilt jetzt eine Minderheit zu würdigen, die in den aktuellen Minderheitsdebatten bislang zu wenig Aufmerksamkeit erfahren hat: den friedvollen Nudisten (meist ist er männlich und schon etwas älter). Ganz ohne Polyester aus Bangladesch oder China kommt er aus, Atomstrom lehnt er meist ebenso ab wie Kohleenergie, Verbrennungsmotoren oder Akku-Roller, die ja eh nur irgendwo im Fluss landen. Als Benutzer eines uralten Fahrrads lebt der Nudist bescheiden und im Einklang mit der Natur. Er trifft sich an seinen Lieblingsgewässern mit Gleichgesinnten, plantscht, plaudert, schmökert und lässt die Seele baumeln. Währenddessen herrscht im benachbarten, digital deutlich affineren Textilbereich wieder Aufregung. "Hast du dies und das schon gesehen, gehört, gelesen?" Der Friedensnudist aber beteiligt sich meist nicht. Er liegt nur da und lässt sich seine Haut von Sonne, Wind und Wiese streicheln.

Doch ist ihm wirklich alles egal? Gegenüber der Austria-Presse-Agentur haben sich einige österreichische Nudisten und Nudistinnen (die gibt es nur dort) gerade darüber empört, dass ihnen ein skrupelloser Investor eine Seilbahn zum Kahlenberg über die Wiener Donauinsel spannen möchte. Als die Presseagentur den Verantwortlichen mit den Anschuldigungen konfrontierte, bemühte sich dieser, die Textilfreien zu beruhigen: Man könne ja, so meinte er, die Seilbahn auch so bauen, dass in den Personengondeln eine Milchglas-Schaltung aktiviert werde, sobald sie den FKK-Bereich überflögen. Und dann sei es aus mit der Glotzerei.

Man muss nun abwarten, wie die Geschichte weitergeht. Wichtige Genehmigungen für diesen urbanen Seilbahnbau stehen noch aus, Behördenmühlen mahlen langsam. Der friedvolle Nudist aber denkt sich: Sollen sie halt glotzen, die Angezogenen mit ihren Digitalkameras. Und sollten sie wirklich einmal auch über mir schweben, in ihren Milchglasgondeln, so wird mich der Schatten, den sie werfen, vor Sonnenbrand schützen.

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