Österreich:Zack, das Krokodil ist weg 

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(Foto: Ingo Pertramer/Maschek)

Nach Straches Rücktritt fehlt Österreichs Kabarettisten eine Hauptfigur, auch der Wiener Gruppe "Maschek", die seit 20 Jahren Prominente und Politiker synchronisiert. So wild wie jetzt war's noch nie.

Von Martin Zips, Wien

Drei Männer nehmen Platz auf der Kabarett-Bühne "Orpheum" im 22. Wiener Gemeindebezirk. Sie setzen sich auf drei Stühle vis-à-vis zum Publikum im ausverkauften Saal. Auf drei Tischen neben ihnen stehen jeweils drei Wasserflaschen. Die werden sie auch brauchen in den kommenden zwei Stunden, denn die Mitglieder der Kabarettgruppe "Maschek" reden ohne Unterlass, da wird schnell mal der Mund trocken. Egal, ob auf der Video-Leinwand hinter ihnen Donald Trump oder Papst Franziskus zu sehen ist, die Männer vertonen live. Sie imitieren nicht nur prominente Stimmen, sondern auch das Schlurfen der Schuhe, das Quietschen der Türen und das Seufzen der Gefolgsleute.

Angela Merkel verpassen sie die Stimme einer strengen Großmutter, Wladimir Putin die eines derben russischen Machos und der (damals) österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz spricht bei ihnen mit der kieksenden Stimme eines übereifrigen, spätpubertierenden Schulsprechers. Polit-Karaoke für Erwachsene. Das Publikum dankt mit viel Lachen und Applaus.

Wenig später sitzen Peter Hörmanseder, 49, und Robert Stachel, 47, dem Reporter abermals gegenüber, diesmal bei Cappuccino und Kipferl an einem Bistrotisch in einem hübschen Wiener Kaffeehaus. Der dritte Maschek-Mann, Ulrich Salamun, 48, lässt sich entschuldigen, sein Hauptgeschäft ist mittlerweile fair gehandelter Kaffee aus Nicaragua. Als Satiriker kann man nie wissen, da ist es immer gut, ein zweites Standbein zu haben.

Für Maschek ist es gerade sehr oft an der Zeit, Abschied zu nehmen. Auch der nach dem Ibiza-Video zurückgetretene FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache war ja immer ein Garant für Lacher im Maschek-Programm. Sowohl bei den Live-Vertonungen auf der Bühne als auch bei Maschek-Auftritten im österreichischen Fernsehen. Und auch auf den Wiener Puppenbühnen, die Maschek gelegentlich bespielen.

Als Vorbild für Strache diente seinem Sprecher Peter Hörmanseder der gehetzte Kojote aus der US-Zeichentrickserie "Looney Tunes": Ein recht aggressives Tier, dem meist irgendwann ein Amboss auf den Kopf fällt. "Sein Rücktritt war zumindest stimmlich ein herber Verlust für uns", sagt Hörmanseder nun und sein Kollege Stachel, im Kaffeehaus unter dem hängenden Blatt einer Topfpflanze sitzend, ergänzt: "Man braucht ja auch diese Archetypen wie in einem Kasperltheater. Jetzt fehlt uns das Krokodil." Tauchte der FPÖ-Mann im Maschek-Programm auf, so waren kaum noch Wörter zu vernehmen, nur hektisches Wodka-Bull-Gestammel. Geräusche, kurz vor dem Herzinfarkt. Manchmal musste sich Hörmanseder nach der Show beim Publikum sogar entschuldigen, so weit flog seine Spucke in den Saal.

Aber, ach, wenn es doch nur Strache gewesen wäre. Ein Großteil der alten Wiener Koalition: plötzlich weg. Auch Theresa May. Immerhin: Hörmanseder kann auch noch Putin, Erdoğan und Trump. Stachel hat sich auf Angela Merkel, Sebastian Kurz, Geert Wilders, Viktor Orbán und Jean-Claude Juncker spezialisiert. Die Stimmen der Männer passen auf ihre Figuren derart perfekt, dass sich die echten Stimmen völlig falsch anhören.

Anstrengend für Maschek ist allerdings, dass diesmal "alles auf einmal zusammenbricht", wie Stachel sagt. "Das ist wohl bisher beispiellos." Und: "Aus unserer langjährigen Erfahrung wissen wir, dass Politikerinnen und Politiker mit dem Tag ihres Abschieds für das Publikum rasend schnell uninteressant werden", meint Hörmanseder. Andererseits: "So ist das eben mit geliehener Macht."

Dann schenkt er sich ein Wasser ein. Es ist exakt 20 Jahre her, da begannen die Studienfreunde Hörmanseder, Stachel und Salamun auf kleinen Wiener Bühnen damit, zuvor auf Flohmärkten erworbene Privat-Bilder live zu vertonen. Sie dachten sich einfach neue Geschichten zu alten Dias aus. Irgendwann drehten sie auch dem Fernsehen den Ton ab und improvisierten munter wässrig drauflos. Alternative Fakten - damals noch als analoges Spaß-Programm. Ihr Publikum unterhielten Maschek - der Name geht zurück auf die Wiener Redewendung "Von der Maschekseite kommen", also jemanden austricksen - derart gut, dass sie bald von Alfred Dorfer für dessen ORF-Show "Donnerstalk" engagiert wurden. Auch bei Harald Schmidt traten sie auf.

"Piiiiip über der Neonazi-Passage"

Seit 2011 sind Maschek fester Bestandteil der wöchentlichen Late-Night-Show "Willkommen Österreich". Im Fernsehen sind sie meist nur zu zweit zu sehen, auf der Bühne gelegentlich auch zu dritt.

Nicht immer läuft alles glatt. Vor einigen Wochen haben sie in einem Sketch einen ORF-Moderator zum damaligen Vizekanzler Strache sagen lassen: "Vom Neonazi zum Sportminister - eine typisch österreichische Karriere!" Da die Situation zwischen dem ORF und der FPÖ in Sachen TV-Gebühren in jenen Tagen ziemlich angespannt war, verschwand der Sketch bald nach der Ausstrahlung aus der Mediathek.

Aber Maschek haben auch ihren eigenen Youtube-Kanal, und da ist das Video immer noch zu sehen. Da haben sie einfach ein ziemlich genervtes "Piiiiiep" über die Neonazi-Passage gesprochen. "Kein Problem", sagt Hörmanseder und rührt seinen Kaffee. "Je kenntlicher man etwas nicht Erlaubtes unkenntlich macht, umso größer die Resonanz."

So gesehen hatten Maschek gerade in Zeiten der Wiener Regierungskrise leichtes Spiel. In einer Folge von "Willkommen Österreich" deuteten sie das Ibiza-Video jüngst so um, dass Johann Gudenus seinem Freund, dem nunmehr arbeitslosen Zahntechniker Strache, familiäre Hilfe bei der Jobsuche anbot: Er habe da einen Neffen, sagt Gudenus - mit der gut geölten Stimme Robert Stachels.

Doch Satire bleibt immer eine Gratwanderung. "Auf der einen Seite die Sozialdemokraten", sagt Peter Hörmanseder, "die oft besonders angefasst sind von unseren Witzen, weil sie meinen, dass Satire immer auf ihrer Seite sein muss." Auf der anderen Seite die "tödlichen Umarmungen" einiger Rechtspopulisten, die "wie Norbert Hofer" gerne öffentlich verkünden, sie freuten sich auf jede Maschek-Folge - während sie hintenrum gleichzeitig den politischen Druck auf die Verantwortlichen erhöhten.

"Vor 20 Jahren haben wir das ORF-Monopol kritisiert und für eigene TV-Kanäle gekämpft", sagt Stachel, seit 17 Jahren Maschek-Berufskabarettist. Heute kämpfe er für den Fortbestand und die Unabhängigkeit der Öffentlich-Rechtlichen. Denn: Käme es in Österreich abermals zu einer großen Koalition, so "könnte sich die FPÖ oder vielleicht sogar Strache selbst regenerieren".

Im September starten Maschek ihr neues Bühnenprogramm, erstmals ganz auf die deutsche Bundeskanzlerin zugeschnitten. Hörmanseder und Stachel würden das so zwar nie formulieren, aber natürlich geht es ihnen auch darum, sich - ganz wie ihr Kollege Salamun mit seinem nicaraguanischen Kaffee - ein zusätzliches wirtschaftliches Standbein zu schaffen. In Deutschland, falls im eigenen Land mal nichts mehr geht. Ist das eine gute Idee? Sind sie dafür hierzulande bekannt genug? Funktioniert ihr Witz auch in Wanne-Eickel? Und was, wenn Merkel dann gar nicht mehr Kanzlerin ist?

"Doch, doch, das funktioniert", verspricht Peter Hörmanseder. Immerhin eine Buchung für Deutschland hätten sie ja schon. München, 1. Mai 2020. Ihr aktueller ORF-Vertrag laufe noch bis Ende 2019. Mit der Verlängerung sieht es - derzeit zumindest - gar nicht so schlecht aus. Kürzlich haben sich Maschek noch einmal selbst übertroffen. Da haben sie ein Interview, das Sebastian Kurz dem Journalisten Armin Wolf gegeben hat, auf eine Weise nachsynchronisiert, dass es so aussah, als zwinge der Kanzler Wolf im Studio mehrere Runden des Kinderspiels "Schere, Stein, Papier" ab.

Im Sketch nennt Kurz das Spiel ein für seine Generation ungeheuer wichtiges "Decision Making Tool", von dem Wolf als "sehr, sehr alter Mann" halt nichts verstehe. Auf der einen Seite ein fassungsloser Journalist, auf der anderen Seite ein infantiler Business-Kanzler: besser waren Maschek selten.

"Satire muss immer auf der Seite der Schwachen sein", sagt Peter Hörmanseder, "leider macht sie das oft auch selber schwach." Und doch gehe es ihnen, den ehemaligen Jura- und Medienwissenschaftsstudenten, trotz aller Blödeleien immer um Dinge wie "Ethos", "Demut" und "Moral" - um das friedliche menschliche Zusammenleben. Das treibt Maschek an. Und dann fragt Robert Stachel den deutschen Reporter noch, wen man denn unbedingt mit einbauen solle, damit das Merkel-Programm zwischen Alster und Isar auch wirklich funktioniere. Unter dem Eindruck so vieler Abschiede dieser Tage fällt dem Reporter gerade kein anderer ein, als der Kanzler der Deutschen Einheit. Da befehlen die beiden, dass der Deutsche ihnen als Dr. Helmut Kohl die Kaffeehaus-Getränkekarte vorzulesen habe. Sofort. Zack, zack, zack.

Lachen kann so befreiend sein.

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